# taz.de -- Weltklimakonferenz und William Shatner: Planet earth is blue | |
> Unsere Kolumnistin versucht, einen schönen Abend zu haben. Genervt von | |
> Pimmelprojekten stellt sie fest: There’s something I can do. | |
Bild: Kurz darauf standen wir wieder auf unserem verwüsteten Heimatplaneten, W… | |
Für manche ist ein Ausflug ins All ja inzwischen so normal wie für andere | |
der ins Allgäu. Erst neulich hat [1][William Shatner, besser bekannt als | |
Captain Kirk], die Seele auf Blue Origin baumeln lassen, dem | |
Raumfahrtunternehmen von Jeff Bezos. | |
[2][Floating in the most peculiar way] also, das wollten der beste Freund | |
von allen und ich neulich auch. Wir hatten schließlich einiges zu feiern: | |
Die Geburt unserer Tochter und meinen 40. Geburtstag. | |
Beides liegt zugegeben schon ein bisschen zurück, aber in unserem | |
Raum-Zeit-Kontinuum spielen irdische Kategorien wie Tage und Wochen keine | |
Rolle mehr. Dem Anlass angemessen reservierten wir für uns also im besten | |
Restaurant der Stadt und für das Kind den besten Babysitter. | |
Schon im Auto aber saßen wir wie zwei traurige Astronauten nebeneinander, | |
mit jedem Kilometer schien uns das Kind zu Hause um Lichtjahre zu | |
entschwinden. Wir blieben tapfer, ein Leben da draußen muss möglich sein. | |
Aber ach: the stars look very different today… | |
## „Wir gehören nicht mehr hierher“ | |
Als wir schließlich zwischen all den schicken, jungen und schönen Menschen | |
und den coolen Bässen saßen, guckte mein Freund mich traurig über sein Glas | |
hinweg an: „Wir gehören nicht mehr hierher.“ Ich hörte ihn kaum, hatte | |
schon die Nummer des Babysitters gewählt – nur um kurz zu checken, ob alles | |
o.k. sei. Doch alles was ich hörte, war ohrenbetäubendes Schreien. Kurz | |
darauf standen wir wieder auf unserem verwüsteten Heimatplaneten. | |
Dies ist kein Plädoyer fürs lahme Daheimbleiben, ich bin wirklich sehr fürs | |
Rausgehen. Ich [3][gönne William Shatner und allen anderen jede Reise ins | |
All] von ganzem Herzen – schon weil ich selbst mal Astronautin werden | |
wollte, (als ich wenig älter war als meine Tochter jetzt). Und klar, die | |
[4][Rettung des Klimas] scheitert eher nicht an ein paar Raumflügen, | |
sondern an unser aller Lotterleben auf der Erde. | |
Gleichzeitig nerven mich, desto älter ich werde, derartige Pimmelprojekte | |
mehr und mehr. Ganz gleich, ob sie rückwärtsgewandt und revisionistisch wie | |
der Wiederaufbau der Garnisonkirche in Potsdam – Sie erinnern sich: erbaut | |
vom Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I., ideologisch vollendet von Hitlers | |
Handschlag mit Hindenburg – ist oder vermeintlich progressiv wie die Suche | |
nach Lebensmöglichkeiten auf dem Mars sind. | |
Immer ragen phallusartige Objekte in die eine (Vergangenheit) oder andere | |
(Zukunft) Richtung. Gemein ist den Initiatoren beider Schulen, dass sie auf | |
das eigentliche Leben einen Dreck geben. | |
## Man muss selber machen, an den Unwilligen vorbei | |
Am Ende sind es aber eben doch die [5][Pimmelprojekte], die sich | |
durchsetzen – einfach weil jemand einfach macht, weil er oder sie genug | |
Geld und wenig genug Skrupel hat. Drum wird auch die jetzt beginnende 26. | |
(holy shit!) Weltklimakonferenz genau nix bringen. | |
Nett reden mit Machern ist Quatsch. Man muss einfach selber machen, und | |
zwar besser. In Allianzen an den Unwilligen vorbei, so gut es eben geht. | |
Genau das ist das Problem von vielen von uns Gutmeinern. Wir haben viele | |
Skrupel und wenig Geld. | |
Deshalb ist es auch irgendwie verständlich, dass zwar „niemand mehr in so | |
einer Kultur arbeiten möchte“, wie Ben Smith, NYT-Redakteur und der Mann, | |
der Julian Reichelt zu Fall brachte, sagt, aber auch keineR: „Nein, danke, | |
dann lieber arbeitslos“, sagt, wenn er oder sie merkt, man wird gerade | |
aufgrund seiner „Fuckability“ eingestellt. | |
Ist auch nicht schlimm, der Weg an den Machern vorbei – ob das ein | |
übergriffiger Chef ist, ein manipulativer Partner oder wirtschaftsliberale | |
Politiker, ist mühsam, riskant und beschwerlich. | |
## Auch emanzipieren muss man sich selbst | |
Und keine Frage, die Voraussetzungen sind übelst ungleich verteilt. Das ist | |
unfair. Aber emanzipieren muss man sich immer auch selbst, leider meist, | |
bevor es die anderen tun, und leider meist zuerst von den eigenen | |
Vorstellungen. | |
Der beste Freund von allen und ich etwa sind eben nicht die coolen Eltern, | |
als die wir uns selbst gern gesehen haben, und wahrscheinlich helfen wir | |
dem Kind auch nicht gerade bei seiner eigenen Emanzipation. Trotzdem war | |
sein tränenverquollenes Lachen, als wir noch vor der Vorspeise nach Hause | |
kamen, besser als jedes Dessert. | |
30 Oct 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Jeff-Bezos-und-Captain-Kirk-leisten-keinerlei-Beitrag-zur-Bewahrung-der-Er… | |
[2] https://www.youtube.com/watch?v=iYYRH4apXDo | |
[3] /Kinder-fragen-die-taz-antwortet/!5807178 | |
[4] /Folgen-der-Erderhitzung/!5773008 | |
[5] /Neues-vom-Hamburger-Pimmelgate/!5810338 | |
## AUTOREN | |
Ariane Lemme | |
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