# taz.de -- Security-Firmen fordern Gesetz: Ungezügelte Sicherheit | |
> Private Sicherheitsdienste wollen mehr Befugnisse. Flüchtlingsräte und | |
> Fußballinitiativen halten dagegen: Schon heute falle die Branche negativ | |
> auf. | |
Bild: Die Sicherheitsdienst-Branche steht seit Jahren immer wieder in der Kritik | |
Berlin taz | Es ist ein offensives Drängen. 260.000 private | |
Sicherheitsbedienstete leisteten in Deutschland einen „unverzichtbaren | |
Beitrag“ für die Sicherheit, heißt es in einem „Forderungspapier“ des | |
Bundesverbands der Sicherheitswirtschaft (BdSW), dem Lobbyisten der | |
Branche, zur Bundestagswahl. Man sichere Veranstaltungen oder den | |
Nahverkehr, kontrolliere Fluggäste oder schütze ganz aktuell Impfzentren. | |
Dafür brauche es nun ein Sicherheitsdienstleistungsgesetz. | |
Dort müssten Anforderungen an die Qualifikation, eine Tarifbindung oder | |
Systemrelevanz der Sicherheitsleute festgeschrieben werden, so der Verband. | |
Auch brauche es landesrechtliche Ermächtigungen für „Minimalbefugnisse“ | |
oder „Regeln“ im Falle von Streiks bei kritischen Infrastrukturen, etwa | |
obligatorische Schlichtungsverfahren vor jedem Streik, da diese | |
„unkalkulierbare Risiken“ haben könnten. Das Gesetz müsse „unmittelbar … | |
den Wahlen“ in Angriff genommen werden. | |
Die Forderung trifft nun allerdings auf Widerstand. Mehr als 20 | |
zivilgesellschaftliche Organisationen warnen vor solch einem Gesetz – | |
Flüchtlingsräte, der Republikanische Anwältinnen- und Anwaltsverein (RAV), | |
Streetworker oder Fußballfanvereinigungen. „Keine Ausweitung der Befugnisse | |
für das kommerzielle Sicherheitsgewerbe“, heißt es in einem gemeinsamen | |
Appell, der am Mittwoch veröffentlicht werden soll. | |
Schon jetzt würden private Wachleute [1][immer wieder in | |
Geflüchtetenunterkünften Bewohner:innen drangsalieren], kritisierten | |
die Initiativen. Auch Wohnungslose, Migrant:innen oder Fußballfans | |
würden wiederholt Opfer der Securities. Und dass auch das Streikrecht | |
eingeschränkt werden soll, sei ein „ungeheurer Vorgang“. | |
## „Tägliche Grundrechtsverletzungen“ | |
Tatsächlich plant das Bundesinnenministerium derzeit ein Gesetz für die | |
private Sicherheitsbranche. Die Erstellung sei in Arbeit, bestätigte am | |
Dienstag ein Sprecher der taz. „Ziel ist, die Sicherheitsstandards im | |
Sicherheitsgewerbe weiter zu verbessern.“ Bisher gilt für die Branche | |
lediglich die Gewerbeordnung. Der Gesetzentwurf soll laut Ministerium in | |
der neuen Legislaturperiode „baldig“ vorgelegt werden. Schon in ihrem | |
Koalitionsvertrag von 2017 hatten Union und SPD ein solches | |
Gesetzesvorhaben vereinbart. | |
Die Initiativen warnen indes vor dem Vorhaben. Gerade in | |
Geflüchtetenunterkünften drohe mit mehr Befugnissen für Sicherheitsdienste | |
„eine weitere Verschärfung der Situation“, erklärt Walter Schlecht von der | |
Aktion Bleiberecht. Securities würden dort schon heute | |
„grundrechtsverletzende Hausordnungen mit fraglichen Befugnissen | |
durchsetzen“. Asylsuchende seien ihnen [2][„weitestgehend ausgeliefert“]. | |
Auch Katharina Grote vom Bayerischen Flüchtlingsrat beklagt in den | |
Unterkünften „unhaltbare Zustände mit täglichen Grundrechtsverletzungen“, | |
etwa indem auch gegen den Willen der Bewohner:innen Taschen oder Zimmer | |
kontrolliert würden. | |
Andreas Abel von dem Berliner Straßensozialarbeitsprojekt Gangway beklagt | |
Übergriffe privater Sicherheitsdienste auch auf Wohnungslose. Diese würden, | |
oft „martialisch und konfrontativ“, aus Bahnhöfen oder Malls vertrieben. | |
Bekämen die Securities nun auch das Recht, Personalien zu kontrollieren | |
oder Platzverweise zu erteilen, vernachlässige der Staat „seine | |
Fürsorgepflicht endgültig“. Rechtsanwältin Angela Furmaniak von der „AG | |
Fananwälte“ kritisiert zudem, dass Sicherheitsaufgaben in Fußballstadien | |
auch an ungeschultes Personal oder Neonazis übertragen werden. „Das kann, | |
vorsichtig formuliert, nur sehr besorgt machen.“ | |
Die Initiativen wollen sich nun an alle Bundestagsabgeordneten und | |
Kandidierenden wenden, um deren Position zum privaten Sicherheitsgewerbe | |
abzufragen. Der Branchenverband betont dagegen, ihm gehe es nur um „noch | |
mehr Qualität und Seriosität“ und „zeitgemäße“ Rahmenbedingungen. Auc… | |
Innenministerium versicherte auf eine Linke-Anfrage, man strebe „derzeit | |
keine Kompetenzerweiterungen für private Sicherheitsunternehmen“ an. Auch | |
werde man nichts vorschlagen, was „zu einer Aushöhlung des staatlichen | |
Gewaltmonopols führen kann“. RAV-Geschäftsführer Lukas Theune traut dem | |
nicht: „Öffentliche Sicherheit ist eine öffentliche Aufgabe und kein | |
Selbstbedienungsladen für profitorientierte Unternehmen.“ | |
15 Sep 2021 | |
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## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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