# taz.de -- Chinas Drohgebärden gegen Taiwan: Heute Kabul, morgen Taipeh? | |
> Peking hofft, dass der US-Abzug aus Afghanistan der „abtrünnigen Provinz“ | |
> Taiwan Angst einflößt. In Taipeh reagiert man gelassen. | |
Bild: Auftritt einer Militärband anlässlich des 100. Geburtstages der KP im J… | |
PEKING taz | Chinas Propagandamedien hatten ihre sichtliche Freude am | |
Straucheln der US-Amerikaner. Vor allem versuchten sie nach dem Abzug des | |
US-Militärs aus Kabul krampfhaft, eine Parallele zu einem weiteren | |
Bündnispartner Washingtons zu ziehen: „Heute Afghanistan, morgen Taiwan?“, | |
lautete die Überschrift eines [1][Artikels der nationalistischen Global | |
Times]. Und darin stellte der Autor die rhetorische Frage, ob die jüngsten | |
Ereignisse in Afghanistan „ein Omen für das zukünftige Schicksal“ des | |
Inselstaates Taiwan seien. | |
Der Vergleich der Staatspresse hinkt natürlich, zu wenig lässt sich die | |
Situation eines krisengeschüttelten „failed state“ mit einer wirtschaftlich | |
hocherfolgreichen Demokratie vergleichen. Und doch stellt sich für die | |
Regierung in Taipeh immer dringlicher die Frage, wie sie mit den | |
jahrzehntealten Schreckensdrohungen aus China umgehen sollen. Denn unter Xi | |
Jinping wird das Szenario einer militärischen Zwangsvereinigung zunehmend | |
real. | |
Am Dienstag hat die chinesische Volksarmee erneut vor der Küste Taiwans | |
Militärübungen abgehalten. Dabei wurden unter anderem Kriegsschiffe und | |
Kampfflugzeuge entsandt. Das Verteidigungsministerium in Taipei reagierte | |
gelassen mit einer Routine-Stellungnahme: Man habe die Situation | |
„vollständig im Griff“ und sei „auf verschiedene Antworten vorbereitet�… | |
Und tatsächlich sind die ständigen Militärprovokationen des großen Nachbarn | |
für die 23 Millionen Taiwaner mittlerweile längst nur mehr lästige | |
Störgeräusche, die seit Jahrzehnten zur Normalität gehören. | |
## Mehr Militärmanöver | |
Doch jene Abgestumpftheit könnte sich als trügerisch herausstellen. Denn | |
unter Xi Jinping haben sich nicht nur die rhetorischen Drohungen verschärft | |
und [2][die Militärmanöver gehäuft]. Der 68-Jährige scheint fest | |
entschlossen, seinen Traum von der „nationalen Wiederbelebung“ Chinas in | |
die Tat umzusetzen. Und dazu gehört als wesentlicher Eckpfeiler die | |
Eingliederung der „abtrünnigen Provinz“ Taiwan. | |
Wer sich mit westlichen Diplomaten in Peking unterhält, hört oft die | |
Einschätzung, dass Xis rasantes Tempo vor allem dem Umstand geschuldet ist, | |
dass er seine Vision noch zu Lebzeiten erreichen möchte. Für Taiwan also | |
dürfte der Zeithorizont bis etwa 2035 entscheidend sein. | |
Taiwans Premier Su Tseng-chang gab sich am Dienstag demonstrativ | |
kampfbereit, als er von einem Journalisten auf die Aufgabe der afghanischen | |
Regierung angesprochen wurde. „Wir haben weder Angst, getötet, noch | |
inhaftiert zu werden“, sagte Su: „Wir müssen dieses Land beschützen.“ E… | |
Beispiel für die Einigkeit der Bevölkerung sei nicht zuletzt der | |
erfolgreiche Kampf gegen die Pandemie. | |
Wer sich mit den Bewohnern der Insel unterhält, wird praktisch niemanden | |
mehr finden, der sich eine Angliederung an Festlandchina wünscht. Das | |
Misstrauen gegen Peking ist zwar unterschiedlich schattiert, jedoch | |
spätestens seit der Niederschlagung der Hongkonger Opposition | |
flächendeckend verbreitet. | |
## Hoffnung auf Kompromiss | |
Die Konservativen und Senioren wünschen sich trotz allem ein harmonisches | |
Verhältnis und haben Hoffnung auf einen Kompromiss mit China. Die Jüngeren | |
hingegen identifizieren sich zu großen Teilen nicht mehr als Chinesen und | |
sehen den großen Nachbarn schlicht als Ausland. | |
Doch China nutzt seine Macht zunehmend, um Taiwan international keinen | |
Zentimeter Anerkennung zukommen zu lassen. Erst kürzlich hatten die USA dem | |
Inselstaat eine größere Waffenlieferung genehmigt und [3][mit Litauen | |
vereinbart, jeweils gegenseitig diplomatische Vertretungsbüros | |
einzurichten]. | |
Beide Maßnahmen erregten die Wut Chinas: Peking verwies letztlich Litauens | |
Botschafter des Landes. Doch die chinesischen Parteikader reagieren auch | |
auf scheinbare Lappalien ebenso harsch: Etwa, wenn Flugzeugfirmen für ihre | |
Routen die Bezeichnung „Taiwan“ verwenden (anstatt „Chinesisch Taipeh“). | |
Jenen Kompromiss, den sich einige ältere Taiwaner wünschen, wird China | |
unter Xi Jinping niemals eingehen. | |
19 Aug 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://www.globaltimes.cn/page/202108/1231635.shtml | |
[2] /Chinesische-Jets-in-Taiwans-Luftraum/!5743134 | |
[3] /Diplomatischer-Streit-eskaliert/!5788284 | |
## AUTOREN | |
Fabian Kretschmer | |
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