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# taz.de -- Urteil zu Windkraft in Norwegen: Schützenswerte Rentierzucht
> Das Oberste Gericht in Norwegen erklärt zwei Windparks auf dem Gebiet der
> Samen für unzulässig. Das Urteil kann Folgen für andere Projekte haben.
Bild: Rentiere unterwegs im Windpark Storheia in Norwegen
Stockholm taz | Müssen 151 Windkraftanlagen, deren Errichtung mehr als 1,1
Milliarden Euro gekostet hat, abgerissen werden, weil sie die Rentierzucht
der indigenen Samen beeinträchtigen? Das ist jedenfalls die wahrscheinliche
Konsequenz eines Urteils, das Norwegens Oberster Gerichtshof am Montag
verkündete.
Es geht um Storheia und Roan in der mittelnorwegischen Region Trøndelag,
die mit einer installierten Leistung von zusammen 543 Megawatt seit 2019 in
Betrieb sind. Gegen die staatliche Genehmigung von 2010 hatten zwei
Gemeinschaften rentierzüchtender Samen geklagt, deren Tiere ihre
Weidegründe in den Gebieten haben, in denen die Windkraftanlagen samt
Infrastruktur gebaut wurden.
Dass der Bau und der Betrieb dieser Anlagen einen massiven Eingriff in die
Rentierzucht und damit die Lebensgrundlage und Kultur der Samen darstellt,
gestand seinerzeit auch die Genehmigung zu. Aber sie ging davon aus, dass
der Bau vertretbar sei, wenn den Samen für Mehrarbeit und Mindereinnahmen
von den Windkraftbetreibern angemessener Schadenersatz gezahlt würde.
Nachdem es in zwei gerichtlichen Vorinstanzen primär um die Höhe des
Schadenersatzes ging, stellte der Oberste Gerichtshof nun [1][in seinem
einstimmig ergangenen Urteil klar], dass die Anlagen nie hätten genehmigt
werden dürfen.
## Wirksames rechtliches Instrument gegen neue Eingriffe
Ihre Einwirkung auf die Kultur der Samen verletze deren Menschenrechte. Es
liege ein Verstoß gegen den auch „UN-Zivilpakt“ genannten
[2][„Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte“] vor.
Dessen Artikel 27 verbrieft einen umfassenden Schutz der Kultur ethnischer,
sprachlicher und religiöser Minderheiten.
Der Gerichtshof setzte sich auch mit der Frage auseinander, ob die
Energiewende ausnahmsweise einen solchen Eingriff rechtfertigen könnte,
verneint das aber: Windkraftanlagen könnten da gebaut werden, wo sie die
Rechte indigener Völker nicht verletzten.
Die direkten Konsequenzen des „historischen Urteils“, wie es Adele Matheson
Mestad, die Direktorin der Menschenrechtsorganisation NIM nennt, sind noch
unklar. „Natürlich müssen die Anlagen jetzt wieder weg“, sagt Eirik
Brønner, ein Anwalt der Samen.
Die Regierung in Oslo und der Windkraftbetreiber „Fosen Vind“ wollten sich
noch nicht äußern. Eins steht aber fest: Mit dem jetzigen Grundsatzurteil
erhalten die Samen, deren Kultur und Lebensgrundlage in den letzten
Jahrzehnten durch Industrieprojekte immer mehr zurückgedrängt worden war,
ein wirksames rechtliches Instrument gegen neue Eingriffe.
12 Oct 2021
## LINKS
[1] https://www.domstol.no/en/enkelt-domstol/supremecourt/rulings/2021/supreme-…
[2] https://www.ohchr.org/EN/ProfessionalInterest/Pages/CCPR.aspx
## AUTOREN
Reinhard Wolff
## TAGS
Indigene Kultur
Schwerpunkt Klimawandel
Norwegen
Windkraft
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