Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Comeback von Margot Käßmann: Popstar, Übermutter, Mängelexemplar
> Margot Käßmann ist wieder da. Auf dem 2. Ökumenischen Kirchentag strömen
> hunderte Besucher zu den Veranstaltungen mit ihr, denn sie sei so
> "erfrischend echt".
Bild: Käßmann spricht von Brüchen im Leben, von menschlichen Fehlern.
MÜNCHEN taz | Nach dem Rausch ist vor dem Rausch: Nach ihrer Alkoholfahrt
im Februar hatte Margot Käßmann noch erklärt, ihre kirchlichen Ämter nicht
mehr mit der nötigen Autorität ausüben zu können. Der Jubel und die
Dankbarkeit, die ihr nun beim Kirchentag überall entgegengebracht werden,
zeugen jedoch von viel mehr als von bloßer Autorität. Was ist an diesem
Jubelrausch anders als bei einem Popkonzert?
Schon bei Käßmanns Buchvorstellung am Mittwochnachmittag wird klar: Diese
Frau ist längst der Popstar der Kirche - jetzt sogar noch mehr als ehedem.
"Genau solche Frauen brauchen wir!", schwärmt eine 70-jährige Besucherin.
"Mutig, konsequent, authentisch - ich bin so dankbar, dass es Frau Käßmann
gibt." Fast beschämt fügt sie hinzu, sie selbst sei zwar katholisch, aber
das sei nicht so entscheidend.
Mit hunderten anderen steht sie selig lächelnd in der Warteschlange für
eine Buchsignatur. Drei Viertel der Wartenden sind Frauen über 50. Es
scheint, als hätten all diese Mütter und Großmütter eine neue Übermutter
gefunden.
Käßmann absolviert auf dem Kirchentag ihre ersten öffentlichen Auftritte
seit ihrem Rücktritt. Unter tosendem Applaus wird sie in übervollen Hallen
empfangen. Vor ihrer Bibelarbeit am Donnerstagmorgen erklärt Eckhard Nagel,
der evangelische Präsident des Ökumenischen Kirchentags, er habe "großen
Respekt vor Margot" und freue sich, dass sie "da, wo sie als Person
eingeladen ist, auch kommt". Und genau so kommt sie: als Person. Ihre
Bibelarbeit hält sie über die Sintflut und die Arche Noah - passender
könnte es nicht sein.
Käßmann spricht von Brüchen im Leben, von menschlichen Fehlern,
Erniedrigungen und Neuanfängen. Dass Menschen ihre Grenzen oft erst
erkennen, wenn sie Naturkatastrophen und Vulkanausbrüche erleben - "oder
eine rote Ampel".
Spätestens bei solchen Worten wird klar, dass sie ihre Ausstrahlung nicht
qua Amt hat wie manch anderer Würdenträger. Sie hat sie durch die Worte,
die sie spricht, und durch die Taten, die sie authentisch machen. Dabei
kennt sie ihre Kritiker sehr gründlich und trotzt ihnen ganz offen. Immer
wieder spricht sie von Afghanistan, liest die Namen von toten deutschen
Soldaten und afghanischen Zivilisten vor, fragt nach der Rolle der Frauen
im Krieg und auf der Arche Noah und sagt dann selbstbewusst: "Man wird
wieder sagen, dass ich naiv bin. Aber lieber bin ich naiv und überzeugt,
als dass ich mich der Waffenlogik beuge."
Dann solle man ihr auch gern wieder vorwerfen, sie könne ja mal versuchen,
sich mit den Taliban bei Kerzenlicht in ein Zelt zu setzen und für den
Weltfrieden zu beten. Das sei vielleicht sogar ganz sinnvoll, jedenfalls
besser als die jetzigen Bombenangriffe.
Nach den Veranstaltungen bilden sich Gruppen von Renterinnen mit feucht
glänzenden Augen, Ehepaare nicken sich zu. Auch Jugendliche sind
beeindruckt. Ein 24-Jähriger erklärt, Käßmann eigne sich "vielleicht sogar
für mich als Vorbild", sie sei so "erfrischend echt". Gerade ihr
Alkoholfehler mache sie so glaubwürdig. Das weiß Käßmann wohl auch selbst:
"Wir sind alle Mängelexemplare", erklärt sie in ihrer Bibelarbeit mit Blick
auf die Menschheit nach der Sintflut. "Haben wir nicht manchmal das Gefühl,
Gott liebt gerade die Gebrochenen ganz besonders?" Die Besucherinnen und
Besucher des Kirchentags lieben die Gebrochene auf jeden Fall mehr denn je.
14 May 2010
## AUTOREN
Margarete Stokowski
## ARTIKEL ZUM THEMA
Margot Käßmann über Anti-Baby-Pille: "Ein Geschenk Gottes"
Popstar Käßmann tourt über den Kirchentag. Vor 2.000 Menschen lobt sie im
katholischen Liebfrauendom die Anti-Baby-Pille als "Geschenk Gottes". Die
Kirchenvertreter haben dafür wenig Verständnis.
Käßmann in München: Die dem Neid standhält
Da wäre selbst Michael Jackson neidisch geworden. Margot Käßmann stand bei
ihrer Buchvorstellung im Blitzlichtgewitter und wurde vom Publikum mit
Blicken gekost, mit viel Applaus gewärmt.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.