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# taz.de -- Rückkehr der Taliban nach Kabul: Deutsche Botschaft geschlossen
> Noch hoffen Zehntausende afghanische Helfer auf Rettung durch die
> Bundesregierung. Doch die reagiert zu spät, kritisiert die Opposition.
Bild: Auf dem Weg nach Kabul: Airbus der Luftwaffe auf dem Stützpunkt Wunstorf
Berlin taz | Die Reise- und Sicherheitshinweise, die das Auswärtige Amt am
Sonntagmittag verschickt hat, kleiden das Fiasko in wenige dürre Sätze.
„Vor Reisen nach Afghanistan wird gewarnt. Deutsche Staatsangehörige werden
aufgefordert, Afghanistan zu verlassen. Die Sicherheitslage hat sich
drastisch verschlechtert. Die deutsche Botschaft Kabul ist seit 15. August
2021 geschlossen.“
Das Botschaftspersonal ist jetzt erst mal zum militärischen Teil des
Kabuler Flughafens verlegt worden. Er habe für Sonntagnachmittag den
Krisenstab der Bundesregierung einberufen, „um Sofortmaßnahmen zur
Sicherung und zur Ausreise deutscher Bediensteter und weiterer gefährdeter
Personen aus Afghanistan auf den Weg zu bringen“, [1][teilte Außenminister
Heiko Maas (SPD) via Twitter] mit.
Omid Nouripour ist aufgebracht. „Es ist einfach nicht erträglich“, sagt der
außenpolitische Sprecher der grünen Bundestagsfraktion. „Ich fürchte, es
ist für ganz viele Leute zu spät.“ Die Taliban hätten zwar zugesagt, dass
Ausländer:innen das Land verlassen könnten. Aber was mit den
Afghan:innen ist, die für ausländische Institutionen gearbeitet haben,
dazu hätten sie sich bislang nicht geäußert. „Ich befürchte, dass die
Taliban sie nicht mehr rauslassen werden“, sagt Nouripour der taz.
Dann könnten nur noch jene mit Rettung rechnen, die sich bereits auf dem
von US-Soldat:innen gesicherten Kabuler Flughafen befänden. Der Rest habe
Pech gehabt. Und dabei gehe es um Zehntausende.
## Keine Evaluation, keine Exit-Strategie
Allein die GIZ, die staatliche Gesellschaft für Internationale
Zusammenarbeit, habe noch eine vierstellige Zahl von Ortskräften im Land.
„Wenn nun afghanische Menschen sterben müssen, weil sie deutschen Behörden
und Organisationen geholfen haben, dann trägt diese Bundesregierung dafür
die Verantwortung“, empört sich der Grüne.
„Wir haben jahrelang von der Bundesregierung eine Exit-Strategie und eine
Evaluation des Afghanistaneinsatzes der Bundeswehr gefordert“, pflichtet
ihm die verteidigungspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Marie-Agnes
Strack-Zimmermann, bei. Doch das sei nie geschehen. „Stattdessen müssen wir
jetzt bei den dramatischen Entwicklungen zusehen, während die
Bundesregierung auch noch die Menschen im Stich lässt, die uns jahrelang
geholfen haben“, so Strack-Zimmermann zur taz. „Wir müssen nun endlich
diesen Ortskräften helfen und dazu unsere Leute evakuieren.“
Den für den 31. August geplanten Großen Zapfenstreich vor dem Reichstag zur
Würdigung des deutschen Afghanistaneinsatzes hat Verteidigungsministerin
Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) jetzt erst mal bis auf Weiteres
verschoben.
Das gilt auch für den Abschlussappell, der am selben Tag im Bendlerblock
hatte stattfinden sollen. Ebenso sagte die Ministerin eine für den 25.
August in Berlin geplante Veranstaltung ab, auf der der fast 20-jährige
Afghanistankrieg hatte bilanziert werden sollen.
## Seehofer: Bündnistreue wichtiger als Stabilität
„Für eine sachgerechte Bilanzierung und eine Würdigung ist vor dem
Hintergrund der Entwicklungen in Afghanistan jetzt nicht der richtige
Zeitpunkt“, teilte Kramp-Karrenbauer mit. „Es hat jetzt absolute Priorität,
dass wir die zu Schützenden sicher nach Deutschland bringen.“ Eine späte
Erkenntnis.
„Das Ganze ist an Unverantwortlichkeit nicht zu übertreffen“, kritisiert
die Linkspartei-Vorsitzende Janine Wissler. „Die Bundesregierung hat trotz
zahlreicher Warnungen viel zu lange gewartet, um Menschen auszufliegen.“ Es
sei völlig unverständlich, warum die Ausreise für die unterstützenden
Kräfte vor Ort nicht viel früher organisiert worden sei. „Man hat sie beim
Abzug im Stich gelassen“, konstatiert Wissler gegenüber der taz. „Das
Verhalten der Bundesregierung ist schäbig.“
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) bezeichnete den Einsatz der
Bundeswehr am Hindukusch als gescheitert. „Das große Ziel war es, die
Lebensbedingungen für die Menschen zu verbessern und Stabilität ins Land zu
bringen“, [2][sagte er der Augsburger Allgemeinen]. „Heute muss man leider
festhalten: Das ist gescheitert.“
Gleichwohl rechtfertige Seehofer die deutsche Beteiligung am
Afghanistankrieg der USA. „Die Motivation für den Einsatz in Afghanistan
war damals berechtigt“, sagte er. Einer der wichtigsten Gründe sei „die
Bündnistreue gegenüber den Amerikanern“ gewesen. Nun sei damit zu rechnen,
„dass sich Menschen in Bewegung setzen, auch in Richtung Europa“. Das sei
„keine Angstmache, sondern eine realistische Beschreibung der Situation“.
15 Aug 2021
## LINKS
[1] https://twitter.com/HeikoMaas/status/1426885597512314885?s=20
[2] https://www.augsburger-allgemeine.de/politik/Afghanistan-Innenminister-Seeh…
## AUTOREN
Pascal Beucker
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