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# taz.de -- Aus für „Sirplus“-Läden: Rettung in die Rhetorik
> Die „Retterläden“ des Unternehmens „Sirplus“ sind Geschichte. Angebl…
> hat Corona dem Erfolgsmodell ein Ende bereitet.
Bild: Krumme Gurken, kerzengrader Aufstieg – bis jetzt: Sirplus-Chef Fellmer …
Rhetorisches Talent kann man Raphael Fellmer nicht absprechen. Der
[1][Gründer des kommerziellen Foodsharing-Unternehmens Sirplus] hat nicht
nur ein Händchen dafür, innovative Projekte zu verkaufen, sondern auch
deren Scheitern. Was er gerade mit einer fünfseitigen Pressemitteilung
getan hat. Deren Inhalt: Alle fünf „Retterläden“ – an der Wilmersdorfer,
Schloss-, Karl-Marx- und Bergmannstraße sowie in der East Side Mall – sind
bis Monatsende dicht, die MitarbeiterInnen verlieren ihre Jobs.
Verfolgte man Fellmers Geschäfts-PR über die vergangenen vier Jahre, bekam
man den Eindruck, dass seine Idee schlicht durch die Decke ging: Das
Start-up kaufte Lebensmittel-Restposten, auch Abgelaufenes, bei Herstellern
günstig auf, bewahrte sie vor der drohenden Vernichtung und gab sie mit
gutem Rabatt an seine KundInnen weiter. Eine Win-win-win-Situation,
sozusagen.
Dass sich das nach stetigem Filial-Zuwachs nun plötzlich nicht rechnet,
schiebt der Sirplus-Chef allein auf die Coronapandemie. So hätten „die
Konsument:innen ihr Einkaufsverhalten stark verändert: Um Kontakte zu
vermeiden, wird vermehrt auf Vorrat in einem einzelnen Supermarkt
eingekauft“, heißt es in der Mitteilung. Oder aber andersrum: „Im Juni
diesen Jahres kam hinzu, dass durch die Lockerungen nach einem
sechsmonatigen Lockdown Möglichkeiten wie Restaurantbesuche sowie Reisen
wieder genutzt wurden – und deshalb weniger eingekauft wurde.“
Da mag was dran sein. Es könnte aber auch daran gelegen haben, dass das
Sortiment der Sirplus-Läden nicht gerade zum Großeinkauf verführte. Viele
„gerettete“ Dinge waren in ihrem früheren Leben offensichtlich Ladenhüter…
Schokoladentafeln mit bitteren Lakritzsplittern, na ja. Oder es handelte
sich um vegane Nischenprodukte, die man sich zum gewöhnlichen Preis wohl
nie geleistet hätte und die nur durch die Ausweisung des gewährten Rabatts
„günstig“ erschienen. Obst und Gemüse wiederum waren angesichts ihres
mäßigen Frischegrads auch nicht wirklich billig.
## Supercoole Weltretter?
Vielleicht würde man gar nicht so süffisant über einen Business-Fail
berichten, versuchten Fellmer und Co. nicht immer, sich nicht nur als
Lebensmittel-, sondern gleich als supercoole Weltretter darzustellen. Was
ihnen vor zwei Jahren auf die Füße fiel, als sie mit einem Pitch in der
TV-Show „Höhle der Löwen“ Millionen einsammeln wollten – und von einem
Investor als „obergierige Kapitalisten“ gedisst wurden, die mit
„moralisierendem Schöngerede“ ein Profitmodell als edle Tat verkaufen
wollten.
Glaubt man Fellmer weiterhin, geht nun der weiter bestehende
[2][Sirplus-Onlineshop] durch die Decke. Seit dem ersten Lockdown habe sich
dessen Umsatz mehr als vervierfacht, erfährt man – aber nicht, wie hoch er
damals war. Ein paar wohlklingende Jobs hat das Restunternehmen schon:
Neben CEO Fellmer gibt es nun einen CRO (Chief Revenue Officer), einen COO
(Chief Operating Officer) und einen CTO (Chief Technical Officer). Da kann
ja nichts mehr schiefgehen.
8 Sep 2021
## LINKS
[1] http://xn--Essen%20im%20groen%20Stil%20retten-wdc4405t4a
[2] https://sirplus.de/
## AUTOREN
Claudius Prößer
## TAGS
Lebensmittelverschwendung
Lebensmittelrettung
Start-ups
S-Bahn Berlin
Lebensmittel
Foodsharing
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Fellmer.
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