# taz.de -- Coronaregeln in Italien: Italien geht auf Nummer sicher | |
> Ohne Green Pass geht seit dem Ende der Sommerpause fast nichts mehr in | |
> Italien. Ab dem 15. Oktober soll der 3G-Nachweis auch auf der Arbeit | |
> gelten. | |
Bild: Ohne „Grünen Pass“ kein Zugang zum Bahnhof in Mailand | |
taz | ROM Vor der Tür des Kindergartens in Rom stehen die Mütter und Väter | |
Schlange, ihre Kleinen an der Hand. Sie wollen bloß drinnen ihren Nachwuchs | |
abliefern – doch ehe sie reinkommen, müssen sie erst einmal ihr Handy | |
zücken und den QR-Code ihres „Green Pass“ kontrollieren lassen. | |
Green Pass: Er ist so etwas wie das Zauberwort der Regierung unter Mario | |
Draghi in der Seuchenbekämpfung geworden. Wer ihn hat, verfügt über den | |
3G-Nachweis, ist geimpft, genesen oder getestet. Und ohne diesen Nachweis | |
geht seit dem Ende der Sommerpause fast nichts mehr im Alltagsleben der | |
Bürger*innen des Landes. | |
Egal ob ein Essen im Restaurant oder ein Besuch im Fitness-Center, ein | |
Kino- oder Theaterabend, eine Buchvorstellung oder die Teilnahme an einer | |
Tagung, eine Fahrt mit dem Hochgeschwindigkeitszug oder mit dem | |
Überlandbus: Wer den Green Pass nicht vorzeigen kann, muss draußen bleiben, | |
und als Restaurants zählen übrigens auch die Werkskantinen. | |
Auf dem Papier ist das zwar keine Impfpflicht, denn man kann sich ja auch | |
testen lassen, um an den alle Türen öffnenden QR-Code zu kommen. Doch der | |
ist dann bloß 48 Stunden gültig, und anders als in Deutschland kostet er in | |
Italien. In der Lombardei mit der Hauptstadt Mailand sind 30 Euro pro Test | |
fällig, im Latium mit Italiens Kapitale Rom 22 Euro. | |
Das vergällt so manchem sein Freizeitvergnügen – doch vom 15. Oktober an | |
soll der [1][3G-Nachweis flächendeckend auch auf der Arbeit] greifen. | |
Bisher war dies nur auf zwei Feldern der Fall: im Gesundheitswesen und in | |
den Bildungseinrichtungen. | |
Schon jetzt müssen alle in Gesundheitsberufen Tätigen, egal ob Ärztinnen in | |
den Krankenhäusern und den Privatpraxen oder Pfleger in den Altenheimen, ob | |
Physiotherapeutinnen oder Logopäden, geimpft sein. Anderenfalls droht die | |
unbezahlte Freistellung vom Dienst. | |
Vom kompletten Personal der Kindergärten, Schulen und Universitäten wird | |
dagegen der Green Pass verlangt, ohne dass ein genereller Impfzwang | |
bestünde, und an den Universitäten gilt dies auch für die Studierenden. Die | |
Wirkung der Norm war durchschlagend: 94 Prozent des Personals haben | |
zumindest die erste Dosis erhalten, 88 Prozent sind komplett geimpft. | |
Ermutigt von solchen Zahlen, dehnt die Regierung Draghi jetzt den | |
Impfpasszwang auf die gesamte Arbeitswelt aus. Vom 15. Oktober an wird der | |
3G-Nachweis für alle Beschäftigten, egal ob in Büros, Fabriken, Läden oder | |
der Gastronomie, verpflichtend. Jedes Unternehmen hat die Verantwortlichen | |
für die Kontrollen zu bestimmen. All jene, die den Nachweis nicht erbringen | |
können, riskieren zwar nicht die Entlassung – werden aber ohne | |
Lohnfortzahlung vom Dienst suspendiert. Wer ohne QR-Code bei der Arbeit | |
erwischt wird, riskiert eine Geldbuße von bis zu 1.500 Euro. | |
## Andrang in den Impfzentren soll steigen | |
In der Regierung Draghi hatte es einiges Gezerre um die neue Maßnahme | |
gegeben. Vor allem der Chef der rechtspopulistischen Lega, Matteo Salvini, | |
stellte sich zunächst quer. Doch fielen ihm nicht nur der | |
Lega-Wirtschaftsminister Giancarlo Giorgetti, sondern auch die aus seiner | |
Partei stammenden Präsidenten der drei Nordregionen Lombardei, Veneto, und | |
Friaul-Julisch Venetien in den Rücken. In ihren Augen ist die | |
Rundum-Anwendung des Green Pass die einzige Garantie, um einen erneuten | |
Lockdown zu verhindern. | |
Wenig begeistert zeigte sich auch Maurizio Landini, Chef des größten | |
Gewerkschaftsbundes, CGIL – doch sein Protest richtet sich allein gegen die | |
Kosten der Tests, denen sich Ungeimpfte unterziehen müssen. Es könne doch | |
nicht sein, „dass man bezahlen muss, um arbeiten zu gehen“, beschwerte | |
Landini sich und verlangte, die Arbeitgeber sollten die Kosten übernehmen. | |
Wenn es nach der Regierung geht, soll dagegen jetzt wieder der Andrang in | |
den Impfzentren steigen. Bisher sind 41 Millionen Bürger*innen und | |
damit etwa 70 Prozent der Bevölkerung komplett geimpft – mit dem eher | |
unsanften Druck des Green Pass wird nun die 80-Prozent-Marke angepeilt. Die | |
Anmeldezahlen der letzten Tage geben der Regierung recht. Der | |
außerordentliche Kommissar für die Coronabekämpfung, Francesco Figliuolo, | |
teilte mit, dass nach Verabschiedung des Dekrets je nach Region 20 bis 40 | |
Prozent mehr Personen gegenüber der Vorwoche einen Impftermin reserviert | |
hätten. | |
Kaum zu erkennen ist dagegen ein breiter Protest aus der Ecke der | |
Impfgegner*innen, deren Mobilisierungspotenzial weit schwächer ist als in | |
Deutschland oder in Frankreich. So verpuffte zum Beispiel Anfang September | |
der Aufruf, die Bahnhöfe der großen Städte zu blockieren, um gegen die | |
Ausdehnung des Green Pass auf die Schnellzüge zu protestieren – in Neapel | |
kamen gerade einmal zwei Protestierer. Und auch nach der Verabschiedung der | |
neuesten Maßnahmen blieb breiter Straßenprotest aus. | |
23 Sep 2021 | |
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## AUTOREN | |
Michael Braun | |
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