# taz.de -- Europäische Monarchen in Regensburg: Kleider, Klunker und ein Krieg | |
> Eine Ausstellung in Regensburg widmet sich dem Schicksal der europäischen | |
> Monarchen zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Vieles bleibt dabei offen. | |
Bild: Das präparierte Weißhaargürteltier gehörte eins Prinzessin Theresa | |
Ein Kleid in Chamois, Seidengaze, Seidentaft und Seidenmusselin, entstanden | |
um 1889/90, einstig getragen von Elisabeth, der Kaiserin von Österreich, | |
auch Sisi genannt. Eine Gedenkvitrine von Prinzregent Luitpold von Bayern, | |
mit Hut und Zigarre, wobei der Adelige es beliebte, Letztere an treue | |
Untertanen zu verschenken. Ein präpariertes [1][Gürteltier] aus Südamerika, | |
früher im Besitz von Prinzessin Theresa, Ende des 19. Jahrhunderts. | |
Prächtig, strahlend und bisweilen überraschend sind die Objekte, die das | |
Haus der Bayerischen Geschichte in seiner Sonderausstellung zu Regensburg | |
präsentiert. „Die letzten Monarchen“ kreist um das Ende regierender | |
Blaublüter und Blaublüterinnen zu Beginn des 20. Jahrhunderts, kulminierend | |
mit dem Ende des Ersten Weltkriegs, der allein in Deutschland 22 Monarchen | |
von ihren Thronen stieß. | |
Regensburg, wiewohl einstmals Freie Reichsstadt, liegt in Bayern und so | |
nimmt es nicht wunder, dass bayerische Regenten in dieser Schau eine ganz | |
besondere Berücksichtigung finden. Wer es noch nicht weiß: Sisi stammte als | |
Herzogin Elisabeth aus Bayern. Aber auch Queen Victoria von England war um | |
einige Ecken mit bayerischen Regenten verwandt, wie überhaupt der | |
europäische Hochadel insgesamt zu Intimitäten untereinander neigte, sodass | |
bald fast jeder mit jedem irgendwie familiäre Beziehungen zu unterhalten | |
hatte. | |
Die Pracht der Monarchien hat damals freilich nicht nur das Gehirn so | |
manchen Untertans vernebelt, sie birgt auch bis heute die Gefahr, dass sie | |
denjenigen, die sich mit dieser untergegangenen Epoche näher beschäftigen, | |
die Sinne über Gebühr betört. Nicht anders ergeht es den Machern der | |
Regensburger Ausstellung mit dem Obertitel „Götterdämmerung II“, wobei die | |
II für die Schau in Erinnerung an König Ludwig II. vor einigen Jahren steht | |
(für weniger Königstreue: Das war der angebliche Märchenkönig, der im | |
Starnberger See ersoffen ist). | |
Panoptikum des Lebens | |
Unbestreitbar ist: Die Objekte in Regenburg sind einer Ausstellung mehr als | |
würdig. Sie zeigen nicht nur die Prachtentfaltung einer abgehobenen Kaste, | |
die damals schon weniger politischen Einfluss hatte, als gemeinhin | |
verbreitet wird, nein, diese Schau aus Kleidern, Gemälden, Fotos, Schreiben | |
und ungewöhnlichen Objekten bis zum Abguss der linken Hand von Kaiserin | |
Elisabeth ergeben ein Panoptikum des Lebens dieser Dynastien auf einem | |
Kontinent, in dem es lange undenkbar schien, dass er nicht von Monarchen | |
beherrscht war. Die Ausstellung widmet sich elf dieser Herrschaften und | |
versucht zugleich zu ergründen, warum es mit dieser Herrlichkeit so | |
plötzlich zu Ende war. | |
Da allerdings kommen beim Betrachter doch so einige Fragen auf. Denn warum | |
diese Frauen und Männer so plötzlich von der Bildfläche verschwanden, warum | |
sie entweder zu Beginn des 20. Jahrhunderts ins Exil gehen mussten oder | |
schon zuvor erstochen (Sisi 1898 in Genf), zu Tode gebombt (Zar Alexander | |
II. 1881 in St. Ptersburg), erschossen (König Karl I. von Portugal 1908) | |
wurden, wird weitgehend ausgespart. | |
Sicher, da waren Anarchisten am Werk, und später rebellierte das Volk gegen | |
Krieg, Steckrübenfraß und den Massentod auf den Schlachtfeldern. | |
Tatsächlich hat der Krieg um 1918 reihenweise das Ende von Monarchien in | |
den Ländern herbeigeführt, die nicht zu den Siegern zählten, seien es | |
Deutschland, Österreich-Ungarn oder Russland. Aber war da nicht noch etwas? | |
Die Ausstellung versucht das Paradox zwischen vorgeblich gottgegebener | |
Herrschaft und der Moderne anhand der neuen Technologien zu erklären, die | |
allenthalben um sich griffen. Automobile, Elektrizität, das Telefon oder | |
das Grammofon revolutionierten tatsächlich das Leben vieler Menschen. Und | |
so thront ein wunderbares Automobil der Firma Benz am Beginn der Schau. | |
Nur die halbe Geschichte | |
Das ist fast so schön anzuschauen wie Sisis Seidenkleider. Nur erklärt das | |
höchstens die halbe Geschichte. Von einer Arbeiterbewegung ist in | |
Regensburg nirgendwo die Rede, da hilft auch ein Kopf von Karl Marx aus | |
DDR-Produktion nicht. Von Ausbeutung in Fabrikhallen, einer neuen Kultur | |
der Solidarität, Migrationsbewegungen, Urbanisierung, dem Ruf nach | |
Demokratie, Streiks und Widerstand gegen die Obrigkeit schon gar nicht. | |
Stattdessen findet sich in der Pressemappe beim Vergleich des Lebens von | |
Kaiserin Elisabeth und ihrer Schwester Helene, die beide Beziehungen zur | |
Donau und Regensburg besaßen, folgender Satz: „Zwei typische | |
Frauenschicksale für die Zeit“. Nein, typisch für die Zeit um 1900 waren | |
Kindbettfieber und früher Tod in irgendeiner Kaschemme am Stadtrand, nicht | |
aber das Leben dieser von Geburt Begünstigten in Wien und Regensburg. | |
Zudem bleibt eine Klärung aus, womit sich die Herrschaften eigentlich den | |
lieben langen Tag beschäftigt haben, abgesehen von Reisen, Banketten und | |
Abendunterhaltungen. Wesen, Sinn (und Unsinn) konstitutioneller Monarchien | |
bleiben ein Geheimnis. | |
Diese Ausstellung versöhnt erst gegen Ende. Etwa, wenn dargestellt wird, | |
mit welchen Problemen der bedauernswerte König Ludwig III. von Bayern zu | |
kämpfen hatte, als er 1918 aufgrund revolutionärer Umtriebe München | |
verlassen musste. Erst fehlten die Fahrer für die Automobile, dann liefen | |
die Wagen nicht, und schließlich stellte sich heraus, dass sich die | |
verräterischen goldenen Kronen an der Kühlerhaube nicht abschrauben ließen, | |
worauf man sich mit übergestülpten Handschuhen von Prinzessin Hildegard | |
behelfen musste. | |
Noch schöner lesen sich da nur noch die geschraubten Rücktrittsschreiben, | |
die bald darauf von den 22 deutschen Monarchen eintrafen, in denen die | |
hohen Herrschaften ihren Thronverzicht mal deutlich, mal verbrämt zu | |
erklären wussten. Den meisten von ihnen wurde danach kein Haar gekrümmt. | |
10 Aug 2021 | |
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## AUTOREN | |
Klaus Hillenbrand | |
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