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# taz.de -- Bußgeld gegen Demonstrant:innen: Eingekesselt und abkassiert
> Am 1. Mai kesselte die Hamburger Polizei Demonstrant:innen ein.
> Einige bekamen nun einen Bußgeldbescheid wegen Verstoßes gegen die
> Abstandsregeln.
Bild: Dafür soll es nun Bußgeld geben: zwangsverordnetes Gruppenkuscheln am 1…
Hamburg taz | Unter fragwürdigen Umständen kesselte die Hamburger Polizei
am 1. Mai vermeintliche Demonstrant:innen ein. In den vergangenen Tagen
bekamen nun einige der von den Beamt:innen Festgehaltenen
Bußgeldbescheide wegen Nichteinhaltung des Mindestabstands. 1,5 Meter
Abstand zu halten, sei aber gar nicht möglich gewesen, berichten Anwesende.
Denn die Beamt:innen hätten viel zu wenig Platz gelassen.
[1][Die Polizei in Hamburg ging am 1. Mai dieses Jahres generell nicht
gerade zimperlich gegen Demonstrierende vor.] Viele Veranstaltungen waren
schon im Vorfeld untersagt. [2][Trotzdem gingen überall in der Stadt
Menschen auf die Straße.] Beamt:innen kesselten einige von ihnen ein und
hielten Menschen teils über Stunden dort fest. Darunter auch Minderjährige
und Demosanitäter:innen. Die Polizei behauptet, damit präventiv illegale
Versammlungen und Verstöße gegen den Infektionsschutz verhindert haben zu
wollen.
Die Menschen, die die Polizei umstellte, befanden sich allerdings teilweise
gar nicht auf einer Versammlung, sondern liefen ungeordnet über die Straße.
Im Fall des Kessels auf der St. Petersburger Straße argumentiert die
Polizei, die Menschen hätten szenetypische schwarze Klamotten getragen und
seien schon davor auf einer illegalen Versammlung gewesen.
Von etwa 250 ungeordnet laufenden Menschen umstellten die Beamt:innen
aus diesem Grund 50. Darunter auch ein 14-jähriges Mädchen, das den Kessel
über Stunden nicht verlassen durfte.
Schon am 1. Mai und in den Tagen danach wurde kritisiert, dass es nicht
möglich war, im Kessel Mindestabstände einzuhalten. Nun hat die Polizei
aber genau deswegen Bußgeldverfahren eröffnet. Die Betroffenen hätten nicht
genug Abstand gehalten und sollen nun 150 Euro Strafe zahlen, außerdem ist
noch eine Bearbeitungsgebühr von 28 Euro aufgeschlagen.
In einem Bußgeldbescheid, der der taz vorliegt, heißt es, der Abstand hätte
eingehalten werden können. Ein Mann, der anonym bleiben möchte, schildert
die Situation allerdings anders. Die Polizei habe ohne Vorwarnung innerhalb
von Sekunden willkürlich einen Teil der Menschen umstellt. Da der Kessel so
eng war, sei es gar nicht möglich gewesen, 1,5 Meter voneinander entfernt
zu stehen. „Wir haben außerdem alle Masken getragen“, sagt er.
Auch der Bürgerschaftsabgeordnete Deniz Celik (Linke) war vor Ort. „Ich
fand den Einsatz unverhältnismäßig“, sagt er der taz am Telefon. Er habe
die Beamt:innen auch darauf hingewiesen, dass die Personen sehr eng
zusammenstanden. Genügend Abstand zu halten, sei definitiv nicht möglich
gewesen.
Die Zustände im Kessel seien teils entwürdigend gewesen, berichten
Anwesende der taz. Einer von ihnen, der seinen Namen nicht in der Zeitung
lesen will, erzählt: „Die ersten zwei Stunden durfte niemand auf Toilette.“
Als Ersatz habe ein Gulli gedient. Auf eine Kleine Anfrage des Abgeordneten
Deniz Celik hin rechtfertigte die Polizei sich, Menschen einzeln in ein
benachbartes Hotel zum Toilettengang gebracht zu haben. Allerdings habe das
Hotel dies nach einiger Zeit wieder untersagt, schildern Anwesende.
Beim Hamburger Ermittlungsausschuss, der Demonstrant:innen juristisch
berät und unterstützt, haben sich bis Redaktionsschluss sieben Menschen
gemeldet, die im Kessel auf der St. Petersburger Straße waren und nun einen
Bescheid bekommen haben. Bei einem weiteren Kessel am 1. Mai in St. Georg
sei zudem mindestens eine Person betroffen. Da sich wahrscheinlich nicht
alle gemeldet hätten, sei aber von einer höheren Zahl auszugehen, sagte
eine Sprecherin gegenüber der taz.
Dem Ermittlungsausschuss zufolge haben viele Betroffene nun erst einmal
Widerspruch gegen das Bußgeldverfahren eingelegt. Der Bescheid wird
daraufhin noch einmal genau von der Bußgeldbehörde überprüft. Denn laut dem
Amt für Migration, dem die Bußgeldstelle untergeordnet ist, werden die
meisten Verfahren im ersten Schritt nicht genauer untersucht.
Bei Zehntausenden Verfahren sei dies auch gar nicht möglich. „Wir gehen
erst mal davon aus, dass die Polizei rechtmäßig handelt“, sagte ein
Sprecher gegenüber der taz. Wenn allerdings Beschwerde eingelegt werde,
überprüfe die Behörde alles noch einmal genauer und befrage auch die
Polizist:innen, die das Verfahren eingeleitet haben. Sollte dann immer
noch unklar sein, ob ein Bußgeld gerechtfertigt ist, landet das Verfahren
vor Gericht.
Ob die aktuellen Bußgeldbescheide dieser Überprüfung standhalten würden,
ist fraglich. Die Bußgeldstelle möchte sich zu laufenden Verfahren generell
nicht äußern. Auch die Polizei ging bis Redaktionsschluss auf taz-Anfrage
nicht näher darauf ein.
9 Sep 2021
## LINKS
[1] /1-Mai-Proteste-in-Hamburg/!5765260
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## AUTOREN
Finn Walter
## TAGS
Schwerpunkt Polizeikontrollen in Hamburg
Hamburg
Polizeikessel
Abstandsregeln
Polizei Hamburg
Tag der Arbeit, Tag der Proteste
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