| # taz.de -- Wirtschaftslage in Afghanistan: Gold, Uran – und Instabilität | |
| > Wie soll die Wirtschaft Afghanistans unter den Taliban funktionieren? Das | |
| > Land ist zwar reich an Rohstoffen – dafür mangelt es an anderen Dingen. | |
| Bild: Roh-Opium wird aus Mohn gewonnen: Bauer in der afghanischen Provinz Nanga… | |
| Berlin taz | Eine Aufstellung der Bodenschätze Afghanistans liest sich wie | |
| die Wunschliste einer modernen Wirtschaftsmacht. Neben kostbaren | |
| Industriemetallen gibt es dort auch Uran, Öl, Kohle und Gas, sogar Gold. | |
| Bisher ist jedoch nur ein kleiner Teil der Vorkommen erschlossen. Werden | |
| diese Ressourcen nun mit Chinas Hilfe zur Geldquelle der Taliban? Oder | |
| bleibt es bei der alten Wirtschaftsstruktur, die auf dem Export von | |
| Agrarprodukten beruht? | |
| [1][Die Taliban organisieren nach ihrer Machtübernahme nun auch die | |
| Wirtschaft] in ihrem Sinne neu. Sie müssen dabei aber ohne die wichtigste | |
| Geldquelle der alten Regierung auskommen: die Hilfsgelder aus dem Westen – | |
| etwa ein Fünftel des Bruttoinlandsproduktes. Wichtige Geldgeber haben | |
| vorerst jegliche Unterstützung eingestellt. Weitere Nachteile der Taliban: | |
| In ihren Reihen finden sich kaum erfahrene Wirtschaftsmanager. Zudem werden | |
| auch sie Grundprobleme des Landes wie Korruption und Unzuverlässigkeit | |
| nicht ohne Weiteres abstellen können. | |
| Unter dem ersten Emirat der afghanischen Taliban von 1996 bis 2001 war die | |
| Wirtschaftsleistung bereits von niedrigem Niveau aus kontinuierlich | |
| gesunken. Die Flucht gut ausgebildeter Afghanen ins Ausland und | |
| internationale Sanktionen waren ein Grund für den Niedergang. Ein weiterer | |
| die Prioritäten der Taliban, denen religiöse Ziele wichtiger als | |
| Entwicklung waren. Ein Bericht der Weltbank nannte das, was die | |
| einrückenden westlichen Truppen vorfanden, eine „Opium-Drogen-Wirtschaft“. | |
| Afghanistan hatte 2004 gleich zwei Negativrekorde erreicht: Es war nach | |
| Pro-Kopf-Einkommen auf den weltweit drittletzten Platz abgerutscht. Und es | |
| war Weltmarktführer beim Export des Grundstoffs für Heroin. | |
| Jetzt droht eine Rückkehr zu diesem Muster. In den vergangenen 20 Jahren | |
| hat sich die Wirtschaft zwar stabilisiert, der Wohlstand zugenommen. Doch | |
| das lag zu einem guten Teil am Geld der westlichen Mächte. Dazu kamen noch | |
| die Ausgaben von Mitarbeitern der Armeen und Nichtregierungsorganisationen. | |
| Sie schufen Nachfrage nach Waren und brachten Devisen ins Land. All das | |
| fehlt jetzt. Eine florierende Industrie oder gar einen Techniksektor hat | |
| Afghanistan nicht. | |
| ## China ist interessiert | |
| Auf der Habenseite gelten die [2][heutigen Taliban jedoch als pragmatisch]. | |
| Und sie können möglicherweise mit einem technisch und finanziell starken | |
| Partner zusammenarbeiten: China. Nur wenige Stunden, nachdem die Taliban | |
| Kabul überrannt hatten, kündigte eine Sprecherin des Außenministeriums in | |
| Peking „freundschaftliche Kooperation“ mit den neuen Herren an. Zuvor hatte | |
| Chinas Außenminister bereits eine Delegation der Taliban in Peking | |
| empfangen. | |
| Die potenzielle Bedeutung der Bodenschätze des Landes ist gewaltig. Der | |
| afghanische Topdiplomat Ahmad Shah Katawazai bezifferte ihren möglichen | |
| Wert auf über 1.000 Milliarden Dollar. Lithium soll es geben, der | |
| Grundstoff für Auto- und Handybatterien. Afghanistan hat auch Vorkommen an | |
| Seltenen Erden, Metalle, die für Elektromobilität und Mobilfunk wichtig | |
| sind. Außerdem gibt es Kupfervorkommen. Dessen Preis als Material für | |
| Drähte und andere elektrische Leiter ist zuletzt immens gestiegen. | |
| ## Expertin: Harte Nuss auch für China | |
| Europäische Experten sind jedoch skeptisch. „Im Gesamtbild ist es | |
| unwahrscheinlich, dass China in absehbarer Zeit hohe Investitionen in | |
| Afghanistan tätigt“, sagt Francesca Ghiretti, Expertin für | |
| Wirtschaftsbeziehungen in Zentralasien bei dem Berliner Forschungsinstitut | |
| Merics. Peking halte sich zwar alle Optionen offen. Doch die Vorbedingungen | |
| für die Erschließung der Bodenschätze ist Stabilität, und die könnten die | |
| Taliban derzeit kaum bieten. | |
| „Chinesische Investoren zeigen sich ohnehin zuletzt weniger risikobereit“, | |
| beobachtet Ghiretti. Afghanistan mit seinen rivalisierenden Gruppen, den | |
| Anschlägen von Terroristen und der Korruption sei auch für die sehr | |
| abgebrühten chinesischen Bergbaufirmen eine harte Nuss. | |
| Ein Beispiel für die Probleme sind die Kupfervorkommen in Mes Aynak. Zwei | |
| chinesische Staatsbetriebe hatten hier 2008 eine Lizenz zum Abbau des | |
| kostbaren Metalls erhalten. Die Mine in Afghanistan könnte die zweitgrößte | |
| ihrer Art weltweit sein. Doch bis heute wurde an dem Standort südöstlich | |
| von Kabul nichts gefördert. Zwischen den chinesischen Akteuren und der | |
| Regierung in Kabul kam es zu einem langen Vertragsstreit um die | |
| Verarbeitung des Kupfers. | |
| Außerdem flossen erste Investitionen und Entschädigungen für Anwohner | |
| offenbar in dunkle Kanäle. Die Investoren haben inzwischen entnervt | |
| aufgegeben. Das verheißt nichts Gutes für andere mögliche Projekte. | |
| Raffaello Pantucci von der S. Rajaratnam School of International Studies in | |
| Singapur nennt chinesische Investitionen in Afghanistan derzeit daher | |
| „einen Mythos“. | |
| Das Land bleibt daher wohl auch unter den Taliban eine vormoderne Ökonomie | |
| mit Fokus auf Landwirtschaft. Die größten legalen Exportgüter sind Rosinen, | |
| Walnüsse, Mandeln, Feigen, Pinienkerne und getrocknete Aprikosen, die vor | |
| allem nach Indien und China geliefert werden. Deutschland hat solche | |
| Produkte zuletzt nur im Wert von rund 80.000 Euro im Jahr eingeführt. | |
| Insgesamt belief sich der bilaterale Handel auf gerade mal 70 Millionen | |
| Euro. | |
| 24 Aug 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Finn Mayer-Kuckuk | |
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