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# taz.de -- Nachruf auf Bernd Hagenkord: Weltoffener, katholischer Visionär
> Mit nur 52 Jahren ist Bernd Hagenkord gestorben. Für unseren Autor war
> der Jesuit, Journalist und Begleiter des „Synodalen Wegs“ ein Vorbild.
Bild: Bernd Hagenkord am Mikrofon von Vatican News in Rom 2019
Ich weiß nicht mehr genau, wie der Kontakt zustande kam, aber irgendwann
hatte Bernd Hagenkord mich, vielleicht vor zwölf Jahren oder so, in der taz
kontaktiert, er wolle mich einfach mal kennen lernen, und da saßen wir sehr
bald im alten taz-Café, und ich kam aus dem Staunen kaum heraus: Ist das
denn möglich, so ein cooler Typ ist ein Jesuit, ein Geistlicher, ein Mann
der katholischen Kirche in Deutschland?! Freundlich, zugewandt,
intelligent, kritisch, liberal bis links, humorvoll, gebildet (klar – als
Jesuit), tolerant – und zu allem Überfluss auch noch gutaussehend.
Hagenkord personifizierte das Beste und Schönste, was die katholische
Kirche in Deutschland zu bieten hat – eine Weltoffenheit, eine
Intellektualität und eine ökumenische Weite, die sie, [1][neben allen
Skandalen und Verbrechen], die von ihr zu melden sind, eben auch
auszeichnet, in großen Teilen jedenfalls. Er war in gewisser Weise der
Traum der Kirche, die ich gern gesehen hätte, nicht nur hierzulande.
Er hatte ein seltsames Glühen, dieser manchmal recht stille Mann, der Jazz
liebte – was sonst? Geboren 1968 in Hamm, trat Hagenkord mit 24 Jahren in
den Jesuitenorden ein, in den intelligentesten und freiesten Orden der
katholischen Kirche. 2002 wurde er in Köln zum Priester geweiht. Er
studierte Journalismus, Geschichte, Philosophie und Theologie in Gießen,
Hamburg, München und London.
Nach Abschluss seines Theologiestudiums in London 2002 arbeitete er als
Jugendseelsorger im Erzbistum Hamburg. Von 2003 bis 2012 war er in der
Redaktion des „Jesuiten“-Magazins tätig. Aber seine große Zeit war die als
[2][Leiter der deutschsprachigen Abteilung von Radio Vatikan in Rom]. Ich
habe ihn dort erlebt, wie er bei der Familiensynode in Rom schon unter
Papst Franziskus der Journalistenschar deutscher Zunge erklärte, was hier
gerade passierte – und nichts beschönigte.
## Immer das Positive
Überhaupt Franziskus: Hagenkord war anfangs, so schien es, fast euphorisch
darüber, was dieser Papst seit 2013 symbolisierte, nämlich einen Aufbruch
der Weltkirche, [3][eine Erneuerung für und mit den Armen]. Und er war in
Rom hautnah dabei. Dass dieser Aufbruch nun ziemlich verwässert ist – es
hat ihn geschmerzt, aber er sah doch immer das Positive, das auch noch da
ist.
Hagenkord wurde, zurück in Deutschland, geistlicher Begleiter [4][des
Synodalen Weges], mit dem sich die deutsche katholische Kirche seit zwei
Jahren erneuern will. Wenn es denn klappt. Aber auch das machte er
natürlich gut. Hagenkord machte nie einen Hehl daraus, auf wessen Seite er
bei diesem Prozess steht, bei den Reformkräften, und ich glaube, er hoffte
wirklich, Beten werde helfen, dass dies ein gutes Ende nimmt.
Einmal habe ich Bernd Hagenkord gefragt, warum er nun einen kleinen
Rosenkranz wie ein dezentes Schmuckstück am Handgelenk trage. Er sagte, es
helfe ihm, sich zu konzentrieren. Der schwarzhaarige Jesuit hatte eine ganz
eigene Frömmigkeit, die ich bewunderte, weil sie fern von Weltflucht oder
gar reaktionärem Denken war. Ich erinnere mich an seine glühenden Augen,
wenn er von dem sprach, was nun alles in Rom möglich sei – und war
bestürzt, als er eines Tages erzählte, dass er nun schon Monate gegen den
Krebs kämpfe. Auch daraus hat er keine große Sache gemacht.
Hagenkord war ein Jesuit vom Schlage derer, die früher in Lateinamerika
oder in China ganz allein auf sich gestellt Missionen aufgebaut haben, im
Dschungel oder auf Bergspitzen, dabei schnell mal die völlig fremde Sprache
lernend. Dieses fast Heldenhafte und Mutige hatte Hagenkord.
## Ungutes Gefühl
In den letzten rund zwei Jahren postete er auf Facebook immer wieder seine
vielen und sehr guten Fotos seiner Zeit in Rom. Er hätte, das sagte ich ihm
einmal, auch ein guter Fotograf werden können… er stritt das nicht ab,
falsche Bescheidenheit war nicht seine Sache. Alle Fotos waren in
Schwarz-Weiß, und ich hatte immer ein seltsam ungutes Gefühl, wenn ich sie
sah, als ob da jemand gedanklich Abschied nehme. Aber ich verdrängte diesen
Gedanken möglichst.
Nun ist Bernd Hagenkord gestorben, den einen Freund zu nennen ich mich
scheue, da wir uns dafür zwar oft, aber wohl nicht oft genug treffen
konnten. Ich habe für ihn seit Monaten jeden Tag gebetet, als ich hörte,
dass er schwer krank sei – aber es hat nicht geholfen. Bernd Hagenkord
hätte noch so viel Gutes tun können. Was für ein Verlust! Das einzige, was
mir Trost gibt, ist, dass sein Leben ein gutes war. Dass er so viel Gutes
schon hat hier unter uns und für uns tun können. Und dass er nun ruht im
Frieden Gottes.
26 Jul 2021
## LINKS
[1] /Betroffenensprecher-ueber-Missbrauch/!5752329
[2] /Journalist-ueber-Radio-Vatikan/!5107087
[3] /Katastrophenberichterstattung-Sandy/!5080606
[4] /Reformbestrebungen-in-der-Kirche/!5657748
## AUTOREN
Philipp Gessler
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