# taz.de -- Chaotischer Wahltag in Berlin: Der Wähler ist zu langsam | |
> Laut Landeswahlleitung war die Abstimmung gut vorbereitet – trotz | |
> Schlangen und fehlender Stimmzettel. Viele hätten schlicht zu lange | |
> gebraucht. | |
Bild: Eine Schlange für sechs Kreuze: Lange Wartezeiten vorm Wahllokal in Pren… | |
BERLIN taz | Der Satz der Landeswahlleiterin Petra Michaelis sorgt dann | |
doch für Erstaunen auf der Pressekonferenz am Montag nach dem Wahltag: „Ich | |
denke, dass sich die Wartezeiten durchaus im Rahmen des Üblichen bewegten.“ | |
Auf Nachfrage rudert sie zurück: Bisher sei es bei Wahlen schon üblich | |
gewesen, dass Menschen bis um 18 Uhr das Innere der Wahlkabinen erreicht | |
hätten. | |
Dem war am Super-Wahlsonntag in Berlin nicht so. Zumindest nicht überall: | |
ReporterInnen berichteten von [1][chaotischen Zuständen vor den | |
Wahllokalen], von teilweise mehrstündigen Wartezeiten und fehlenden oder | |
falschen Stimmzetteln. In der taz-Redaktion meldeten sich im Laufe des | |
Nachmittags immer wieder Menschen, die Ähnliches berichteten. Wann genau | |
die letzte WählerIn am Sonntag ihre Stimme abgeben konnte, blieb unklar am | |
Montag. | |
Michaelis betonte aber, dass das Bundeswahlrecht „in Kauf nehme“, dass | |
Menschen auch dann noch ihre Stimme abgeben können, wenn bereits [2][die | |
ersten Prognosen und Hochrechnungen] laufen. Das sei keine Rechtsgrundlage, | |
auf der man eine Wahl anfechten könne. Es gelte die Regelung: „Wer sich bis | |
18 Uhr in die Schlange vor ein Wahllokal einreiht, darf wählen.“ So war es | |
am Sonntag auch in Berlin gehandhabt worden. | |
Die Landeswahlleitung mochte am Montag jedenfalls kein selbstverschuldetes | |
Organisationschaos erkennen. Man sei „gut vorbereitet“ und mit einem „gut… | |
Gefühl“ in den Wahltag gegangen. Angesichts der „vielen großen | |
Herausforderungen“, die absehbar gewesen seien – die Vielzahl der | |
Abstimmungen, der am Wahltag stattfindende Marathon, die Hygieneauflagen | |
wegen der Pandemie – hätten die Bezirke zum einen die Zahl der Wahllokale | |
deutlich erhöht. Auch seien mehr HelferInnen im Einsatz gewesen: 34.000 | |
statt der sonst üblichen rund 21.000, sagte Michaelis. | |
## Suche nach WahlhelferInnen | |
Allerdings vermochte sie nicht zu sagen, wie viele der WahlhelferInnen in | |
letzter Minute noch abgesprungen waren. Der Bezirk Pankow hatte am | |
Samstagabend über den RBB noch den Aufruf gestartet, sich doch bitte | |
spontan als WahlhelferIn zur Verfügung zu stellen, weil sich etliche | |
Freiwillige abgemeldet hätten. | |
Freia Königer, Wahlhelferin in einem Briefwahllokal in Lichtenrade, | |
berichtete der taz von mangelnder Personalreserve und schlecht | |
eingearbeiteten Zähl-Teams. „Für viele war es der erste Einsatz – wir | |
hatten lediglich eine Online-Schulung bekommen und mussten quasi jeden | |
Prüffall nachlesen.“ Sie selbst sei nachts um halb eins nach Hause | |
gegangen. Einer Wahlhelferin sei von der Wahlleitung ein Bußgeld angedroht | |
worden, als sie um kurz nach 23 Uhr ihren Posten verlassen wollte, um noch | |
einen Zug zu bekommen. „Man hat uns gesagt, dass es einfach keine Reserve | |
gäbe, viele hatten sich wohl abgemeldet.“ | |
Belastbare Zahlen und Gründe für die Missstände werde nun eine | |
„Bestandsanalyse“ in den kommenden Tagen gemeinsam mit den | |
Bezirkswahlleitungen ergeben. Vorher, sagte Michaelis und konterte damit | |
Fragen nach einem möglichen Rücktritt ihrerseits, sehe sie auch keinen | |
Grund, persönliche Konsequenzen nach dem Wahlsonntag zu ziehen. | |
Unklar blieb am Montag auch, warum in einigen Wahllokalen überhaupt | |
Stimmzettel fehlen konnten – und wo sich die fehlenden Stimmzettel | |
befanden. Man habe mit einer Reserve von 10 bis 20 Prozent an zusätzlichen | |
Stimmzetteln pro Wahllokal geplant. Allerdings sei es üblich, so Geert | |
Baasen, Leiter der Geschäftsstelle der Landeswahlleitung, dass die | |
teilweise auch erst im Laufe des Tages in den Wahllokalen ankämen. | |
Möglicherweise hätten die Bezirkswahlämter unterschätzt, dass die | |
[3][Logistik wegen des Marathons] eingeschränkt gewesen sei, sagte | |
Michaelis. | |
Wer aus Sicht der Landeswahlleitung noch Schuld war an den langen Schlangen | |
vor den Wahllokalen: die Wählerin und der Wähler selbst. Teilweise hätten | |
die Menschen sehr lange für die Entscheidungsfindung in der Wahlkabine | |
gebraucht, sei ihr von den Wahlleitungen der Bezirke zugetragen worden, | |
sagte Michaelis. „Deswegen hatte ich darum geben, dass sich die Wählerinnen | |
und Wähler im Vorfeld vertraut machen mit den Stimmzetteln.“ Aber mit | |
dieser Bitte sei sie „offenbar an Grenzen gestoßen“. | |
Ob die Wahl in Berlin angefochten werden kann und eventuell sogar | |
wiederholt werden muss, sei derzeit ebenfalls noch nicht klar. Man sei | |
dabei, die „zahlreichen Beschwerden“ und eingegangenen Mails | |
durchzuarbeiten, sagte Michaelis. Bisher sei noch nicht bekannt, dass ein | |
Wähler oder eine Wählerin Beschwerde eingelegt hat, weil er oder sie an der | |
Wahl – etwa wegen fehlender oder vertauschter Stimmzettel – gehindert | |
wurde. | |
Ein Wähler berichtete der taz, er habe im Wahllokal 717 im Wahlbezirk 7 in | |
Pankow keine Erststimme für die Abgeordnetenhauswahl abgeben können. Er sei | |
etwa zwei Stunden dort gewesen, um seine Stimme abgeben zu können – in | |
dieser Zeit hätte es keine Wahlscheine für die DirektkandidatInnen fürs | |
Abgeordnetenhaus gegeben. In dem Wahlkreis gewann die Grüne Julia Schneider | |
mit 30,7 Prozent deutlich vor Sandra Brunner (Linke) mit 20,2 Prozent. | |
Ein juristischer Grund für eine Wahlanfechtung wären „mandatsrelevante | |
Wahlfehler“, hieß es am Montag seitens der Landeswahlleitung. Sollten sich | |
also Verschiebungen bei den errungenen Mandaten ergeben können, weil | |
Menschen nicht abstimmen konnten, könnte die Wahl angefochten werden. | |
Dieses eher theoretische Szenario dürfte nur in Bezirken mit sehr knappem | |
Wahlausgang überhaupt relevant werden. Ein Beispiel ist der Wahlbezirk | |
Pankow 3: Hier liegt die Grünen-Direktkandidatin für das Abgeordnetenhaus, | |
Oda Hassepass, 0,1 Prozentpunkte vor dem Zweitplatzierten Klaus Lederer | |
(Linke). | |
27 Sep 2021 | |
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## AUTOREN | |
Anna Klöpper | |
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