# taz.de -- Margot Käßmann über Anti-Baby-Pille: "Ein Geschenk Gottes" | |
> Popstar Käßmann tourt über den Kirchentag. Vor 2.000 Menschen lobt sie im | |
> katholischen Liebfrauendom die Anti-Baby-Pille als "Geschenk Gottes". Die | |
> Kirchenvertreter haben dafür wenig Verständnis. | |
Bild: Brisanter Auftritt, denn die herrschende katholische Sexualmoral verbiete… | |
MÜNCHEN taz | Die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in | |
Deutschland (EKD), Margot Käßmann, hat beim 2. Ökumenischen Kirchentag | |
davor gewarnt, Geburtenkontrolle und Verhütungsmaßnahmen zu verteufeln. | |
In ihrer Predigt beim ökumenischen Frauengottesdienst in München plädierte | |
sie dafür, Frauen in Entwicklungsländern einen freien Zugang zur | |
Anti-Baby-Pille zu ermöglichen. Diese habe zwar für viele „etwas | |
Anrüchiges“, sagte die evangelische Theologin. „Wir können sie aber auch | |
als Geschenk Gottes sehen.“ | |
Laut Prognosen werde die Weltbevölkerung bis zum Jahr 2050 auf mehr als | |
neun Milliarden Menschen ansteigen. „Welche Frau will denn ein weiteres | |
Kind gebären, wenn sie weiß, dass sie es nicht wird ernähren können?“, | |
fragte Käßmann. Außerdem sterben nach ihren Angaben jedes Jahr 300.000 | |
Frauen an den Folgen von Schwangerschaft und Geburt, davon 99 Prozent in | |
den armen Ländern des Südens. | |
Ihr Gottesdienst vor rund 2.000 Menschen fand ausgerechnet im Münchner | |
Liebfrauendom statt, einem der bekanntesten katholischen Gotteshäuser | |
Deutschlands – insofern brisant, als dass die herrschende katholische | |
Sexualmoral künstliche Verhütungsmittel wie die Pille verbietet. Diese | |
jedoch stehe für Liebe ohne Angst und eine verantwortliche Elternschaft, | |
sagte die vierfache Mutter. | |
Auf dem Kirchentag absolviert Käßmann ihre ersten öffentlichen Auftritte, | |
erst vor drei Monaten hatte sie alle ihre kirchlichen Ämter niedergelegt. | |
Von den Kirchentags-Besuchern wird sie dabei gefeiert wie ein Popstar. Auch | |
ihre Aussage zu Verhütungsmitteln können die meisten von ihnen nur | |
unterstreichen. Schließlich sei die Pille schon seit 50 Jahren in der | |
Gesellschaft verankert. | |
Die Pille aber als „Geschenk Gottes“ und nicht der Wissenschaft zu | |
bezeichnen, stößt dann doch, vor allem bei Vertretern der Kirche, auf | |
Unverständnis. „Die Pille ist eine medizinische Erfindung des Menschen“, | |
sagt Thomas Goppel, Sprecher der ChristSozialen Katholiken. Und: „Frauen, | |
die sie nehmen, müssen das mit ihrem Gewissen vereinbaren können.“ | |
Auch eine ältere Frau in Ordenstracht ärgert sich über Käßmanns Aussage: | |
„Wenn Papst Urban VI. gegen die Pille ist, dann kann sie doch wohl kein | |
Geschenk Gottes sein.“ Schließlich würden sich auch manche emanzipierten | |
Frauen gegen die Pille aussprechen, indem sie kritisierten, dass die Männer | |
das gesundheitliche Risiko der künstlichen Hormone nicht auf sich nehmen | |
müssten. | |
Pater Bernd Hagenkord von Radio Vatikan will den Nutzen der Anti-Baby-Pille | |
nicht schmälern, findet aber die Darstellung von Margot Käßmann „arg | |
verkürzt“. Die Pille stehe auch für eine ständige sexuelle Verfügbarkeit | |
von Frauen, zum Beispiel bei Prostituierten, die er so nicht gutheißen | |
kann. „Trotzdem finde ich es schwierig, mir als Mann da eine Meinung zu | |
erlauben. Letztlich muss das jede Frau für sich entscheiden.“ | |
Auf die Frage, ob die Pille ein Geschenk Gottes sei, kann der | |
Bundesvorsitzende der Grünen Cem Özdemir nur mit den Schultern zucken: „Das | |
weiß ich nicht. Ich habe noch keine Gelegenheit gehabt, ihn direkt danach | |
zu fragen.“ | |
AUTOREN: NADINE LORENZ & EMILIA SMECHOWSKI | |
14 May 2010 | |
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katholisch | |
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