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# taz.de -- Europäische Unterhaltungsbranche: Corona pusht Diversity
> BBC und Netflix haben angekündigt, Menschen mit Behinderung stärker
> abzubilden. Auch andere Medien setzen auf mehr Diversität.
Bild: Riz Ahmed als Ruben im Filmdrama „Sound of Metal“
Inzwischen haben sich pflichtschuldigst alle Medienunternehmen das Label
„Diversity“ verpasst. Es sei zwar ein „schrecklich“ einfacher Begriff,
formuliert es Sarah Muller von der BBC, aber eben einer der wichtigsten.
Doch steckt immer drin, was draufsteht? Gut, es gibt den libanesischen
Chefarzt „Dr. Ballouz“ in der Uckermark, den Protagonisten mit Down-Syndrom
in der kanadischen Serie „White Night“ und einige mehr. Aber vermutlich
geht es noch besser. Der Bedarf ist jedenfalls groß. Das diagnostiziert
Lucy Smith: „Inklusive Inhalte wurden in der Coronazeit deutlich mehr
produziert und nachgefragt.“ Als Chefin der weltgrößten Fernsehmesse Mipcom
hat sie den globalen Überblick.
Während des alljährlichen Programmmarkts in Cannes, der gerade zu Ende
gegangen ist, gab es mehr Angebote für das Genre als zuvor. Und
Auszeichnungen: Der [1][International Kids Emmy Award ging an die
australische Produktion „First Day“]. Die Geschichte um ein
Highschool-trans-Mädchen wurde anlässlich der Messe in Südfrankreich als
beste Miniserie ausgezeichnet.
Und auch die vierten Mipcom Diversify TV Excellence Awards gaben einen
Querschnitt über das, was in der Fernsehwelt aktuell passiert – angefangen
bei einer Doku über Gehörlose in Zeiten des Lockdowns bis hin zur Komödie
„Dreaming Whilst Black“.
Bereits kurz zuvor hatte das Radio-Programm „Toggo“ von Super RTL für seine
Anti-Rassismus-Woche „Zusammen sind wir bunt“ den deutschen Radiopreis 2021
erhalten. Die kürzlich gesendete Reihe über [2][mentale Gesundheit von
Kindern] habe, so Senderchef Thorsten Braun in Cannes, ebenfalls eine
„Riesenresonanz“ gehabt: „Es ist ganz klar, dass wir solche Inhalte, auch
wenn wir ein kommerzieller Sender sind, viel stärker in unser
Fernsehprogramm bringen werden. Gesellschaftliche Verantwortung wollen und
müssen wir noch deutlicher wahrnehmen.“
Woran es liegt, dass das Thema noch einmal Fahrt aufgenommen hat, ist nicht
eindeutig zu klären. Anlässlich der Mipcom haben noch einmal fast alle
Programmverantwortliche Großbritanniens klar gemacht, dass bei ihnen
Inklusion und Diversity ganz oben auf der Agenda stehen.
## Betroffene sollten selbst zu Wort kommen
Gezeigt hat das schon im September die Ankündigung von BBC und Netflix „in
einer bahnbrechenden Partnerschaft“. Sie wollen neue Dramen mit behinderten
Kreativen vor und hinter der Kamera entwickeln und finanzieren. Gehörlose,
behinderte und neurodivergente Schöpfer*innen seien einige der am
wenigsten vertretenen Gruppen im Fernsehen in Großbritannien.
Dass der angloamerikanische Markt in diesem Bereich schon länger innovativ
vorangeht, belegt auch die Vox-Reihe „Besonders verliebt“, die diese Woche
gestartet und eine Adaption der neun Jahre alten britischen
Reality-TV-Serie [3][„The Undateables“] ist.
Die Datingshow begleitet Singles, die es nicht einfach haben, das richtige
Date zu finden: Sie alle haben eine Behinderung. Im Zuge des Formats zeigen
die Protagonist*innen „ihre Welt und teilen mit uns ihre Erfahrungen,
wie es ist, mit einer körperlichen oder geistigen Beeinträchtigung zu
lieben und zu leben“, artikuliert es Vox-Chefredakteur und
Unterhaltungschef Marcel Amruschkewitz.
Für ihn ist klar, dass der offensichtliche gesellschaftliche Wandel und die
wachsende Bedeutung des Themas mit entsprechenden Programmen unterstützt
werden muss. Dass das zu einer schmalen Gratwanderung zwischen Anspruch,
Trash und Klischee werden kann, zeigt die Diskussion um das britische
Original. Denn es hagelte Kritik: Als „anstößig“ und „ausbeutend“ sch…
etwa Ärzt*innen die Sendung ein.
Eine Akteurin fand diese Sicht beleidigend, da ihr das Urteilsvermögen
abgesprochen wurde, selbst zu entscheiden, was gut für sie ist: „Nur weil
ich entstellt bin, bin ich nicht dumm.“ Genau das ist wohl der Punkt: Über
Betroffene sollte in den Medien weniger gesprochen werden, sie sollten
selbst mehr zu Wort kommen. Das geht am besten übers Storytelling, wie Riz
Ahmed anlässlich der Diversify Excellence Awards in seiner Dankesrede
betonte: „Es ist das wichtigste Mittel, um uns miteinander zu verbinden.“
19 Oct 2021
## LINKS
[1] https://www.hollywoodreporter.com/tv/tv-news/international-emmys-kids-winne…
[2] /Forscherin-ueber-Epigenetik/!5744430
[3] /Diskriminierung-im-britischen-TV/!5096018
## AUTOREN
Wilfried Urbe
## TAGS
Diversity
Filmbranche
Streaming
Gehörlose
Kolumne Unisex
Netflix
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