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# taz.de -- Umgang mit Clankriminalität: Führerscheinentzug soll helfen
> Niedersachsen arbeitet seit Jahren an einer Strategie gegen sogenannte
> Clankriminalität. Die neuste Idee: Luxuskarren und Führerscheine
> einkassieren.
Bild: So sieht Berliner Clankriminalität im Film aus: Szene aus der preisgekr�…
Hannover taz | Nur 0,39 Prozent aller Straftaten seien der Clankriminalität
zuzuordnen, also weniger als ein halbes Prozent. „Aber sie ist medial sehr
präsent“, sagte Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) auf der
Pressekonferenz zur Vorstellung des Lagebildes „Clankriminalität 2020 in
Niedersachsen“.
Damit skizziert er schon ein wesentliches Problem dieses
Kriminalitätsbereiches. [1][Ein weiteres liegt darin, überhaupt sauber zu
definieren, was Clankriminalität ist.] Daran arbeitet Niedersachsen schon
seit fast acht Jahren.
Im vergangenen Jahr präsentierte der Innenminister [2][zum ersten Mal
öffentlich ein Lagebild], in diesem Jahr sitzt auch Justizministerin
Barbara Havliza (CDU) mit am Tisch, um die Bemühungen der seit einem Jahr
bestehenden Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften in Braunschweig, Hildesheim,
Osnabrück und Stade zu präsentieren.
Die aktuelle Definition von Clankriminalität umfasst verschiedene Merkmale:
Da ist von einem „überhöhten familiären Ehrbegriff“ die Rede und von ein…
eigenen Werte- und Normensystem, das über dem Gesetz und über der
Verfassung steht; auch von einem hohen Maß an Gewaltbereitschaft verbunden
mit einem ebenso hohen Mobilisierungspotenzial, das oft auch bei nichtigen
Anlässen eingesetzt wird, die dann im öffentlichen Raum zu Tumultlagen
eskalieren.
Von innerer Abschottung, einer Ablehnung des Rechtsstaates, einer
Parallelgesellschaft und einer Paralleljustiz ist ebenfalls die Rede. Nun
sind dies alles Dinge, die man ohne Weiteres auch Rockergangs unterstellen
könnte.
## Mehr als eine Spielart der Organisierten Kriminalität
Aber natürlich kommt bei den sogenannten Clans ein weiterer Punkt hinzu:
„die durch verwandtschaftliche Beziehungen und eine gemeinsame ethnische
Herkunft verbundene Gruppe“. Damit ist in der Regel allerdings nicht die
russische oder calabresische Mafia gemeint, sondern Großfamilien aus dem
Nahen Osten oder den Balkanstaaten.
An dieser sehr speziellen Ethnisierung des Konfliktes hat es immer wieder
Kritik gegeben. Auf die reagiert Boris Pistorius indirekt, wenn er in der
Pressekonferenz immer wieder versichert, nicht jede Großfamilie sei ein
Clan und kriminell, man nehme nicht einfach nur bestimmte Nachnamen ins
Visier, sondern versuche sehr genau, Taten den Täter zuzuordnen und
Strukturen im Blick zu behalten.
Gleichzeitig betont er, dass es eben nicht bloß um eine spezielle Spielart
der Organisierten Kriminalität gehe. Die effektive Bekämpfung von
Clankriminalität erfordere ein sehr viel früheres und niedrigschwelligeres
Eingreifen.
So gehen viele der Einsätze, die für öffentliches Aufsehen sorgen, weil sie
zu Tumulten und Massenschlägereien auf offener Straße eskalierten, auf
simple Ansprachen wegen Ordnungswidrigkeiten oder Verkehrskontrollen
zurück. Auch die Bedrohungen gegenüber Polizisten, anderen
Staatsbediensteten oder lästigen Nachbarn bewegen sich oft knapp unterhalb
der Schwelle der Strafbarkeit.
Diese öffentlichen Provokationen sind ein wesentlicher Grund für die
Gegenoffensive, das machen die drei Herren und eine Dame auf dem Podium
immer wieder deutlich. „Wer unsere Gesetze ignoriert, muss mit einer
entsprechenden Reaktion rechnen“, sagt Boris Pistorius (SPD).
„Sie wollen den Eindruck erwecken, sie stünden über dem Recht. Das
gefährdet das Vertrauen der rechtschaffenden Bevölkerung in unseren
Rechtsstaat“, sagt Barbara Havliza (CDU). „Bei einigen kriminellen
Clanangehörigen ist es wichtig, Stärke zu demonstrieren und
unmissverständlich aufzuzeigen, wer das Sagen hat“, sagt
Landespolizeipräsident Axel Brockmann.
## Neue Formen der Zusammenarbeit
Für Polizei und Justiz ist das auch deshalb herausfordernd, weil es eine
andere Zusammenschau und Zusammenarbeit erfordert – in einem Rechtssystem,
das eigentlich darauf angelegt ist, sich an einzelnen Taten und einzelnen
Tätern abzuarbeiten. Intensiviert hat man vor allem die Zusammenarbeit mit
den Sozialbehörden, den Ausländerbehörden und dem Zoll.
Eine relativ neue Strategie ist dabei die verstärkte Zusammenarbeit mit
Fahrerlaubnisbehörden. Die Einziehung von Vermögenswerten gilt seit ein
paar Jahren als Königsweg, um Clans empfindlich zu treffen. Dafür werden
eigens geschulte „Financial Intelligence Officer“ eingesetzt.
Dabei fielen den Behörden auch immer wieder Luxuswagen in die Hände, die
als Statussymbol eine wesentliche Rolle spielen. Nun will man verstärkt
dazu übergehen, Führerscheine zu entziehen. Das geht, wenn die
„charakterliche Eignung“ für die Teilnahme am Straßenverkehr nachweislich
nicht gegeben ist. Und möglicherweise löst sich mit dem Ende der
öffentlichen Protzerei und Poserei ja auch ein Teil der „medialen Präsenz“
des Problems auf.
22 Jul 2021
## LINKS
[1] /Sogenannte-Clan-Kriminalitaet/!5710348
[2] /Niedersachsens-Lagebild-Clankriminalitaet/!5689787
## AUTOREN
Nadine Conti
## TAGS
Clans
Niedersachsen
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Boris Pistorius
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Organisierte Kriminalität
Gastronomie
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