# taz.de -- Tod in Gewahrsam verschwiegen: Das Polizeiproblem ist überall | |
> In Wuppertaler Polizeigewahrsam ist ein Mann ums Leben gekommen. Zu lange | |
> erfuhr davon niemand. | |
Bild: Spontandemonstration gegen Polizeigewalt am 1. November in Wuppertal | |
Ein junger Mann wird nachts festgehalten, mehrere Polizist*innen | |
drücken seinen Körper auf den nassen Asphalt. Im Hintergrund sind Sirenen | |
zu hören, das Blaulicht der parkenden Polizeiwagen leuchtet. Eine Person | |
filmt die Szene mit ihrem Handy. Sie fleht weinend die Polizei an: „Bitte, | |
Bitte! Er ist ein Kind!“ Später wird der junge Mann in Polizeigewahrsam | |
sterben. [1][Es handelt sich um den 24-jährigen Giórgou Z]. Warum musste er | |
sterben? | |
Die Verantwortlichen bei der Polizei Wuppertal, im Innenministerium von | |
Nordrhein-Westfalen und bei der zuständigen Staatsanwaltschaft ließen es | |
zunächst gar nicht zu, dass diese Frage gestellt wird. Denn vom Tod des | |
Giórgou Z. erfuhr die Öffentlichkeit tagelang nichts. Erst Recherchen von | |
antifaschistischen Gruppen brachten den Fall ans Licht. Und es stellt sich | |
nun eine ganz andere Frage: Warum haben die Behörden so lange geschwiegen? | |
Sechs Tage nach dem Tod veröffentlichten Polizei und Staatsanwaltschaft | |
[2][eine gemeinsame Pressemitteilung]. Das ist deswegen erstaunlich, weil | |
die Polizei gerne Pressemitteilungen über Petitessen verfasst. Hier sahen | |
die Verantwortlichen zunächst aber keinen Grund, zu informieren. Die | |
Lautstärke dieses tagelangen Schweigens war für viele unerträglich. | |
Journalist*innen, die zum Thema recherchieren, waren jedoch nicht | |
überrascht. Denn es herrscht in Deutschland eine Omerta beim Thema | |
mutmaßliche Polizeigewalt, die nur durch öffentlichen Druck und | |
journalistische Recherche durchbrochen werden kann. | |
In der Pressemitteilung führt die Polizei einen vorausgegangenen Streit | |
unter Geschwistern an, Giórgou Z. wird als „renitent“ bezeichnet, er soll | |
unter Drogeneinfluss gestanden und sich gegen seine Festnahme gewehrt | |
haben. Bei einer Blutentnahme in Polizeigewahrsam sei er dann in Ohnmacht | |
gefallen und später ohne „ein todesursächliches Fremdverschulden“ | |
verstorben. Nur: Viele Menschen glauben diese Darstellung nicht. Weil sie | |
von der Polizei selbst kommt. Spät. Nach massiver Kritik. Schon wieder. | |
Denn es ist nicht das erste Mal. | |
Deswegen braucht es unabhängige Instanzen, die die Polizeiarbeit in den | |
Bundesländern und auf Bundesebene überwachen, uneingeschränkten Zugang zu | |
allen Akten haben und gegen Polizist*innen bei Fehlverhalten, | |
Machtmissbrauch und Vertuschung ermitteln können. Das System der | |
Selbstüberwachung funktioniert nicht und ist ein wesentlicher Grund für die | |
Polarisierung in der Gesellschaft, zwischen der Staatsgewalt und den | |
Bürger*innen. | |
Ein Satz in der späten Polizeimeldung bringt das Problem auf den Punkt: | |
„Ein […] eingeleitetes Todesermittlungsverfahren wird aus | |
Neutralitätsgründen durch das Polizeipräsidium Hagen geführt.“ Nicht nur … | |
Wuppertal tun sie so, als wären ihre Kolleg*innen 30 Kilometer weiter | |
neutral und imstande, irgendetwas unvoreingenommen aufzuarbeiten. Das | |
Polizeiproblem ist überall. | |
10 Nov 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Todesfall-in-Wuppertal-nach-Festnahme/!5810426 | |
[2] https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/11811/5066450 | |
## AUTOREN | |
Mohamed Amjahid | |
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