# taz.de -- Frauenbildung in Afghanistan bedroht: Islam first | |
> Der neue Rektor der Universität Kabul schließt Frauen von Lehre und | |
> Bildung solange aus, bis dort ein „islamisches Umfeld“ geschaffen wurde. | |
Bild: Vor dem Auditorium an der Universität Kabul am 11. September | |
Berlin taz | „Ich gebe Ihnen mein Wort als Rektor der Kabul Universtität: | |
Solage dort keine wirkliches islamisches Umfeld für alle geschaffen wurde, | |
wird Frauen nicht erlaubt sein, an die Universität zu kommen oder dort zu | |
arbeiten. Islam zuerst.“ | |
Mit diesem [1][Tweet] erklärte Mohammad Ashra Ghairat, der vergangene Woche | |
von den Taliban zum Rektor der wichtigsten Universität Afghanistans ernannt | |
worden war, dort ein Bildungs- und Lehrverbot für Frauen. | |
Schon gegen die Ernennung des 34-Jährigen hatte es heftige Proteste | |
gegeben. Mehr als 70 Lehrkräfte legten aus Protest ihre Posten nieder. Sie | |
äußerten nicht nur Zweifel an seiner akademischen Kompetenz – er hat nur | |
einen Bachelor-Abschluss in Journalismus – sondern warfen ihm unter | |
Berufung auf frühere Tweets von ihm vor, zur [2][Ermordung von | |
Journalisten] aufgerufen oder sich mit tödlichen Anschlägen mit Haftminen | |
auf Taliban-Gegner gebrüstet zu haben. | |
Auszuschließen ist allerdings auch nicht, dass womöglich Fake-Profile in | |
Ghairats Namen angelegt wurden. Zumindest hat er mehrere Profile und | |
[3][eines] davon trägt explizit den Titel Satireaccount. In dem von der | |
[4][New York Times] zitierten Account, der hauptsächlich englischsprachige | |
Tweets enthält, fällt die verbale Anlehnung an den früheren US-Präsidenten | |
Donald Trump auf („Make Kabul University Great Again“, „Islam First“). | |
## Unirektor spricht von „Missverständnis“ | |
Das Blatt hatte am Montag Ghairats mutmaßlichen Verbotstweet in einem | |
Artikel aufgegriffen. Denn ein Univerbot für Frauen hatten schon viele | |
befürchtet, schließlich hatten die Taliban in ihrer ersten Regierungszeit | |
1996 bis 2001 Mädchen und Frauen sogar von jeglicher Bildung | |
ausgeschlossen. Das jetzige Verbot würde die schlimmsten Befürchtungen | |
bestätigen. | |
Dabei hatten die Taliban nach ihrer Machtübernahme im August den Frauen | |
weiten Zugang zu Bildung [5][versprochen], allerdings nur im Rahmen des | |
islamischen Rechts, der Sharia, und auf Basis der Empfehlungen islamischer | |
Geistlicher. Details blieben unklar und damit alles durch entsprechende | |
Geistliche jederzeit neu interpretierbar. | |
Am Dienstag relativierte Ghairat sein Verbot etwas in einem neuen | |
[6][Tweet] und warf der New York Times vor, ihn missverstanden zu haben: | |
„Ich habe nicht gesagt, dass wir Frauen nie erlauben werden, zur | |
Universität zu gehen oder dort zu arbeiten, ich meinte, dass solange wir | |
ein islamisches Umfeld schaffen, müssen Frauen zu Hause bleiben. Wir | |
arbeiten hart, um bald ein sicheres islamisches Umfeld zu schaffen.“ | |
Momentan sind Afghanistans staatliche Universitäten ohnehin noch | |
geschlossen und unklar, welche Fakultäten überhaupt wieder geöffnet werden, | |
denn viele Hochschullehrer sind geflohen. | |
## Undurchsichtige Talibanpolitik | |
Ghairats Argumentation ähnelt dem Umgang der Taliban mit der höheren | |
Schulbildung für Kinder. Während für Jungen inzwischen wieder die Schulen | |
für die 7. bis 12. Klassenstufe geöffnet wurden, sind Mädchen davon | |
ausgeschlossen, was angeblich nur vorübergehend der Fall sein soll. Doch | |
wurde auch den Mädchen kein Datum genannt und ihnen damit gezeigt, dass den | |
Taliban ihre eigene Auslegung des Islam wichtiger ist als das Recht auf | |
Bildung für Mädchen. | |
Die New York Times befragte Talibansprecher Sabihullah Mudschahid nach dem | |
Univerbot für Frauen, schließlich hatte er ihnen im August die Fortsetzung | |
ihrer Bildung versprochen. „Es könnte seine persönliche Meinung sein,“ | |
sagte Mudschahid dem Blatt. Ein wirkliches Dementi oder gar eine | |
Verteidigung des Rechts auf universitäre Bildung und Lehre für Frauen ging | |
Mudschahid jedoch nicht über die Lippen. | |
Ähnliche gelagerte Fälle meldete die afghanische Nachrichtenwebseite | |
[7][Tolo News] am Dienstag aus den Provinzen Helmand, Kapisa und Takhar. | |
Dort hatten lokale Taliban den Männern das Rasieren und den Frauen die | |
Nutzung von Smartphones verboten. Ein Sprecher des von den Taliban neu | |
geschaffenen Minsteriums für Tugend und Laster, das im früheren Gebäude des | |
aufgelösten Frauenministeriums untergebracht ist, erklärte, die Anordnungen | |
seien keine offizielle Politik seines Ministeriums. | |
Offenbar ringen innerhalb der Taliban unterschiedliche Kräfte um die | |
„richtige“ Interpretation des Islam. Frauen haben dabei nicht nur kein Wort | |
mitzureden, sondern zählen zu den größten Opfern. | |
28 Sep 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://twitter.com/MAshrafGhairat/status/1442385192824487937 | |
[2] /Journalistinnen-in-Afghanistan/!5797482 | |
[3] https://twitter.com/ghairat_ashraf1 | |
[4] https://www.nytimes.com/2021/09/27/world/asia/taliban-women-kabul-universit… | |
[5] /Afghanistan-nach-dem-Machtwechsel/!5794472 | |
[6] https://twitter.com/MAshrafGhairat/status/1442791707532222473 | |
[7] https://tolonews.com/afghanistan-174819 | |
## AUTOREN | |
Sven Hansen | |
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