# taz.de -- Frauenfußball in Argentinien: Kick it like Messi | |
> Regierungen und Verbände haben in Argentinien viel dazu beigetragen, den | |
> Fußball der Frauen klein zu machen. Jetzt regt sich Widerstand. | |
Bild: Kein leichter Weg: Argentiniens Estefanía Banini (Nummer 10) hat es zur … | |
Bei TV Pública in Argentinien mussten sie sich doch sehr wundern. Da hatten | |
im August aus der Primera División die Männerpartie CA Lanús vs. CD Godoy | |
Cruz übertragen, und zwei Tage zuvor lief das Frauenspiel CA San Lorenzo de | |
Almagro vs. El Porvenir auf ihrem Kanal. Und? Die Frauen hatten die bessere | |
Quote. | |
Etwas geschichtsvergessen war dieses Staunen schon, denn exakt 50 Jahre | |
vorher, am 15. August 1971, waren 100.000 Zuschauer ins mexikanische | |
Aztekenstadion gekommen, um sich Mexiko vs. Argentinien (3:1) anzuschauen. | |
Es war, man kommt aus dem sporthistorischen Staunen nicht raus, das | |
Eröffnungsspiel der 2. Fußball-WM; die erste Frauen-WM hatte 1970 in | |
Italien stattgefunden, die erste von der Fifa anerkannte allerdings erst | |
1991. Doch 100.000 Zuschauer reichten nicht aus, um die Akzeptanz dauerhaft | |
durchzusetzen. Als vor wenigen Tagen [1][Argentinien ein Testspiel] 1:6 | |
verlor, erneut gegen Mexiko, fingen sich die Spielerinnen mal wieder | |
dümmliche Kommentare ein. | |
In Argentinien bringt es die wenig zentralisierte Organisation des Fußballs | |
mit sich, dass für einige Mädchen schon mit sieben Schluss mit | |
gemischtgeschlechtlich betriebenem Kicken ist, in anderen Fußballbezirken | |
trifft das Aus erst Zwölfjährige. Aber Schluss ist dann auch. Außerhalb der | |
Großstädte gibt es kaum Mädchenligen. Und organisierter Frauenfußball – in | |
der Primera División spielen seit drei Jahren Halbprofis – wird erst ab dem | |
16. Lebensjahr angeboten. | |
## Einsatz für Mädchenligen | |
Talentierte Mädchen können also nicht mehr mit den besten ihres Jahrgangs | |
spielen. Dagegen regt sich Widerstand. Die Kampagne #DejenJugarARenata, | |
initiiert von der engagierten Mutter Nadia Escola, setzte nun durch, dass | |
Erstligaklubs ab 2022 eine Liga für Mädchen zwischen 13 und 16 Jahren | |
anbieten müssen. „So können wir garantieren, dass die Kette nicht | |
unterbrochen wird: Bis zum Alter von 13 Jahren spielen sie in der | |
gemischten Mannschaft, dann in der weiblichen Jugendmannschaft, und mit 16 | |
Jahren steigen sie in die Frauenmannschaft auf“, sagte Escola der Zeitung | |
El País. | |
Diese Kämpfe sind hundert Jahre alt. Neu an ihnen ist bloß, dass sie mit | |
Hilfe von Social Media geführt werden. 1923 veröffentlichte die | |
Wochenzeitung Fray Mocho Porträts dreier Frauenteams: Río de la Plata, Team | |
Argentina und Team Cosmopolitan, Letzteres bestand vor allem aus | |
eingewanderten Deutschen und Britinnen, wie die Historikerin Brenda Elsey | |
und ihr Kollege Joshua Nadel in ihrem Buch „Futbolera“ (2019) berichten. | |
Meist waren es Fabrikteams, aber auch [2][in der Arbeiterbewegung gab es | |
organisierten Sport]. Die Textilarbeiterinnengewerkschaft AOT legte etwa | |
ein Förderprogramm für Basketball auf. Basket- und Volleyball waren die | |
Disziplinen, die auch der YMCA für Mädchen und Frauen anbot, aber der | |
Aufstieg des Fußballs zur populärsten Sportart machte vor Frauen nicht halt | |
– nicht als Fans und nicht als Spielerinnen. Es waren letztlich Maßnahmen | |
des Staates und des Verbandes, die Frauen aus dem Fußball drängten: keine | |
Förderung, oft Verbot. | |
Vielleicht saßen ja bei dem Spiel San Lorenzo – El Porvenir Mitte August | |
all die Frauen und Mädchen vor dem Fernseher, die nicht selbst mitspielen | |
dürfen. So kommen natürlich hohe Quoten zustande. | |
11 Nov 2021 | |
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## AUTOREN | |
Martin Krauss | |
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