# taz.de -- Anschlag auf queeres Zentrum in Bremen: Feinde des Regenbogens | |
> Unbekannte haben das Gebäude des Bremer „Rat & Tat-Zentrum für queeres | |
> Leben“ mit Säure attackiert. Drinnen tagte währenddessen eine | |
> Arbeitsgruppe. | |
Bild: Das Bremer Rat & Tat-Zentrum am Tag nach dem Anschlag | |
BREMEN taz | Säure vor der Tür, gereizte Augen, Kopfschmerzen. Am | |
Montagabend ist das [1][Rat & Tat-Zentrum für queeres Leben e.V.] erneut | |
Ziel eines Angriffs geworden. Der Verein ist eine Beratungs- und | |
Anlaufstelle für Fragen zur sexuellen und geschlechtlichen Orientierung und | |
-Identität. Bei einer Sitzung am Montag gegen 21.30 Uhr bemerkten Anwesende | |
in den Räumen des Vereins in der Theodor-Körner-Straße plötzlich beißenden | |
Gestank, fanden schließlich Flecken der Säure – vermutlich Buttersäure – | |
auf der Eingangstreppe und alarmierten die Polizei. | |
Der Staatsschutz Bremen prüft derzeit einen homophoben Hintergrund. Zum | |
Zeitpunkt des Angriffs tagte im Rat & Tat-Zentrum der Bremer Verein | |
Queeraspora, eine Gruppe, die sich für die Rechte von queeren Menschen mit | |
Migrationsgeschichte einsetzt. Zur Frage, ob auch ein rassistischer | |
Hintergrund geprüft wird, konnte die Pressestelle der Polizei bisher keine | |
Aussagen machen und verweist auf die laufenden Ermittlungen. | |
Der Angriff reiht sich ein in eine Reihe von Angriffen. Rat & | |
Tat-Vorstandsmitglied Reiner Neumann spricht von rund 20 Fällen in den | |
letzten sechs Jahren. Erst in der Nacht zum 18. Juli wurde ein Schutz aus | |
Plexiglas zerstört. Immer wieder gibt es Angriffe auf das Beratungszentrum: | |
Buttersäure, verdorbener Fisch oder eine Ladung Hühnerfedern, berichtet | |
Neumann, der seit 32 Jahren im Verein aktiv ist. In den Anfangsjahren | |
gingen die Angriffe bis hin zu Morddrohungen und seien vor allem politisch | |
rechts motiviert gewesen. In den letzten Jahre seien jedoch nie | |
Täter:innen gefasst worden. | |
Veränderungen oder Einschränkungen im Vereinsbetrieb soll es aus guten | |
Gründen nicht geben. „Wir kümmern uns natürlich mit den Berater:innen | |
vor Ort um die Betroffenen, aber wir lassen uns von so was nicht | |
einschüchtern“, so Neumann. „Wir haben die gleichen Rechte wie alle | |
anderen.“ | |
Maßnahmen wie Überwachungskameras vor dem Gebäude sind laut Neumann „eine | |
sensible Geschichte“, auf die bisher bewusst verzichtet wurde, um | |
Ratsuchende zu schützen. „Menschen, die in ihrer sexuellen Identität noch | |
unsicher sind, oder Angst davor haben, geoutet zu werden, schreckt das ab.“ | |
Die Nachbarschaft des Rat & Tat sei überwiegend solidarisch, dennoch stehe | |
vor allem ein Nachbar dem Verein feindselig gegenüber – ob dieser etwas mit | |
den Angriffen zu tun hat, ist jedoch unklar. | |
Solidaritätsbekundungen seien wichtig, verhindern jedoch keine Attacken. | |
„Wenn auf solche Angriffe nicht klare Konsequenzen folgen, wird da nie | |
etwas passieren“, sagt Ali Naki Tutar, Berater und Angestellter des Rat & | |
Tat, der auch am Montag vor Ort war. Er fordert ein Schutzprogramm von | |
Behördenseite. „Die Behörde muss Unterstützung anbieten – ohne | |
Bedingungen“, sagt Tutar. Auch die Präventionsarbeit müsse viel stärker | |
priorisiert werden. | |
Reiner Neumann sieht in der Präventionsarbeit ebenfalls einen Weg, Hass und | |
Angriffe in Zukunft einzudämmen. Bis Anfang 2020 waren auch | |
Schulaufklärungen Teil der Arbeit des Rat & Tat-Zentrums. „Es geht vor | |
allem um den Versuch, Akzeptanz für vielfältige Lebensweisen zu schaffen“, | |
sagt Neumann. Diese Antidiskriminierungsarbeit laufe jedoch oft über | |
Projektmittel und ist seit mittlerweile anderthalb Jahren unterbrochen, | |
weil es keine Fördergelder mehr gibt. „Wir kämpfen dafür, dass endlich eine | |
Stelle geschaffen wird, damit wir auf einer festen Basis arbeiten können“, | |
so Neumann. | |
„Wir müssen ein Klima schaffen, in dem solche Angriffe stärker verurteilt | |
werden“, sagt Maja Tegeler, queerpolitische Sprecherin der Linksfraktion. | |
Sie kritisiert, dass Angriffe wie jener am Montag oft nur bestimmte Kreise | |
erreiche und sich ein Großteil der Stadtgesellschaft dazu nicht verhalte. | |
Tegeler fordert die Aufstockung der Stelle des LSBTI-Beauftragten bei der | |
Polizei. Bisher gibt es dafür nur eine halbe Stelle. „Das muss im Umfang | |
einer vollen Stelle sein.“ Außerdem müsse es auch bei der Polizei | |
Bremerhaven eine:n LSBTI-Beauftragte:n geben, so Tegeler. | |
25 Aug 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://www.ratundtat-bremen.de/ | |
## AUTOREN | |
Teresa Wolny | |
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