| # taz.de -- Schauspieler Fahri Yardım über Egos: „Mitgefühl mit Mackern“ | |
| > Für Schauspieler Fahri Yardım sind unglückliche alte Männer das größte | |
| > Klimaschutz-Hindernis. Die Grünen wählt er nur aus Trotz – wenn | |
| > überhaupt. | |
| Bild: Lieber mal umarmen als immer hoch hinaus: Fahri Yardım auf „SaFahri“… | |
| taz: Herr Yardım, Sie bezeichnen sich in Ihrer neuen Sky-Serie „SaFahri“ | |
| als Großstadtmenschen. Welchen Bezug hatten Sie denn bislang zur Natur? | |
| Fahri Yardım: In Hamburg waren das die ölgetränkte Elbe und die Brise. | |
| Dicke Möwen. Spatzen. Das ist so mein Naturschauplatz gewesen. Ich bin, | |
| gestehe ich, viel zu selten im Wald spazieren gegangen. Mich kostet das | |
| immer Überwindung. Eigentlich alles, was mit Ruhe zu tun hat, kostet bei | |
| mir Überwindung. Ich brauche Kraft, um mich zu entspannen. | |
| Es geht Ihnen bei „SaFahri“ offenbar weniger um Naturwissenschaft als um | |
| Sinnsuche. Kann mich meine Reise zu Mutter Erde erden, fragen Sie explizit. | |
| Konnte sie? | |
| Ja. Um mal nicht zu schwafeln: Ja! Ja, sie hat diese Kraft. Es ist nur | |
| leider kein abgeschlossener Zustand. Ich bin jetzt nicht dauerhaft geerdet | |
| und erleuchtet. | |
| Warum mussten Sie überhaupt geerdet werden? | |
| Da war dieser Leidensdruck. So eine Erschöpfung. So eine tiefsitzende | |
| Unzufriedenheit, an die ich mich anfing zu gewöhnen. Ich war einfach platt. | |
| Dieser industrielle Zirkus einerseits, der Kampf in der Großstadt | |
| andererseits. Die haben mich irgendwie in einen Zyniker verwandelt. In | |
| anderen Interviews beklage ich das als „Entfremdung“. [1][Ich war auf dem | |
| besten Weg zum garstigen Opa]. Ich habe mich selbst einfach nicht mehr | |
| ertragen. | |
| In Folge eins versuchen Sie es unter anderem mit „Waldbaden“. Können Sie | |
| sich vorstellen, dass es dem ein oder anderen Zuschauer schwerfallen | |
| könnte, das nach „jerks!“ noch ernst zu nehmen? Da nimmt Ihr Alter Ego eine | |
| Protestmeditation seiner Partnerin nämlich eher nicht so ernst. | |
| Kann ich gut nachvollziehen. Aber die Verwirrung nehme ich gern in Kauf. | |
| Auf meinen Kindergeburtstagen war es auch immer so, dass sich Freunde | |
| begegnet sind, die gegenseitig nicht verstanden haben, warum ich mit den | |
| jeweils anderen befreundet bin. Schon meine Freundeskreise sind ein Abbild | |
| meiner absurden Vielfältigkeit. Und wenn der Vollnarzisst aus „jerks.“ sich | |
| nun plötzlich in den Wald legt, entsteht ein Knacks. Und ich befürchte, der | |
| Knacks ist meine Heimat. Der Bruch ist mein Zuhause. Und dem ist man | |
| ausgeliefert, wenn man mir zuguckt. Oder man meidet mich. Aber das ist dann | |
| auch in Ordnung. | |
| Wir erfahren so nebenbei, dass Sie, nach eigener Einschätzung, auf dem | |
| Schulhof verbal nicht besonders schlagfertig waren. Die Dialoge bei | |
| „jerks.“ sind aber vollständig improvisiert. Wann haben Sie gelernt, | |
| schlagfertig zu sein? | |
| Kommt Ihnen das schlagfertig vor? | |
| Ja. | |
| Ich finde das nicht so schlagfertig. Ich finde das eigentlich relativ | |
| erbärmlich. | |
| Aber gut, erbärmlich. Schlagfertig erbärmlich. | |
| Ich denke, woraus der Kraft schöpft, dieser Wurm Fahri in „jerks!“, ist | |
| eine tiefe Verletztheit. Mich schützen konnte ich schon immer. Wenn ich | |
| tief getroffen war, dann war meine Reaktion stets die Selbstüberhöhung im | |
| Angesicht der totalen Selbstauflösung. Je kleiner ich mich fühlte, desto | |
| mehr konnte ich einen Scheinriesen in mir beleben. Nichts anderes erleben | |
| wir übrigens gerade bei den Konservativen. | |
| Sie meinen den Bundestagswahlkampf? | |
| Den Wahlkampf, ja. Figuren wie Paul Ziemiak und Friedrich Merz. Die machen | |
| mir Angst. Konservative im Niedergang, die dann vielleicht irgendwann | |
| anfangen damit zu liebäugeln, die Brandmauer in Richtung Faschismus doch | |
| irgendwie ein bisschen einzureißen, doch irgendwelche Seilschaften | |
| einzugehen, um ihrer ganzen Mickrigkeit etwas entgegenzusetzen. Es ist ein | |
| Existenzkampf. Und das geht Fahri auch oft so, in „jerks.“. Den Abgesang | |
| auf das Patriarchat, den erträgt er schlecht. | |
| Sie begeistern sich in „SaFahri“ für die Fähigkeit des Wildschweinebers, | |
| sechs Minuten lang zu ejakulieren, und bei Gletscherwasser denken Sie an | |
| „das Fruchtwasser der Erde“. Manche Themenbereiche scheinen Sie nicht | |
| loszulassen. | |
| Da gibt es tatsächlich eine Verbindung zwischen dem eher spirituellen, dem | |
| sinnsuchenden „SaFahri“-Fahri und dem sich windenden „jerks.“-Fahri. Be… | |
| schöpfen sehr aus dem Quell der Sexualität. Dem sexuellen Raum. Der | |
| sexuelle Raum ist bei mir völlig enttabuisiert und dient mir als ständiger | |
| Kraftquell. In alle Richtungen. In Richtung Abgrund, aber auch in Richtung | |
| aufsteigende Sonne. | |
| Ein anderes Motiv, auf das Sie immer wieder zurückkommen, ist der | |
| Klimawandel. | |
| Ja. Geht nicht mehr ohne. Ich kann da auch ein „leider“ hinzufügen, falls | |
| unklar bliebe, was meine Haltung ist. Spannend war tatsächlich zu sehen, | |
| dass Menschen, die sich sehr mit dem Klimawandel beschäftigen, für mein | |
| Empfinden die glücklicheren Menschen waren. Das war für mich eigentlich das | |
| Erstaunlichste an der Reise: fröhlichen, zufriedenen Menschen zu begegnen. | |
| Zu sehen, dass sie ein Kontrastbild schaffen zu diesen frustrierten alten | |
| Böcken, die keine Lust haben, aus ihrem Porsche auszusteigen die sich | |
| angegriffen fühlen, wenn jemand sinnvoller Weise ein Tempolimit fordert. | |
| Dass diese Menschen eigentlich die zufriedeneren waren, das hatte was von | |
| Genugtuung. | |
| Also, [2][Don Alphonso], wie er sich selbst nennt, Ulf Poschardt und | |
| Friedrich Merz werden in diesem Leben nicht mehr glücklich werden. Und ich | |
| habe zum ersten Mal in meinem Leben wirklich Mitgefühl mit diesen Mackern. | |
| Mit Friedrich Merz. Dieses Verhärtete, das löst bei mir inzwischen nicht | |
| mehr nur noch Abwehr aus, sondern das Bedürfnis, ihn in den Arm zu nehmen. | |
| Die eineinhalb Jahre mit dem Coronavirus scheinen auch einige Menschen | |
| etwas verhärtet zu haben, zum Beispiel Ihren „Tatort“-Buddy Til Schweiger. | |
| Im Trailer zu einem Dokumentarfilm („Die andere Freiheit“) sieht man ihn | |
| nun sagen, das Virus sei für Kinder absolut harmlos und die Impfung | |
| ungleich gefährlicher als das Virus selbst. Er finde das entsetzlich. Und | |
| Sie? | |
| Inhaltlich würde ich mich hierzu mit ihm fetzen, als Mensch bleibt er bei | |
| mir aber im Herzen. Ich kenne seine Sensibilität, sein Herz. Da bin ich in | |
| meiner Liebe bedingungslos. | |
| Wählen Sie eigentlich die Grünen? | |
| Weiß ich noch nicht. Also wenn ich’s tue, dann auch aus Trotz gegenüber | |
| dieser abfälligen, hässlichen Antikampagne. Ich finde es teilweise | |
| niederträchtig, wie mit [3][Annalena Baerbock] umgegangen wurde. Und je | |
| niederträchtiger die Gegenseite, desto eher solidarisiere ich mich. | |
| Was zu essen hat Sie die größere Überwindung gekostet – den Moorboden oder | |
| die Sylter Auster? | |
| Boah, beides war bitter. Ah, die Auster war wirklich … Bäh, diese Auster, | |
| die wirkt irgendwie anders nach. Schon bei der Frage zieht’s mir wieder die | |
| Wangen ans Kinn. Nee, irgendwie die Auster, da ist so’n … dieser Glibber, | |
| das ist irgendwie … Da kann ich auch nur wieder sexuell werden. Da fühlte | |
| ich mich genötigt, in einen Fetisch reinzuschnuppern, der mich abstößt. | |
| Glibber ist nicht so meins. | |
| 11 Sep 2021 | |
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| Jens Müller | |
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