# taz.de -- Zuschauerkrise im Frauenfußball: Kaum Liebe | |
> Unbesetzte Plätze liefern traurige Bilder von den | |
> WM-Qualifikationsspielen der Nationalmannschaft. Der Frauenfußball hat | |
> ein Akzeptanzproblem. | |
Bild: Fast wie zu Corona-Zeiten: die DFB-Elf läuft in Cottbus auf | |
FRANKFURT taz | Martina Voss-Tecklenburg wird nicht nur innerhalb des | |
Deutschen Fußball-Bundes (DFB), sondern auch im Aufsichtsrat von Fortuna | |
Düsseldorf für ihre Meinungsstärke geschätzt. Die Bundestrainerin ist so | |
gar nicht zufrieden, dass die WM-Qualifikationsspiele [1][gegen Bulgarien | |
(7:0) in Cottbus] und nun gegen Serbien in Chemnitz (Dienstag 16 Uhr/ZDF) | |
vor Ort auf derartiges Desinteresse stoßen. Ins Stadion der Freundschaft | |
kamen vergangenen Samstag nur 1.534 Zuschauer, knapp 1.000 Tickets sind | |
bislang lediglich für die zweite Partie im Stadion an der Gellertstraße | |
abgesetzt. Zu beiden Spielorten wären 5.000 Besucher erlaubt. | |
Die Männer-Aushängeschilder Energie Cottbus und Chemnitzer FC spielen nur | |
noch viertklassig, und eine Frauenfußball-Hochburg gibt es in der Region | |
auch nicht, aber erklärt das die geringe Resonanz? „Wir sind eine Nation, | |
ein Fußball. Es geht auch um eine Symbolik nach draußen“, sagte | |
Voss-Tecklenburg am vergangenen Freitag – und forderte jeden auf, ein | |
Statement zu setzen. Vergeblich. | |
So liefert der Osten gerade einen unerfreulichen Beleg, dass der deutsche | |
Frauenfußball trotz diverser Anstöße und zahlreicher Lippenbekenntnisse | |
weiterhin um seine Akzeptanz kämpft. Der DFB hat sogar eine Onlinekampagne | |
„Fußball, die (feminin)“ aufgelegt, um die gleichberechtigte Teilhabe von | |
Männern und Frauen zu fördern, aber manches klingt vielleicht auch zu | |
aufgesetzt. | |
Der Verband konnte den Vorverkauf für die ersten Länderspiele der | |
DFB-Frauen vor Publikum erst spät starten, darf aus Sicherheitsgründen auch | |
keine Tageskassen öffnen. Die magere Kulisse, sagt Voss-Tecklenburg, hätten | |
die „hochmotivierten und hochprofessionellen Spielerinnen“ nicht verdient. | |
Die 53-Jährige kritisierte auch die örtlichen Medien und die heutige | |
Anstoßzeit. „Wir würden gerne um 18, 19 oder 20 Uhr spielen.“ Doch auch d… | |
Programmplanung der Öffentlich-Rechtlichen richtet sich inzwischen streng | |
an Quoten aus – und hohe Reichweiten garantieren nur die großen | |
Frauen-Turniere. | |
## Über 1 Million an den TV-Geräten | |
An dieser Stelle lohnt eine tiefere Analyse. Bei der ARD schalteten | |
vergangenen Samstag immerhin 1,1 Millionen Zuschauer für das nicht | |
sonderlich spannende WM-Qualifikationsspiel ein. Der Marktanteil als die | |
entscheidende Kenngröße lag bei knapp zehn Prozent. Zum Vergleich: Das | |
Nordderby zwischen Werder Bremen und dem Hamburger aus der 2. Bundesliga | |
sahen beim Privatsender Sport1 am Samstagabend 640.000 Zuschauer, beim | |
Bezahlsender Sky schalteten weitere 490.000 ein. Die Frauen kamen | |
Samstagnachmittag in der ARD also fast auf dieselbe Größenordnung. | |
Schon vor der Coronakrise waren die Besucherzahlen bei Frauen-Länderspielen | |
rückläufig. Während der DFB schon froh war, dass zur Generalprobe vor der | |
WM 2019 gegen Chile 10.135 Zuschauer nach Regensburg kamen – und nicht wie | |
in den Heimspielen vorher nur 3.000, 4.000 oder 5.000, zog [2][der Verband | |
in England] im November 2019 ein Highlight-Länderspiel in Wembley gegen die | |
DFB-Auswahl auf, das mit knapp 78.000 Fans alle Rekorde brach. Wenige | |
Monate später erzwang Corona auch im Frauenfußball erst eine Pause, dann | |
reihenweise Geisterspiele. | |
Der Kampf um die Fanrückkehr könnte hier noch ein Stück beschwerlicher | |
werden, glaubt Claudia Neumann, ZDF-Kommentatorin und Teil der neunköpfigen | |
Frauen-Initiative „Fußball kann mehr“. Die deutschen Frauen seien zuletzt | |
bei den Olympischen Spielen 2016 wirklich erfolgreich gewesen, „seitdem | |
fehlt es an Wiedererkennungswert und Identifikationsfiguren, ohne die eine | |
Bindung schwer fällt“. | |
Überdies werde der Fußball insgesamt seit der Coronakrise kritisch gesehen, | |
„es ist gut möglich, dass die DFB-Frauen als ein Teil des Verbandes | |
unverschuldet in Sippenhaft genommen werden“, sagt die langjährige | |
Begleiterin des Frauenfußballs, die heute die nächste Pflichtaufgabe auf | |
dem Weg zur Frauen-WM 2023 in Australien und Neuseeland kommentiert. | |
21 Sep 2021 | |
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## AUTOREN | |
Frank Hellmann | |
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