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# taz.de -- Urlaub im Van: Camping mit und ohne Currywurst
> Von der Schwierigkeit, rückwärts mit einem Campingwagen einzuparken und
> veganen Burgern. Urlaub in Deutschland.
Bild: So ein Gefährt ist im Vergleich zu einem Fahrrad oder einem Car2Go nicht…
Die Minderjährige, die zu meiner Infektionsgemeinschaft gehört, hält mich
für eine schlechte Autofahrerin. Sie hatte schon Bedenken, als wir das
Wohnmobil von der Vermieterin abholten. Kaum waren wir losgefahren – ohne
Schwierigkeiten, wie ich betonen möchte –, da rief sie schon ihren Onkel
an, um kundzutun, dass sie mit allem rechne. Natürlich ist so ein Gefährt
im Vergleich zu einem Fahrrad mit zwei Gepäcktaschen oder einem [1][Car2Go]
nicht gerade bequem zu lenken.
Doch ich fand mich erstaunlich zufriedenstellend. Nach einer Weile war ich
von meinen Fahrkünsten schon aus feministischen Gründen so überzeugt wie
[2][Annalena Baerbock] von ihrer Kanzlerinnentauglichkeit. Die
Minderjährige, die zu meiner Infektionsgemeinschaft gehört, hält mich für
eine schlechte Autofahrerin.
Wie ein Profi lenkte ich das große Ding bis zu einem idyllischen
Campingplatz an einem See. Ein von einer Hainbuchenhecke umrandeter
Stellplatz wurde zugewiesen, in den man glücklicherweise vorwärts
hineinfahren konnte. Leider aber reichte die Verlängerungsschnur für den
Stromanschluss nicht.
Die Minderjährige klagte bereits über einen akuten Notfall: nur noch fünf
Prozent Akku! In Erwachsenensprache bedeutet es, dass eine ernste Krise
heraufzieht und die sieben Urlaubstage, die die Minderjährige
freundlicherweise mit mir zu verbringen bereit ist, atmosphärisch stark
gefährdet sind. Zunächst einmal kann eine Powerbank Schlimmeres verhindern.
Nun heißt es – um mit es Annalena Baerbocks Worten auszudrücken –,
vorausschauend zu handeln und nicht immer nur auf Sicht zu fahren.
Ich denke daran, wie [3][Robert Habeck] seine Rolle als Machtmensch Peachum
in einer Schüler*innenaufführung der „Dreigroschenoper“ zu retten
versuchte. Er überzeugte sich einfach selbst, er könne singen, und sang
los. Ich tat es ihm nach. Rückwärts einzuparken kann ja auch bei dieser
Größe nicht so schwer sein.
Ich habe schließlich vor dem journalistischen Einsatz in Kriegsgebieten
Survivalkurse besucht, bei denen man einen großen Jeep einen extrem steilen
Hang aus rutschigem Matsch hinunter bekommen musste – im ersten Gang und
ohne zu bremsen. Jetzt also auch: erster Gang, ohne zu bremsen. Leider. Die
Hecke stellte sich als recht widerstandsfähig heraus. Rückwärts raus aus
der Hecke war noch schlimmer. Ich wäre gern auf Sicht gefahren, aber es
ging ja nicht.
Ich besah mir die fetten Kratzer und eine recht lange Eindellung. Auf diese
Weise habe ich ganz ähnlich wie die grüne Kanzlerkandidatin recht
schmerzhaft lernen müssen, dass die Überzeugung, etwas zu können, nicht
immer ausreicht und etwas mehr Erfahrung schon ganz hilfreich gewesen wäre.
Aber meine eigenen Fehler ärgern mich natürlich selbst am meisten. Ich muss
unbedingt daran denken, in meinem Lebenslauf unter „besondere Kenntnisse“
das „Autofahren cum laude“ zu streichen.
Ich wünsche mir übrigens einen Ottmar von Holtz in meinem Leben. Der Mann
ist grüner Bundestagsabgeordneter aus Hildesheim und behauptete genau dort
diese Woche: Baerbock habe ein so breites Fachwissen, dass, wenn sie erst
einmal Kanzlerin sei, kein Minister und keine Ministerin ihr das Wasser
werde reichen können. Genau mein Humor! Ich würde gern mit diesem Herrn
eine Wanderung durch Biesenthal und das Oderbruch machen, oder auch gern
umgekehrt. Ich bin da flexibel.
Doch nicht alle hatten diese Woche Zeit für lustige Bemerkungen. Ex-Kanzler
[4][Gerhard Schröder] (SPD, auch wenn man das manchmal vergisst) reicht
sein Engagement für den lupenreinen Demokraten Wladimir Putin nicht mehr
aus. Er hat seine Lebensaufgabe ausgeweitet – auf die Rettung der
Currywurst, den „[5][Kraftriegel des Facharbeiters]“.
Die Arbeiterkultur ist dem Untergang geweiht, sollte es nicht gelingen,
denn eine von 30 VW-Kantinen hat auf vegane Currywurst umgestellt. Vegan!
Currywurst! Schröder soll nachts an den VW-Werkstoren gerüttelt und „Ich
will hier rein!“ gerufen haben. Wahrscheinlich wollte er eigenhändig die
Currywurst mit Darm zurück in die Kantine bringen. Ein solches Engagement
gibt es in der heutigen SPD ja gar nicht mehr. Klettert Kanzlerkandidat
Olaf Scholz etwa auf die Barrikaden?
Oder die beiden SPD-Parteivorsitzenden, wie heißen sie noch gleich? Kann
die Currywurst bei VW nicht gerettet werden, so kann ich Schröder
persönlich versichern, dass sie auf jeden Fall auf dem Campingplatz
überleben wird, als Kraftriegel des Wohnwagenbesitzers. Die Nutzer*innen
von Wohnmobilen hingegen scheinen eher dem Grillkäse zugeneigt, wie mein
repräsentatives Spähen über die Hecke ergeben hat.
Die Minderjährige will übrigens auch kein Fleisch mehr essen. Es sei denn,
es kommt in Form eines Burgers daher, der zählt nicht als Fleisch. Ein
Stopp bei McDonald’s ist deshalb unvermeidbar. Leider sehr schwierige
Parkverhältnisse. Beim Zurücksetzen stand ein total unauffälliger Zaun im
Weg. Es war wirklich nicht meine Schuld.
14 Aug 2021
## LINKS
[1] /Mobilitaet/!5133542
[2] /Baerbock-will-ins-Kanzleramt/!5740046
[3] https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/die-gruenen-robert-habeck-…
[4] https://www.spiegel.de/kultur/gerhard-schroeder-und-die-vw-currywurst-willk…
[5] https://www.thebestsocial.media/de/kraftriegel-der-facharbeiter-schroeders-…
## AUTOREN
Silke Mertins
## TAGS
Annalena Baerbock
Kolumne Der rote Faden
Robert Habeck
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Schwerpunkt Coronavirus
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