# taz.de -- Luftmessdaten statt Straßenfotos: Google schnüffelt jetzt | |
> Ein Street-View-Auto misst jetzt Luftschadstoffe in der Hamburger | |
> Innenstadt. Das könnte nützlich sein, denn die Luft in der Stadt ist zu | |
> schlecht. | |
Bild: Keine Gasmaske aus dem Ersten Weltkrieg, sondern Google Street View mit L… | |
Das Ding sieht aus wie eine Gasmaske am Stiel. Es ist auf dem Dach eines | |
weißen Elektro-Autos montiert und stellt eine Erweiterung von Googles | |
[1][Street-View]-Projekt dar: Statt die Straßen nur zu filmen, sodass sie | |
sich jeder später im Internet ansehen kann, misst das Gerät jetzt auch | |
Luftschadstoffe. „Die Ergebnisse sollen helfen, Entscheidungen für die | |
Stadt zu treffen“, sagte die Leiterin des Hamburger [2][Google]-Standorts, | |
Marianne Stroehmann. Als Beispiel nannte sie die Suche nach Standorten für | |
neue Schulen oder Spielplätze. | |
Aufgrund gesetzlicher Vorgaben misst der Senat heute schon elf verschiedene | |
Schadstoffe an zwölf festen Messstationen. Die hier ermittelten Werte sind | |
maßgeblich für den [3][Luftreinhalteplan] des Senats, der [4][vom | |
Bundesverwaltungsgericht im Mai für ungenügend befunden] wurde: Er | |
gewährleiste nicht, dass der geltende Grenzwert für Stickstoffdioxid | |
eingehalten wird. Geklagt hatte der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). | |
Statt an zwölf Punkten im Stadtgebiet misst das Projekt Air View Hamburg | |
die Luftbelastung in ganzen Straßenzügen der Innenstadt. Die Daten werden | |
im City Science Lab der Hafencity-Universität (HCU) mit anderen Daten zur | |
Stadtentwicklung zusammengeführt und im U[5][rban Data Hub] der | |
Stadtentwicklungsbehörde veröffentlicht. Damit könne die HCU „an neuen | |
Mobilitätskonzepten oder gesunden Quartieren forschen“, sagt die | |
HCU-Professorin Gesa Ziemer. Die Hochschule ist Googles Kooperationspartner | |
bei dem Hamburger Projekt. | |
Hamburg ist die erste deutsche Stadt, in der Google die Luftqualität misst. | |
[6][Begonnen hat das Projekt in London und Kopenhagen]. Die Ergebnisse | |
werden auch in Googles [7][Environmental Insights Explorer] eingespeist, in | |
dem man nachschauen kann, wie viele Dächer in der eigenen Stadt von | |
Solarpaneelen bedeckt sind oder wie grün sie ist. | |
Das Projekt soll in Hamburg zunächst ein Jahr laufen. Danach wird auf einem | |
Stadtplan abrufbar sein, in welchen Straßenzügen die Belastung mit | |
Stickstoffdioxid, Stickoxid, Kohlenmonoxid, Feinstaub (PM 2,5) und Ozon wie | |
hoch ist. | |
## Der Senat rechnet die Luftbelastung schön | |
Wie stark die Menschheit unter verschmutzter Luft leidet, hat vergangene | |
Woche die [8][Weltgesundheitsorganisation WHO deutlich gemacht]. Seit ihrem | |
letzten Bericht zur Luftverschmutzung 2005 habe es „einen deutlichen | |
Anstieg in der Qualität und Quantität der Hinweise darauf gegeben, wie | |
Luftverschmutzung die Gesundheit beeinträchtigt“. | |
Aus diesem Grund verschärfte die WHO ihre Empfehlungen für die Grenzwerte | |
von Schadstoffen wie Feinstaub, Stickstoffdioxid, Kohlenmonoxid und Ozon. | |
Die Europäische Umweltagentur rechnet mit 63.000 [9][vorzeitigen | |
Todesfällen] in Deutschland durch Feinstaub (PM 2,5) und 9.000 durch | |
Stickstoffdioxid. | |
Aus Sicht des BUND sind solche Zahlen und Empfehlungen eine Ohrfeige für | |
den Senat, der versuche, die Luftbelastung in Hamburg schönzurechnen, | |
schönzumessen und schönzureden. „Wenn die WHO im Sinne des | |
Gesundheitsschutzes fordert, dass der Grenzwert von 40 Mikrogramm pro | |
Kubikmeter Stickstoffdioxid in der Luft auf zehn Mikrogramm abgesenkt | |
werden muss, wirkt es absurd, wenn die Umweltbehörde um zwei bis drei | |
Mikrogramm feilscht“, kritisiert Christiane Blömeke, Vorsitzende des BUND | |
Hamburg. | |
Ob und wie die Umweltbehörde vor diesem Hintergrund von den Air-View-Daten | |
Gebrauch machen will, ist offen. „Wir sind sehr gespannt, ob sich die | |
Sensorboxen von Project Air View Hamburg bewähren und mittel- oder | |
langfristig zu einer zusätzlichen Informationsquelle in Sachen Luftqualität | |
werden“, sagt Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne). Bisher gebe es aber zu | |
den Daten aus dem Luftmessnetz, die gemäß dem Bundesimmissionsschutzgesetz | |
gemessen würden, keine Alternative. Sie seien auch die Basis für die | |
Fortschreibung des Luftreinhalteplans an der intensiv gearbeitet werde, | |
sagt seine Sprecherin. | |
30 Sep 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Hamburgs-oberster-Datenschuetzer-hoert-auf/!5777372 | |
[2] /25-Jahre-Le-Monde-diplomatique/!5677785 | |
[3] https://www.hamburg.de/luftreinhaltung/9036116/luftreinhalteplan/ | |
[4] /Stickoxid-Werte-in-Staedten/!5775551 | |
[5] https://www.hamburg.de/bsw/urban-data-hub/ | |
[6] https://www.google.com/earth/outreach/special-projects/air-quality/ | |
[7] https://insights.sustainability.google/ | |
[8] https://www.who.int/news-room/q-a-detail/who-global-air-quality-guidelines | |
[9] https://www.eea.europa.eu/themes/air/country-fact-sheets/2020-country-fact-… | |
## AUTOREN | |
Gernot Knödler | |
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