| # taz.de -- Gedenken an NS-Verfolgung: Dorf mit Erinnerung | |
| > In Buttenhausen gibt es keine Juden. Auch Gal Berlinger-Kellers Uropa | |
| > wurde ermordet, doch sie kommt gerne ins Dorf – dank eines engagierten | |
| > Mannes. | |
| Bild: Blick vom jüdischen Friedhof auf Buttenhausen | |
| Ein verwitterter Grabstein, am oberen Rand verziert mit einem Hirsch neben | |
| einem grünen Baum: „Hier ruht Hirsch Höchsletter, geb. 11. Mai 1820, gest. | |
| 18. Okt. 1867“ steht in geschwungener weißer Schrift auf einem schwarzen | |
| Schriftfeld. Ein anderes Grabmal, nun mit hebräischer Inschrift, darunter | |
| kleiner geschrieben: „Hier ruht Lehmann Jakob Veil, geb. d. 1. Sept. 1848, | |
| gest. d. 15. Dezember 1885“. | |
| Die Wege auf dem jüdischen Friedhof von Buttenhausen sind steil, sehr | |
| steil. Das große Gräberfeld biegt sich außerhalb des Dorfs einen Hang | |
| hinauf und endet erst am Waldrand. Die Grabsteine stehen akkurat aufrecht, | |
| doch die Gräber befinden sich in Schräglage, sie zeigen himmelwärts und | |
| zugleich fort von den Häusern des Dorfs tief unten im Tal der Lauter, so | |
| als wollten sie Distanz wahren zu allem Weltlichen. | |
| Ganz oben, am Waldrand, reiht sich Grabstein an Grabstein. Doch ein Stück | |
| weiter, rechts in der Mitte, erstreckt sich auf dem abschüssigen Grund nur | |
| eine Wiese. Es ist noch viel Platz für weitere Tote vorhanden, der aber | |
| nicht mehr benötigt werden wird. Denn in Buttenhausen lebt kein Jude mehr | |
| und deshalb wird es auch kein jüdisches Begräbnis mehr geben, mit Rabbiner, | |
| trauernden Verwandten und Freunden, die auf dem ungepflasterten | |
| Wirtschaftsweg hinaufsteigen zu ihrem Gräberfeld. | |
| Friedhöfe wie in Buttenhausen gibt es Hunderte in Deutschland. Manche | |
| verfallen von Jahr zu Jahr, viele sind gut gepflegt, so wie hier. Häufig | |
| sind sie aus begründeter Furcht vor antisemitischen Grabschändungen | |
| eingezäunt und abgeschlossen, und es bedarf erst der Suche nach einem | |
| Verwalter des Schlüssels, bevor man das Gräberfeld betreten kann – meist | |
| das einzige Zeugnis dafür, dass einmal Juden dort gelebt haben. | |
| ## Letzte Begräbnisse bei Nacht und Nebel | |
| 83 Jahre sind seit dem Novemberpogrom vergangen, 80 Jahre, seit am 15. | |
| Oktober 1941 die systematischen Deportationen von deutschen Juden in den | |
| Tod begannen. Die ersten zwanzig Züge gingen ins Ghetto Łódź im | |
| annektierten Teil Polens. Etwa 20.000 Menschen wurden dorthin verschleppt. | |
| Jetzt im November jährt sich die Verschleppung von 7.000 Menschen ins | |
| litauische Kaunas zum 80. Mal, im Dezember die erste nach Riga. Dorthin, | |
| nach Lettland, zwang man damals auch Juden aus Buttenhausen. | |
| „Sarah Bernheimer“ steht kaum leserlich auf einem bemoosten und schlichten | |
| Grabstein in Buttenhausen, darunter ihre Lebensdaten: 1843 bis 1940. Da | |
| hatten die Nazis den Juden schon verboten, ihre Verstorbenen zu bestatten, | |
| so wie sie den Lebenden Hunderte andere Handlungen untersagt hatten. Den | |
| noch Lebenden. | |
| Sarah Bernheimer musste bei Nacht und Nebel begraben werden. Der | |
| Leichenwagen der jüdischen Gemeinde war beim Novemberpogrom im Jahr 1938 | |
| verbrannt, so wie die Synagoge. Ein christlicher Pferdeknecht stellte | |
| seinen Wagen zur Verfügung, um die Tote den steilen und ungepflasterten Weg | |
| hinauf zum Gräberfeld zu bringen. Einen Grabstein bekam die 96-jährige | |
| Verstorbene nicht mehr, nur ein Brett, auf dem ihr Name geschrieben stand. | |
| Den heutigen Stein haben wohl überlebende Verwandte erst nach dem Krieg | |
| setzen lassen. | |
| Die letzten Begräbnisse fanden im Jahr 1942 statt. Danach gab es keine | |
| Juden in Buttenhausen mehr. Dabei war das wenige hundert Menschen zählende | |
| schwäbische Dorf an der Lauter einst ein Zentrum jüdischen Lebens gewesen. | |
| Dort wohnten früher gar einmal mehr Juden als Christen. | |
| Naphtali Berlinger liegt nicht auf dem Friedhof von Buttenhausen. Der 1876 | |
| geborene Lehrer, Vorsänger in der Synagoge, Schächter und Beschneider, der | |
| auch christliche Kinder an der Dorfvolksschule unterrichtet hat, bringt es | |
| in der Nazizeit nicht übers Herz, seine Gemeinde zu verlassen und ins Exil | |
| zu gehen. | |
| Er wird am 22. August 1942 von Stuttgart nach Theresienstadt deportiert und | |
| stirbt dort am 20. Februar 1943. Im Abschiedsbrief an seine Kinder schreibt | |
| der fromme Mann: „Sollte die Postverbindung zu Euch unterbrochen werden, so | |
| sorgt Euch nicht um mich. Ich bin ja nie allein. Er ist bei mir. Von Ihm | |
| kommt nichts, was mir schaden würde. Seine Bestimmung nehme ich auf mich.“ | |
| Naphtali Berlinger war einer der letzten Juden des Dorfs. Mit ihm könnte | |
| diese Geschichte zu Ende sein. Ist sie aber nicht. | |
| ## „Immer wieder gekommen“ | |
| Gal Berlinger-Keller sagt: „Ich bin immer wieder nach Buttenhausen | |
| gekommen. Wir sind dort sehr herzlich aufgenommen worden. Ich habe nur | |
| positive Erfahrungen gemacht.“ Berlinger-Keller, Jahrgang 1967, ist die | |
| Urenkelin von Naphtali Berlinger. Die acht Kinder des Lehrers erreichen | |
| während der Nazizeit rechtzeitig das rettende Ausland. Der 1909 geborene | |
| Großvater von Gal siedelt sich im damaligen britischen Mandatsgebiet | |
| Palästina an. Anselm Ascher Berlinger geht in ein Dorf, das ausschließlich | |
| von württembergischen Juden errichtet wird: Shawei Zion liegt am Meer, | |
| nördlich von Haifa. | |
| Noch Jahrzehnte später ist dort Deutsch die Umgangssprache. Gal Berlinger | |
| wächst in Israel mit Spätzle und Geschichten über Buttenhausen auf. „Aber | |
| ich bin doch mehr Israelin“, sagt sie. Als Erwachsene verschlägt es die | |
| Maskenbildnerin in die Bundesrepublik, nicht nach Schwaben, sondern in die | |
| Pfalz. Sie habe in Deutschland ihren Mann kennengelernt und sei hier hängen | |
| geblieben, meint sie. Aber immer wieder kommt sie in Buttenhausen vorbei. | |
| „Wenn wir nach Buttenhausen fahren, ist das wirklich ein Gefühl, als kämen | |
| wir zurück.“ | |
| „Mein Opa ist zusammen mit meinem Vater etwa 1969 nach Buttenhausen | |
| gefahren. Für ihn war es wichtig, das Grab seiner Mutter zu besuchen“, | |
| erinnert sich Gal Berlinger-Keller an die Anfänge. Auch andere, in der | |
| ganzen Welt verstreute Nachkommen von Naphtali Berlinger kamen für einen | |
| kurzen Besuch auf den Friedhof ihres Heimatdorfs. Das Reich der Toten ist | |
| das letzte Stück originären Judentums, das sich dort bis heute erhalten | |
| hat. Dass Hinterbliebene die Gräber ihrer Ahnen noch einmal sehen möchten, | |
| ist nichts Ungewöhnliches. Viele exilierte Juden sind aus diesem Grund nach | |
| dem Krieg noch einmal in der alten Heimat gewesen, oft nur für einen kurzen | |
| Besuch. | |
| Dass Gal Berlinger-Keller nur Gutes über Buttenhausen zu berichten weiß, | |
| hat viel mit zwei Männern zu tun: mit einem, den man nicht mehr befragen | |
| kann, und einem anderen, der jetzt in einem kleinen Museum steht und | |
| lebhaft die dortige Ausstellung präsentiert. Eberhard Zacher, Jahrgang | |
| 1939, lebt in einer Nachbargemeinde und ist pensionierter Pädagoge. | |
| Sein ganzes Engagement gilt der Geschichte und dem Jüdischen Museum von | |
| Buttenhausen. Einem wandelnden Geschichtsbuch gleich weiß er von Details zu | |
| berichten, den angenehmen wie den schrecklichen. Zacher ist es auch, der | |
| noch mit dem Pferdeknecht gesprochen hat, der 1940 dabei half, die | |
| verstorbene Sarah Bernheimer unter die Erde zu bringen. | |
| ## Der erste Jude von Buttenhausen | |
| Die Geschichte der Buttenhausener Juden beginnt mit einer mit vier Siegeln | |
| versehenen Handschrift. Am 7. Juli 1787 erlässt Philipp Friedrich Freiherr | |
| von Liebenstein, der adelige Besitzer des Dorfs, einen Judenschutzbrief, in | |
| dem er gestattet, dass sich dort künftig Angehörige der verfolgten | |
| Minderheit ansiedeln dürfen. „Alle Commercia, Salz allein ausgenommen“, sei | |
| ihnen fortan erlaubt. Der Schutzbrief ist nicht unbedingt eine Ausgeburt | |
| von Menschlichkeit, eher wohl dem Interesse an einer wirtschaftlichen | |
| Belebung der Region geschuldet. Doch so kommt es, dass sich schon im | |
| folgenden Jahr ein gewisser Simon Jacob dort ansiedelt. Es ist der erste | |
| Jude von Buttenhausen. | |
| Im selben Jahre leben unter 209 Christen schon 14 Juden im Dorf. 1805, als | |
| die Herrschaft der Liebensteins endet und Buttenhausen württembergisch | |
| wird, sind es schon 150 Juden und damit rund 40 Prozent der | |
| Gesamtbevölkerung, 1870 442 Juden bei 392 Christen. Später sinkt die Zahl | |
| der jüdischen Bewohner langsam wieder ab, weil diese vermehrt in die | |
| prosperierenden Städte ziehen. Es gibt kein jüdisches Viertel in | |
| Buttenhausen, schon gar nicht ein Ghetto. Christen und Juden wohnen Tür an | |
| Tür. Juden werden Mitglied im Gemeinderat, engagieren sich in Vereinen. Das | |
| Dorf ist eines der ganz wenigen Gemeinden in Deutschland, in denen Juden | |
| die Mehrheit darstellen. Das erklärt auch, warum der Friedhof oben über dem | |
| Dorf so große Ausmaße angenommen hat. | |
| Die Geschichte der Juden von Buttenhausen präsentiert sich im Museum anhand | |
| großer verschiebbarer Tafeln. Da sind Bilder und Text über die Synagoge zu | |
| sehen, es geht um die Volksschule, deren zwei nebeneinander liegende | |
| Eingangstüren – eine für die Christen, eine für die Juden – bis heute am | |
| Dorfeingang zu sehen sind, die Zigarrenfabrik Lindauer, deren Gebäude noch | |
| steht. Jüdisches Leben prägt nicht nur das Dorf, Angehörige der Minderheit | |
| sorgen dort auch für Arbeitsplätze, Modernisierung und wirtschaftlichen | |
| Aufschwung bis hin zu Telefon und ersten Automobilen. Buttenhausen wird | |
| wohlhabend. | |
| In der Ausstellung findet sich auch ein großes Foto von Naphtali Berlinger, | |
| dem 1943 ermordeten Lehrer und Vorsänger. „2013, als das Museum neu | |
| eröffnet wurde, habe ich Herrn Zacher kennengelernt. Ihn und seine Frau | |
| habe ich ins Herz geschlossen“, sagt Gal Berlinger-Keller. Sie berichtet | |
| von einer Exkursion der Schulklasse ihres Sohns nach Buttenhausen: „Alle | |
| Schüler waren sehr beeindruckt und haben einen guten Einblick in jüdisches | |
| Leben erhalten.“ | |
| ## Eberhard Zacher und die Juden von Buttenhausen | |
| Es ist Ende der 1970er Jahre, da kommt der Geschichtslehrer Eberhard Zacher | |
| zufällig auf einem Ausflug mit dem Fahrrad durch Buttenhausen. Er lernt | |
| dort Walter Ott kennen, der kurz nach dem Krieg hier hergezogen ist. Von | |
| seiner Frau, einer gebürtigen Buttenhausenerin, erfährt Ott vom vergangenen | |
| jüdischen Leben in dem Dorf. Er besucht den verkommenen Friedhof, findet im | |
| Dachgeschoss eines Nachbarhauses verschollen geglaubte Gemeindeakten über | |
| die Juden von Buttenhausen. | |
| Und Walter Ott beschließt, sich um die Geschichte zu kümmern. Er repariert | |
| eigenhändig die Treppe auf dem Friedhof, bessert die Grabsteine mit ihren | |
| unleserlich gewordenen Inschriften aus. Ott besucht Überlebende in Israel, | |
| kommt auch nach Shawei Zion, wo ihm Gal Berlinger begegnet. „Er war immer | |
| ein gern gesehener Gast bei uns“, sagt sie rückblickend. | |
| Auf Ott geht auch das Jüdische Museum zurück. Auf die Frage, warum er sich | |
| so sehr für die Erinnerung an die Juden engagiere, antwortete er 1983 der | |
| Zeit: „Sie waren doch Bürger von Buttenhausen.“ | |
| Walter Ott ist vor einigen Jahren verstorben. „Er hat mich sehr geprägt“, | |
| sagt Eberhard Zacher, während er nach dem Museumsrundgang im Pädagogikraum | |
| Fragen beantwortet. Zacher hielt die Totenrede für Ott, nachdem sich andere | |
| geweigert hatten, dies zu tun. | |
| Denn die Geschichte des christlich-jüdischen Zusammenlebens in Buttenhausen | |
| ist nicht nur von Jahrzehnte langer guter Nachbarschaft geprägt. Sondern | |
| auch von Raub, Brandstiftung und Plünderung – und der verschütteten | |
| Erinnerung daran. „Über das Thema wurde nicht gesprochen“, hat Walter Ott | |
| einmal gesagt. Eberhard Zacher hat dieselbe Erfahrung gemacht. „Im Dorf | |
| wird nicht gerne darüber geredet“, sagt er. | |
| ## Austreibung der Juden aus dem Dorf | |
| Am 12. Juli 1933 wird die Auflösung der Israelitischen Volksschule | |
| angeordnet. Oberlehrer Naphtali Berlinger wird in den Ruhestand versetzt | |
| und muss seine Wohnung im Schulgebäude räumen. Im Jahr 1937 verbietet der | |
| Gemeinderat der benachbarten Stadt Münsingen Juden die Teilnahme an den | |
| Viehmärkten. Der letzte jüdische Gemeinderat, Salomon Löwenthal, muss 1935 | |
| sein Amt aufgeben. NSDAP-Ortsgruppenleiter Gottlob Hottmann, ein Lehrer und | |
| damit ein Kollege von Naphtali Berlinger, sorgt dafür, dass jüdisches Leben | |
| nur noch separiert von dem der Christen möglich ist. | |
| In den Morgenstunden des 10. November 1938 erhält der SA-Sturm 14/246 in | |
| Münsingen die Anordnung, die Synagoge von Buttenhausen in Brand zu setzen. | |
| Doch das Feuer ist dilettantisch gelegt, die alarmierte Dorffeuerwehr kann | |
| es wieder löschen. Deshalb wird das Gotteshaus am nächsten Tag ein zweites | |
| Mal angezündet und nun endgültig zerstört. | |
| Jetta Gut, eine Tochter von Naphtali Berlinger, erinnerte sich: „Die | |
| Schulkinder haben dann vor unserem Haus getanzt und gesungen: ‚Die Synagog’ | |
| isch abbrent, hallelujah‘.“ Naphtali Berlinger bricht vor der brennenden | |
| Synagoge zusammen und wird von SA-Männern zu seinem Haus gezerrt. Acht | |
| jüdische Männer werden kurz darauf ins Konzentrationslager Dachau | |
| verschleppt. | |
| Danach, die jüdischen Buttenhausener haben ihr Dorf noch nicht verlassen, | |
| beteiligen sich Bewohner am Raub jüdischen Eigentums. „Das waren | |
| Plünderungen in großem Stil“, berichtet Eberhard Zacher. Manche seien mit | |
| dem Leiterwagen gekommen. Und er spekuliert, dass sich wohl so manches | |
| Diebesgut bis heute in den Häusern christlicher Buttenhausenern befinden | |
| könnte. | |
| Im folgenden Jahr wird Buttenhausen von den Nazis zum Sammellager gemacht. | |
| Die württembergischen Juden sollen wie überall im Reich auf wenige Häuser | |
| und Orte konzentriert werden, um sie besser überwachen und drangsalieren zu | |
| können. Vor allem ältere Menschen müssen in die Häuser einziehen, deren | |
| Bewohner ins Ausland geflüchtet sind. Die Menschen sind gänzlich verarmt, | |
| die Gebäude überfüllt. Manche Juden gehen in den Freitod. | |
| Dank der Recherchen von Eberhard Zacher sind die Namen von 210 Menschen | |
| bekannt, die aus Buttenhausen deportiert worden sind. Der erste Transport | |
| verlässt am 1. Dezember 1941 die Stadt Stuttgart und geht nach Riga. Ihm | |
| sind 20 Jüdinnen und Juden aus Buttenhausen angeschlossen. Am 19. August | |
| 1942 startet ein letzter Transport vom Dorf in Richtung Stuttgart. Weiter | |
| geht es ins Ghetto Theresienstadt. Zu den Verschleppten gehört auch | |
| Naphtali Berlinger. | |
| Nicht ein Buttenhausener Jude hat die Deportation überlebt. Die Menschen | |
| werden in Auschwitz und Riga ermordet, sie sterben in Sobibor und Maly | |
| Trostinez bei Minsk, in Theresienstadt und im Ghetto von Izbica. Die | |
| Überlebenden, jene, die rechtzeitig ausgewandert sind, kehren nie mehr auf | |
| Dauer zurück. | |
| Es gibt kein jüdisches Leben mehr in Buttenhausen. Aber überall dies- und | |
| jenseits der Lauter sind heute Schilder angebracht, die auf die Menschen | |
| verweisen, die hier einmal gelebt haben, an der Synagoge, dem rituellen | |
| Bad, der Zigarrenfabrik, an fast jeder Straße. Stolpersteine werden | |
| verlegt. Rund eintausend Menschen besuchen in jedem Jahr das Museum. Die | |
| Erinnerung lebt, dank Eberhard Zacher. | |
| Gal Berlinger-Keller sagt: „Unsere Familie besteht noch, weil uns Menschen | |
| gerettet haben. Es erfüllt mich mit Stolz, wie viele Familienmitglieder | |
| überlebt haben. Es gibt heute 210 Urenkel, darunter meine zwei Söhne. Die | |
| Nazis haben es nicht geschafft. Wir sind da.“ | |
| Sie nennt es eine „heilige Arbeit“, die Zacher in Buttenhausen leistet. Es | |
| sei wichtig, die Geschichte der nächsten Generation nahezubringen. Aus | |
| Unwissenheit entstehe sonst Hass. | |
| Und Berlinger-Keller berichtet, wie sich ihr und das Leben ihrer Söhne | |
| heute in Deutschland durch den zunehmenden Antisemitismus verschlechtert | |
| hat: „Ich spüre, wie der Hass in Deutschland wieder aufkommt. Meine Jungs | |
| müssen Hetzkampagnen erleben. Je lauter die Stimme, desto leerer der | |
| Schädel, sagt man. Einen Davidstern zu tragen, traue nur ich mich. Mein | |
| großer Sohn fühlt sich dazu zu unsicher.“ | |
| 9 Nov 2021 | |
| ## AUTOREN | |
| Klaus Hillenbrand | |
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