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# taz.de -- Inklusion bei der Bundestagswahl: Frei, geheim – und etwas gleich…
> Die Bundestagswahl soll in Bremen etwas barrierefreier sein als Wahlen in
> den vorigen Jahren. Doch für Blinde ist dabei noch nicht an alles
> gedacht.
Bild: Wenn die Schablone auf dem Stimmzettel verrutscht, bekommt die falsche Pa…
Bremen taz | Im März, damals, als Impfstoff und -termine noch knapp waren
und einige alles taten für ein bisschen BionTech oder AstraZeneca, da wurde
Wahlhelfer*innen auch eine Impfung jenseits der Prioritätenlisten in
Aussicht gestellt. Ob es nun daran liegt, oder ob ganz allgemein das
Interesse am demokratischen Auswahlprozess gestiegen ist – fest steht, dass
es noch nie so viele freiwillige Wahlhelfer*innen gab, wie in diesem
Jahr.
Erstmals, das erzählt Landeswahlleiter Andreas Cors am Dienstag, sind alle
4.550 Wahlhelfer*innen Freiwillige. Bisher mussten immer auch noch
Mitarbeiter*innen aus dem öffentlichen Dienst herangezogen werden.
Auch in anderen Städten gab es teilweise mehr oder [1][andere Freiwillige
als sonst].
In den Wahllokalen selbst bekommen die Wahlhelfer*innen eventuell
weniger Publikum zu Gesicht als sonst; Es wird damit gerechnet, dass ein
viel höherer Anteil per Briefwahl wählt. Nach Erfahrungen aus Kommunal- und
Landtagswahlen aus anderen Bundesländern während der Pandemie geht das
Landeswahlamt statt von sonst 30 von etwa 60 bis 70 Prozent
Briefwähler*innen aus. Das bedeutet rund 150.000 bis 160.000
Stimmzettel per Post. Einen Antrag auf Briefwahl können [2][Bremer*innen
auch online stellen.]
## Mehr Bremer Wahlbüros barrierefrei
Wer lieber vor Ort wählen will, der kann das: mit Maske und im Zweifel mit
ein bisschen Wartezeit. Der Weg ins Wahlbüro ist sogar ein wenig leichter
als in den letzten Jahren: 97,7 Prozent der Wahllokale in der Stadt Bremen
sind barrierefrei. In der Vergangenheit bewegte sich der Wert jeweils ein
paar Prozentpunkte darunter. „Natürlich“, so verspricht Cors, werden in den
Wahllokalen „auch Hilfen angeboten“ für all jene, die sie benötigen.
Ganz so natürlich ist das gar nicht: Nach der Bürgerschaftswahl 2019 sah
sich das Land einer Klage der blinden Schlagersängerin Corinna May
gegenüber. Sie hatte Ihre Stimme nicht abgeben können, weil die Wahllokale
die nötigen Hilfsmittel nicht vor Ort hatten. Unter anderem fehlte ein
CD-Player zum Abspielen der Audio-CD, auf der die Namen der Parteien und
Abgeordneten vorgelesen werden. Auch die Schablone, mit deren Hilfe das
Kreuz an der richtigen Stelle gemacht werden soll, war nicht überall
vorrätig.
Das Landeswahlamt gelobt Besserung: Alles soll ein bisschen leichter
werden, die Audio-CD ist jetzt in einzelne Kapitel zum Überspringen
eingeteilt. Und erstmals können die Kandidat*innen auch blindengerecht
mit dem Smartphone abgerufen werden. Die Schablone für den Stimmzettel
soll, wie auch bisher, über den Blinden- und Sehbehindertenverband an die
Betroffenen verschickt werden. Zusätzlich sollen sie aber jetzt auch in den
Wahllokalen vorliegen. „Wir werden am Wahltag jedenfalls rumfahren und uns
ein bisschen umschauen, ob das stimmt“, kündigt May an.
## Das Handling der Schablone für Blinde ist nicht ganz einfach
Bis zum Ende gegangen ist das Landeswahlamt den barrierefreien Weg
allerdings nicht. Statt die Schablonen zu nutzen, hätte man die Wahlscheine
auch in Braille-Schrift anlegen können. Martina Reicksmann vom Blinden- und
Sehbehindertenverband weist allerdings darauf hin, dass viele Sehbehinderte
diese gar nicht lesen können.
Die gewählte Lösung hält sie für einigermaßen vernünftig. Auch sie weist
aber auf kleine Macken hin: Eine Zahl soll auf der Schablone in
Braille-Schrift die richtige Linie fürs Kreuz angeben. Doch wer von dort
aus das Loch fürs Kreuz sucht, muss mit dem Finger noch einige Zentimeter
nach rechts wandern – im schlimmsten Fall verrutscht man und landet so bei
der falschen Partei.
„Ich würde eher von oben runterzählen“, empfiehlt deshalb Reicksmann. Das
geht recht leicht für oft gewählte Parteien wie CDU oder Grüne, wird aber
schwieriger, wenn Parteien weiter unten auf der Liste, gewählt werden
sollen.
## Wahlbriefe werden nicht in Braille verschickt
Ein weiteres Versäumnis: Auch in diesem Jahr werden die Wahlbriefe nicht in
Braille versandt. Nicht einmal der Betreff oder die Infonummer, unter der
Betroffene telefonisch weitere Informationen einholen können, ist in der
Punktschrift auf die Briefe eingestanzt. „Behördenpost muss ja auch sonst
gelesen werden“, begründet Evelyn Temme, Leiterin der Geschäftsstelle der
Wahlleiter, den Wahlbrief nur für Sehende. Sicherlich hätten viele Blinde
da bereits eine Lösung für sich gefunden.
Für Mays Ehemann Claus Janz, der sich um ihre Post kümmert, gilt das nicht
als Ausrede: „Mittlerweile schicke ich alle Behördenbriefe, die nicht in
Braille bei uns ankommen, mit einem Vermerk zurück“, sagt er. In Bremen
komme der zweite Brief dann meist auch kurz danach barrierearm in Braille
zurück. Dass das für Wahlbriefe nicht Standard ist, findet May „komplett
unverständlich“.
21 Aug 2021
## LINKS
[1] /Berlin-braucht-Zehntausende-Wahlhelfer/!5781052
[2] https://www.wahlschein.de/IWS/start.do?mb=4011000
## AUTOREN
Lotta Drügemöller
## TAGS
Sehbehinderte
Briefwahl
barrierefrei
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Bremen
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zeitgenössische Kunst
Inklusion
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Briefwahl
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