| # taz.de -- Angela Merkel wird bei der COP gefeiert: Klimakanzlerin für die We… | |
| > Angela Merkel macht in Glasgow ihren Abschiedsbesuch bei einer | |
| > Weltklimakonferenz. Dort wird sie von vielen als eine Vorkämpferin | |
| > bewundert. | |
| Bild: Merkel auf Abschiedstour auf der COP, hier mit Boris Johnson und António… | |
| Eigentlich soll es hier schon lange losgehen. Aber bei der | |
| Eröffnungszeremonie im Plenum der Weltklimakonferenz COP26 in Glasgow | |
| wollen all die Regierungschefs erst noch ein bisschen schwätzen. Die | |
| Kanzlerin der viertgrößten Wirtschaftsnation sitzt allerdings bald brav auf | |
| ihrem Platz und wartet auf die KollegInnen. Angela Merkel unterscheidet | |
| sich an diesem Montagmittag nicht nur durch ihr gelbes Sakko unter all den | |
| grauen und blauen Anzügen. Sondern auch dadurch: Merkel hält sich gern an | |
| die Regeln. | |
| Das tun nicht alle. Und auch deshalb genießt Merkel auf den | |
| Klimakonferenzen große Wertschätzung. Fragt man sich durch die | |
| Klimagemeinde, wird schnell klar: Angela Merkel hat vielleicht zu Hause | |
| [1][ihren Ruf als Klimakanzlerin] ruiniert. International aber halten sie | |
| sehr viele für genau das: die seit Jahrzehnten wichtigste und ehrgeizigste | |
| Anwältin für Klimaschutz aus den Industrieländern. | |
| Nun ist Klimastar Merkel auf Abschiedsbesuch bei der COP. Kurz danach | |
| spricht sie im Saal nebenan. Das gleiche Bild: Es soll losgehen, die Halle | |
| ist fast leer. Merkel ist da und sitzt am Platz. In ihrer Rede erinnert sie | |
| an die „Ehre, als COP-Präsidentin 1995“ die Konferenz geleitet zu haben. | |
| Dann folgt eine dreiminütige Aufzählung der Erfolge und Niederlagen der | |
| letzten Jahre in der Klimapolitik. Merkel preist den Waldschutz, plädiert | |
| für einen [2][weltweiten CO2-Preis] und stößt ein Projekt an, Südafrika | |
| beim Kohleausstieg zu helfen. | |
| Dem UN-Prozess zum Klimaschutz ist Angela Merkel von Anfang an verbunden. | |
| 1995 leitete sie als deutsche Umweltministerin die erste COP in Berlin; | |
| 1997 verhandelte sie maßgeblich das Kyoto-Protokoll, wo zum ersten Mal die | |
| Industriestaaten Emissionsreduzierungen zusagten. Als Kanzlerin hielt sie | |
| sich aus der nationalen Klimapolitik immer wieder raus, ließ sich von der | |
| eigenen Fraktion bremsen und sah dem Streit zwischen ihren Umwelt- und | |
| WirtschaftsministerInnen zu. | |
| ## International immer Motor | |
| Aber international war Merkel immer wieder Motor, wenn es darum ging, mehr | |
| zu tun. 2007 setzte sie auf dem G8-Treffen in Heiligendamm gegen | |
| US-Präsident George W. Bush den Satz durch, dass die Staaten „die | |
| Halbierung der CO2-Emissionen bis 2050 in Betracht ziehen werden“. Wie | |
| rasant sich die Ziele in nur 15 Jahren angesichts der eskalierenden | |
| Klimakrise verändert haben, bilanzierte Merkel [3][selbst gegenüber der | |
| Süddeutschen Zeitung]: „Darüber war man damals froh. Heute wollen wir 2045 | |
| klimaneutral sein.“ | |
| Nach dem gescheiterten Gipfel von Kopenhagen begegnete Merkel 2010 der | |
| weltweiten Katerstimmung mit dem „Petersberger Klimadialog“, bei dem in | |
| informeller Runde jeweils im Frühsommer drei Dutzend Staaten informell die | |
| Chancen auf Kompromisse ausloten. Auch die Kanzlerin nutzte das Forum gern | |
| für Signale: Erhöhungen bei der deutschen Klimafinanzierung, einen Rüffel | |
| für das „Sorgenkind Verkehr“ oder den Weg zu Klimaneutralität. | |
| ## Viele Weichen gestellt | |
| Auf Merkel-Art hat die Kanzlerin viele dieser Weichen in endlosen zähen | |
| Hintergrundgesprächen gestellt. Beim G7-Treffen im bayerischen Elmau | |
| bugsierte sie mit ihrem Team [4][den Begriff „Dekarbonisierung“] in die | |
| Abschlusserklärung. Ein halbes Jahr später wurde er im Pariser | |
| Klimaabkommen verankert. Und zusammen mit ihrer Parteifreundin Ursula von | |
| der Leyen brachte sie 2019 die EU auf Kurs Klimaneutralität bis 2050. | |
| Kein anderer wichtiger Politiker hat über fast drei Jahrzehnte die globale | |
| Klimapolitik so verstanden, verfolgt und vorangetrieben wie die Physikerin | |
| Angela Merkel. Entsprechend groß ist ihre Anhängerschaft im UN-Klimazirkus. | |
| „Merkel war wirklich ein sehr wichtiger Pfeiler für den Erfolg“, sagt | |
| Patricia Espinosa, Generalsekretärin des UN-Klimaprogramms UNFCCC. „Der | |
| Petersberger Klimadialog war ein Moment, an dem mein Engagement im | |
| Klimaschutz begonnen hat.“ | |
| ## „Ehrlich und fair“ | |
| Merkel, sagt Espinosa heute, habe immer „politisches Kapital investiert“ | |
| und darüber hinaus auch finanzielles. Immerhin ist Deutschland einer der | |
| größten Unterstützer der Arbeit des UNFCCC, das sein Hauptquartier nicht | |
| zufällig in Bonn hat. „Sie hat versucht, den Weg vorzugehen, und ist | |
| wirklich eine der führenden Figuren weltweit“, sagt die UN-Klimachefin. | |
| „Deutschland genießt international großen Respekt, das ist vor allem auch | |
| Merkels Verdienst“, sagt James Fletcher, ehemals Energieminister des | |
| Karibikstaats St. Lucia, der das Pariser Abkommen für die Inselstaaten | |
| verhandelt hat. Fletcher, selbst Chemiker, schätzt an Merkel besonders, | |
| dass sie Naturwissenschaftlerin ist. „Sie ist ehrlich, fair, redet keinen | |
| Unsinn und zeigt Führung in der EU.“ „Die Welt bräuchte mehr | |
| Führungspersönlichkeiten wie sie.“ | |
| ## Umweltverbände nicht immer begeistert | |
| Auch Helen Mountford, Klimaexpertin des renommierten Thinktanks World | |
| Resources Institute in Washington, nennt Merkel eine „kraftvolle und | |
| standhafte Anwältin für internationalen Klimaschutz, selbst wenn andere | |
| Industrieländer Rückschritte machten“ – ein Seitenhieb auf die Politik | |
| republikanischer US-Regierungen. „Merkels Führung werden wir in der | |
| internationalen Klimapolitik schmerzlich vermissen.“ | |
| Viele Statements machen deutlich: Je schlechter die eigenen Regierungen | |
| abschneiden, desto heller scheinen Merkels Klimaverdienste. Die | |
| Umweltverbände waren von Merkels Deutschland [5][nicht immer begeistert]: | |
| Für seine Abhängigkeit von der Kohle kassierte Deutschland immer mal wieder | |
| das „Fossil des Tages“. Diesen Schmähpreis verleiht der internationale | |
| Klimadachverband Climate Action Network üblicherweise täglich auf | |
| Klimakonferenzen. | |
| ## Deutschland „kann nicht stehenbleiben“ | |
| Allerdings legt Li Shuo von Greenpeace China an eine deutsche Kanzlerin | |
| andere Maßstäbe an: „Deutschland hat unter den großen Volkswirtschaften die | |
| fortschrittlichste Position beim Klima.“ Aber Deutschland „kann da nicht | |
| stehen bleiben“, so Li Shuo, sondern müsse beim Ausstieg aus Kohle und | |
| Verbrennungsmotor vorangehen und die USA und China mitziehen. „Verglichen | |
| mit diesen höheren Standards hat Merkel nur kleine Schritte gemacht.“ | |
| Vielleicht könnte Angela Merkel die Politik der kleinen Klimaschritte ja | |
| weiterführen. Bald endet die Amtszeit der UN-Klimachefin Espinosa. Grund | |
| genug, dass im Sekretariat, so heißt es, bei internen Überlegungen Merkels | |
| Name fiel. | |
| 2 Nov 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] /EU-kann-Klimaschutz/!5706457 | |
| [2] /Fossile-Energie-und-Klimaschutz/!5766273 | |
| [3] https://projekte.sueddeutsche.de/artikel/politik/das-grosse-abschiedsinterv… | |
| [4] /Dekarbonisierung/!t5261089 | |
| [5] /Klimaaktivistin-trifft-Merkel/!5707345 | |
| ## AUTOREN | |
| Bernhard Pötter | |
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