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# taz.de -- Die Wahrheit: Voll cringy!
> In den vergangen Tagen wurde allerorten massiv über Erwachsene gespottet,
> die Jugendwörter benutzen. Jetzt drehen wir den Spieß mal um.
Bild: Dann smash ihn doch! So sagt man das vielleicht
Um mal zum Gegenangriff überzugehen: Ich finde es hochgradig peinlich, dass
Jugendliche ständig Erwachsenenwörter verwenden! Wenn sie Sachen sagen wie
„Herzlichen Dank“, „Wunderschönen guten Tag“ und „Darf ich vielleich…
ein Stück Kuchen?“, als ob sie komplett bei Verstand oder im
geschäftsfähigen Alter wären und frisch einen Benimmkurs bei Freiherr von
Knigges betulicher Tante höchstpersönlich absolviert hätten.
Wenn sie ohne Bedenken hochkomplizierte Formeln wie „Widerspruch zwischen
Ökologie und Ökonomie“, „westliche Wertegemeinschaft“ und
„Einskommafünf-Grad-Ziel“ verwenden, und das nicht etwa gelangweilt und
abgezockt wie ein pensionierter Politiker, sondern in einem ausgesucht
höflichen, rücksichtsvoll mahnenden Tonfall, da sie zu ahnen scheinen, dass
uns Alten das reingeht wie flüssige Butter. Und dass wir ihnen um so
aufmerksamer zuhören und Glauben schenken und uns manipulieren lassen, je
einfühlsamer wiederum sie unsere sprachlichen Marotten imitieren und
adaptieren.
In den vergangen Tagen wurde allerorten massiv über Erwachsene gespottet,
die Jugendwörter benutzen. Dass als Jugendwort des Jahres „cringe“ erwählt
wurde, also der englische Ausdruck für das Gefühl von Fremdscham und
Peinlichkeit, das sich zum Beispiel bei Jugendlichen einstellt, wenn der
verknöcherte Dorfpfarrer seine Rede mit veralteten Modeausdrücken wie
„groovy“ oder „affentittengeil“ würzt, um sich bei der jüngeren Gener…
beliebt zu machen, das zielte ja gerade darauf ab, eine solche Art von
versuchter Verständigung auf sprachlicher Ebene andersherum lächerlich zu
machen.
Sie also regelrecht zu verunmöglichen, wenn sie sich von uns Greisen an die
Minderjährigen richtet. Der aus allen möglichen Sprachen und Einflüssen
zusammengeklaubte Jargon, mittels dessen sich die Jugend intern
verständige, sei derart modisch und aktuell an das jugendliche
Zeitempfinden gebunden und ohnehin bewusst exklusiv und abweisend, dass die
stumpfen Erwachsenen seine Regeln gar nicht durchschauen könnten und auch
nicht wüssten, wann dieses Vokabular wieder das Zeitliche segnen würde.
Aber was macht das denn andererseits auf uns gereifte Damen und
graumelierte Herren für einen Eindruck, wenn uns die eigentlich für ihren
Leichtsinn und ihre flatterhaften Manieren gerühmte U-18-Generation uns
unsere ureigene Sprache entwindet und ebenfalls in bedächtigem Tempo
diplomatisch kalkulierte Phrasen mit Renommiercharakter von sich gibt? Die
Jugend sollte es wissen: einen katastrophalen!
Wir schämen uns dann für die milchgesichtigen jungen Leute! Wir winden uns
vor Peinlichkeit, wenn aus putzigen, faltenlosen, grenzenlos naiv
daheräugenden Gesichtern plötzlich reife, vor Lebenserfahrung pralle Sätze
im typischen Erwachsenenvokabular fallen wie: „Bitte eine Flasche
Jägermeister und ein Päckchen Samson-Tabak.“
28 Oct 2021
## AUTOREN
Mark-Stefan Tietze
## TAGS
Kolumne Die Wahrheit
Jugendsprache
Höflichkeit
cringe
Jugendwort des Jahres
Trend
Schwerpunkt Angela Merkel
Lineares Fernsehen
Die Wahrheit
Kanzlerkandidatur
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