| # taz.de -- Posthumes Album von Prince: Marginalien des Prince-Universums | |
| > Aus dem Nachlass: „Welcome 2 America“, das dritte nach dem Tod | |
| > veröffentlichte Album des Superstars knallt, enthält aber auch einige | |
| > Lückenfüller. | |
| Bild: Prince 2010 im Apollo-Theater in New York – fünf Jahre nach seinem Tod… | |
| Über kaum einen Nachlass wird in der Popwelt so viel spekuliert wie über | |
| den von Prince. Dies ist wenig verwunderlich, denn der 2016 gestorbene, | |
| ultraproduktive US-Multiinstrumentalist mit dem frivolen Falsett war eine | |
| der prägenden Künstler des späten 20. Jahrhunderts. In seinem Tresor lagern | |
| zahlreiche unveröffentlichte Aufnahmen, die inzwischen von den beiden | |
| US-Musikmanagern Troy Carter und Michael Howe („The Prince Estate“) | |
| verwaltet werden, gemeinsam mit den Erben. | |
| Auch „Welcome 2 America“ befand sich im sagenumwobenen „Prince Vault“, … | |
| ist vor wenigen Tagen als drittes posthumes Prince-Album erschienen. Es ist | |
| das erste Werk aus seinem Nachlass, das er selbst als Album konzipiert | |
| hatte: Im Jahr 2010 ging Prince auf „Welcome 2“-Tour und hatte alle Stücke | |
| für das dazugehörige Album bereits fertiggestellt, doch es erschien nie. | |
| Nun, da es in der Welt ist, kann man sagen: Die Pop- und | |
| Prince-Geschichtsschreibung verändert die Musk nicht, dazu bewegen sich die | |
| Songs zu sehr innerhalb der gewohnten Umlaufbahnen des Meisters aus | |
| Minneapolis. Aber erstaunlich weitsichtig, bemerkenswert gegenwärtig klingt | |
| es dennoch an vielen Stellen. | |
| Vor allem das einleitende Titelstück knallt textlich und musikalisch. Dafür | |
| sorgen der eingängige, funkige Bass-Einstieg, die etwas klebrigen | |
| Synthesizer-Klänge, Wah-Wah-Effekte einer Gitarre und die souligen Chöre | |
| seiner Sängerinnen Shelby J., Elisa Fiorillo und Liv Warfield – der Sound | |
| knüpft nahtlos an die alte Prince-Magie an. | |
| Land of the free | |
| Der Text erzählt ironisierend vom amerikanischen Traum und vom moralischen | |
| Verfall der USA. „Land of the free, home of the brave / Oops, I mean / Land | |
| of the free, home of the slave […] America can provide many opportunities / | |
| For the young female who wishes to work (for the state) / For her own | |
| advancement up from the underclass to become one“. Rassismus und Klassismus | |
| in den USA, Postkolonialismus, Feminismus, auch die Implikationen der | |
| Smartphone-Ära: All das, was den Mainstream-Pop der Zehnerjahre | |
| beschäftigen wird, ist in diesen Zeilen angelegt. | |
| Wie wenig die alten Wunden geheilt sind, zeigt auch „Running Game (Son of a | |
| Slave Master)“. In dem Song, stilistisch zwischen R&B, Soul und HipHop | |
| angesiedelt, spielt Prince mit der Mehrfachbedeutung des Begriffs „Running | |
| Games“, was so viel heißen kann wie jemanden betrügen oder jemanden nur für | |
| Sex benutzen. | |
| Prince und seine (schwarze) Duett-Partnerin Shelby J. singen: „Son of slave | |
| master / Keepin’ it goin’ / Goin’, goin’, goin’“ Beide erzählen al… | |
| wie die gegenwärtige US-Gesellschaft immer noch von der Geschichte der | |
| Sklaverei geprägt ist, wie Schwarze oftmals weiterhin als Menschen zweiter | |
| Klasse betrachtet und ausgenutzt werden. | |
| Es finden sich zweifelsohne weitere schöne Stücke auf diesem Album, etwa | |
| das soulige „Born 2 Die“ und die Ballade „When She Comes“, in der auch | |
| erstmals seine hohe Kopfstimme zur Geltung kommt, mit der Prince bereits | |
| die Achtziger mit Zuckerguss überschüttete. | |
| Aus dem Giftschrank | |
| Doch „Welcome 2 America“ enthält eben darüber hinaus auch Songs, die man | |
| glatt als Lückenfüller bezeichnen kann. „Hot Summer“ klingt eher, als sei | |
| es aus dem Giftschrank von Bryan Adams als aus dem Tresor von Prince. | |
| Auch die balladeske Coverversion des Soul-Asylum-Songs „Stand up and B | |
| Strong“ wirkt recht überflüssig, und dann sind da auch noch Stücke, die so | |
| uninspiriert ausfallen, dass sie die HörerInnen völlig unberührt lassen. | |
| Dazu zählt der Crossoversong „Check The Record“. | |
| Für Fans des Signatursounds, den Prince in den frühen 1980ern entwickelte, | |
| dürften auf „Welcome 2 America“ die positiven Seiten überwiegen. Wer aber | |
| neue Facetten des flamboyanten Popstars entdecken will, dem seien eher die | |
| posthumen Alben „Piano & A Microphone 1983“ (2018) und „Originals“ (201… | |
| nahegelegt. Darauf sind teils sehr überraschende Versionen seiner großen | |
| Hits zu hören. | |
| 9 Aug 2021 | |
| ## AUTOREN | |
| Jens Uthoff | |
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