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# taz.de -- Ende der kostenlosen Coronatests: Teure Zeiten für Ungeimpfte
> Die Bundesregierung bezahlt die meisten Schnelltests nicht mehr und
> hofft, so mehr Bürger zur Impfung zu motivieren. Doch es gibt Bedenken.
Bild: Die Impfquote steigt wieder leicht an. Grund dürfte der kostenpflichtige…
Berlin taz | Wo bis vor Kurzem gähnende Leere herrschte, ist an diesem
Montag reger Andrang. Das zumindest berichtet ein Mitarbeiter des
Impfzentrums Messe Berlin am Telefon. Seit den frühen Morgenstunden fülle
sich das Impfzentrum wieder mit Menschen. Auch auf der Internetseite wird
am Morgen von einem Spontanbesuch abgeraten; die Wartezeiten seien zu lang.
Der Mitarbeiter erklärt den ungewohnten Ansturm zum einen mit der
anstehenden dritten Boosterimpfung für Ältere. Aber auch damit, „dass die
meisten ihre Coronatests ab heute selbst bezahlen müssen“.
In Sachen [1][Corona] kommen auf die Bürger aktuell einige Veränderungen
zu: Mit Beginn dieser Woche setzt der Staat die kostenlose Bürgertestung
aus. Wer weder geimpft noch genesen ist, aber dennoch ins Kino oder
Restaurant gehen will, muss den Coronaschnelltest ab sofort selbst zahlen.
Ab dem 1. November werden zudem einige Bundesländer die Lohnfortzahlungen
für Ungeimpfte in Coronaquarantäne beenden. Ausnahmen gibt es dann nur noch
für Personen, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können
oder für die noch kein Impfstoff zur Verfügung steht. Letzteres betrifft
Kinder unter 12 Jahren. Kostenlos bleiben zudem die sogenannten PCR-Tests
im Labor, wenn sie von Ärzten oder vom Gesundheitsamt veranlasst werden.
Die neuen Regeln sollen der Impfquote einen ordentlichen Schub geben. Das
erhofft sich zumindest die Bundesregierung. Wobei hinter der Abschaffung
der kostenlosen Schnelltests noch ein anderer Gedanke steckt. Nämlich:
Warum soll die Allgemeinheit diese für Leute zahlen, die sich nicht
kostenlos impfen lassen wollen?
## Gefahr für die sozial Schwächeren?
Diesen Fairnessgedanken hält Andreas Bobrowski, Verbandsvorsitzender vom
Berufsverband Deutscher Laborärzte, für eine klare Fehleinschätzung. „Nicht
nur, dass die kostenpflichtigen Coronaschnelltests die epidemiologische
Lage deutlich verschlechtern werden“, sagt Bobrowski im Gespräch mit der
taz. „Sie sind auch [2][aus sozialen Gesichtspunkten] unfair.“
Das Argument, dass sich durch kostenpflichtige Tests mehr Menschen zu einer
Impfung bewegen lassen, ist für Bobrowski nicht viel mehr als eine
populistische Idee. Zwar könne es kurzfristig zu einem kleinen Anstieg der
Impfquote kommen. Aber: „Wer sich jetzt noch nicht hat impfen lassen, macht
das aus ideologischen Gründen“, betont der Verbandsvorsitzende. Solche
Leute ließen sich auch nicht durch kostenpflichtige Tests überzeugen. „Sie
sparen sich eher die Tests“, erwartet Bobrowski.
Damit dürften die Inzidenzen zwar zunächst einmal sinken; allerdings nicht,
weil sich mehr Menschen impfen lassen, sondern weil weniger Menschen sich
testen lassen. Der große erhoffte Impferfolg bliebe aus. Mehr noch: Was
kurzfristig als Erfolg anmutet – wenn man den Andrang in dem Berliner
Impfzentren als solchen wertet – könnte langfristig teurer werden.
Zumal in Deutschland niemand so ganz genau weiß, wie viele Menschen
tatsächlich geimpft sind. Das Robert Koch-Institut (RKI), welches die
aktuellen Zahlen regelmäßig veröffentlicht, hatte die Impfquote am
vergangenen Donnerstag zum wiederholten Mal nach oben korrigiert.
Offenbar waren schon Mitte August 87,5 Prozent der Erwachsenen mindestens
einmal geimpft. Vorher hieß es, dass etwa 75 Prozent der Deutschen
vollständig und 80 Prozent einfach geimpft seien. Trotz der Korrektur
bleibt Deutschland in Sachen Impfquote noch deutlich hinter anderen
europäischen Ländern zurück: In Dänemark sind etwa 95 Prozent erstgeimpft,
in Portugal sogar 98 Prozent.
Ein Impfzwang durch die Hintertür sei in jedem Fall der falsche Weg, sagt
Bobrowski. Vor allem, solange er zulasten der sozial Schwächeren gehen
könnte.
Bislang ist eine Deckelung der Kosten für Tests, wie sie etwa der
Sozialverband VdK fordert, nicht vorgesehen. VdK-Präsidentin Verena Bentele
sagte dazu gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: „Wir befürchten,
dass es wieder zu völlig überteuerten Angeboten kommt.“ Zwischen 15 und 40
Euro könnte ein Test nach Recherchen des MDR bald kosten. Die Preise
bestimmen künftig der Markt beziehungsweise die Testzentren. Konkret
bedeutet das: Menschen mit wenig Geld zahlen die gleiche Eigenbeteiligung
wie Reiche.
11 Oct 2021
## LINKS
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## AUTOREN
Marilena Piesker
## TAGS
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Kolumne Bei aller Liebe
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