Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- US-Amerikanerin blickt auf die BTW: Ruhig und billig
> Verglichen mit den Materialschlachten in den USA gleicht der deutsche
> Wahlkampf einer Kissenschlacht. Unsere Autorin ist neidisch.
Bild: Trump-Kampagne in Wildwood, New Jersey
Wenn ich durch Berlin spaziere, bin über die Milde des [1][deutschen
Wahlkampfs] immer wieder beeindruckt. Für einige Deutsche mögen die Plakate
auf den Straßen schon zu viel des Guten sein. Im Vergleich dazu, was die
amerikanischen Wähler:innen im letzten Jahr überstehen mussten, sind sie
nichts.
Als Politikjournalistin in den USA habe ich letztes Jahr über die
Präsidentschaftswahl berichtet, bei der sich die Ausgaben für Werbung laut
dem Center for Responsive Politics (CRP) auf umgerechnet 12,3 Milliarden
Euro beliefen. Die Bundestagswahl 2017 kostete nach Angaben der
Bundeszentrale für politische Bildung weit weniger als 100 Millionen. Zwar
leben in den USA viermal so viele Menschen wie in Deutschland – dennoch ist
der Unterschied gewaltig.
Wie viel Geld fließt, beeinflusst, wie aufdringlich Wähler*innen
adressiert werden. Nehmen wir meinen Bundesstaat Georgia als Beispiel für
den gigantischen Umfang der amerikanischen Wahlkampfausgaben. Im Januar
2021 [2][standen zwei Senatswahlen an], die über die Kontrolle der Parteien
im Oberhaus entscheiden sollten. Neun Wochen lang warf die amerikanische
Wahlkampf-Infrastruktur alles, was sie hatte, auf Georgia. Das Center for
Responsive Politics schätzte die Ausgaben auf 873 Millionen Dollar oder
fast 113 Dollar pro registriertem Wähler.
Es war praktisch unmöglich, den Fernseher einzuschalten, ohne von
politischer Werbung bombardiert zu werden. Auch im Internet schien die
Wahlwerbung unausweichlich. Klar, in Deutschland werden im Wahlkampf auch
Fernsehspots geschaltet. Aber auch wegen der Beschränkungen für Werbung bei
den Öffentlich Rechtlichen sind es viel weniger. Und klar hat die
politische Online-Werbung hierzulande zugenommen, aber das Ausmaß ist kaum
vergleichbar.
## Heerscharen von „Türklopfern“
Hinzu kommt die Dauer des Wahlkampfs: In Deutschland sind sie auf einen
Zeitraum von sechs Wochen angelegt, große amerikanische Wahlkämpfe dauern
oft mehr als anderthalb Jahre.
Und dann ist da noch die gezielte Ansprache von Wähler:innen, die es in
Deutschland kaum gibt. Amerikaner:innen, mich eingeschlossen, erhielten
manchmal täglich SMS von Kampagnen, die um Spenden und Stimmen warben, ganz
zu schweigen von der Zahl der Wahlkampfzettel in den Briefkästen. Und
republikanische und demokratische Gruppen setzten Heerscharen von
„Türklopfern“ ein, um die Wähler in ihren Häusern zu besuchen. Ich habe …
einigen Wähler:innen in wichtigen „Swing Districts“ gesprochen, die
wiederholt besucht wurden, was durch den Einsatz ausgeklügelter Wählerdaten
möglich wird.
Laut einer Studie von Simon Kruschinski von der Johannes
Gutenberg-Universität und André Haller von der Universität Bamberg aus dem
Jahr 2017 haben deutsche Kampagnen zwar mit einer gezielten Kommunikation
mit den Wählern begonnen, aber strengere Datenschutzgesetze, kleinere
Kampagnenbudgets und kulturelle Unterschiede haben ein solches Ausmaß
verhindert.
„Das Gefühl, zu den Menschen zu gehen, anstatt dass sie zu den Parteien
kommen, ist eine große Veränderung in der deutschen Wahlkampfphilosophie“,
so die Forscher. „Deutsche Wähler sind es gewohnt, nur auf einer Kundgebung
mit Parteimitgliedern in Kontakt zu treten oder an einem Informationsstand
der Partei im öffentlichen Raum vorbeizuschauen.“
Für Amerikaner:innen in Berlin bedeutet das letztlich eine viel
ruhigere – und billigere – Wahlsaison.
25 Sep 2021
## LINKS
[1] /Schwerpunkt-Bundestagswahl-2025/!t5007549
[2] /Senatswahlen-in-Georgia/!5738258
## AUTOREN
Emma Hurt
## TAGS
US-Wahl 2024
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Donald Trump
Joe Biden
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Wahlkampf
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
## ARTIKEL ZUM THEMA
US-Blick auf deutsche Politik: Müssen Kanzler Langweiler sein?
Dass ein Kandidat wie Olaf Scholz Regierungschef wird, wäre in den USA
undenkbar. Unsere Autorin wundert sich über die Systemunterschiede.
Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen: Zwischen Bibbern und Augenreiben
Bei der CDU herrscht Frust, das ist unübersehbar. Die SPD hingegen kann ihr
Glück kaum fassen. Eindrücke vom Straßenwahlkampf in NRW.
Niederländerin blickt auf Bundestagswahl: Goudawürfel statt Popcorn
Der deutsche Wahlkampf ist langweilig? Nicht schlimm, findet unsere
Autorin. Denn immerhin dominieren hier nicht die Rechtspopulisten.
Kleinpartei „Die Urbane“ im Wahlkampf: HipHop goes Bundestag
Die Kleinpartei „Die Urbane“ setzt sich für Antirassismus und
Dekolonialisierung ein. Wer steht dahinter? Ein Treffen im Hamburger
Schanzenviertel.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.