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# taz.de -- Wohnpolitik in der Pandemie: In den USA drohen Zwangsräumungen
> Ein Moratorium von Zwangsräumungen und Mieterhöhungen ist ausgelaufen. Es
> diente in der Pandemie dem Schutz der öffentlichen Gesundheit.
Bild: Demonstration gegen Zwangsräumungen in Los Angeles
New York taz | Die pandemiebedingte Rezession in den USA ist längst
offiziell zu Ende und die Wirtschaft brummt wie lange nicht mehr: Im
zweiten Quartal dieses Jahres lag das Wachstum bei 6,5 Prozent. Aber
Millionen Mieter stehen vor der nächsten Katastrophe. Nachdem der
bundesweite Schutz vor Räumung ausgelaufen ist, droht ihnen jetzt die
Obdachlosigkeit. Sie müssen sich auf ein Leben auf der Straße einstellen,
während sich die aggressive Deltavariante des Coronavirus rasant ausbreitet
und für täglich 60.000 neue Infektionen sorgt.
Fast 7 Millionen Menschen in den USA sind seit dem Beginn der Pandemie in
Rückstand bei Mietzahlungen geraten und halten ihre Wohnsituation nach
Einschätzung der Statistikbehörde US Census Bureau für „gefährdet“. Die
Hälfte von ihnen befürchtet, dass sie schon in den nächsten zwei Monaten
geräumt werden.
Die säumigen Zahler sitzen auf einem Berg von Mietschulden in Höhe von
insgesamt 23 Milliarden Dollar. Sollten alle geräumt werden, wären –
zusammen mit Familienangehörigen – mehr als 12 Millionen Menschen
betroffen.
Das Moratorium, das Räumungen und Mieterhöhungen vorübergehend aussetzte,
ist vor elf Monaten von der Gesundheitsbehörde CDC durchgesetzt worden. Die
CDC bezeichnete es als eine Maßnahme zum Schutz der öffentlichen Gesundheit
inmitten der Pandemie.
## Kongress hätte Moratorium verlängern können
Als Resultat gingen die Zwangsräumungen, die in „normalen“ Jahren in den
USA fast 4 Millionen Haushalte treffen, seitdem gen null.
Die CDC-Entscheidung fiel noch in die Präsidentschaft von Donald Trump.
Schon damals hielten Republikaner im Kongress und die konservative Mehrheit
im Obersten Gerichtshof das Moratorium für rechtswidrig.
Nur eine Mehrheit des Kongresses könne eine derartige Maßnahme durchsetzen,
begründeten die Richter. Am Freitag machte die Demokratische Partei im
Repräsentantenhaus im allerletzten Moment einen Anlauf, das Moratorium zu
verlängern. Nachdem er aber scheiterte, gingen die Abgeordneten in den
Sommerurlaub.
Mietrechtsexperten befürchten nun eine Lawine von Klagen von
Hauseigentümern gegen säumige Mietzahler. Die Verfahren werden regional
ungleich ausfallen. Am härtesten werden sie Mieter in den Südstaaten
treffen, wo das Mietrecht besonders schwach ist.
In anderen Bundesstaaten – darunter Kalifornien, New Jersey und New York –
wird sich zunächst wenig ändern, denn die dortigen demokratischen
Gouverneure haben das Moratorium für ihre Staaten ausgedehnt.
## Kaum genutzte Gelder zum Schutz
Paradoxerweise stehen gleichzeitig mehr öffentliche Gelder zum Schutz von
Mietern und Vermietern zur Verfügung als je zuvor in den USA. In zwei
verschiedenen Konjunkturhilfepaketen aus dem Dezember 2020 und dem März
2021 hat Washington je 25 Milliarden Dollar Beihilfen für Mieter und
Vermieter in Notlagen bewilligt.
Doch aufgrund bürokratischer Hürden und politischer Widerstände vor Ort
geht die Verteilung der Gelder nur schleppend voran. Von den
Mieterbeihilfen sind bislang erst drei Milliarden Dollar vergeben und viele
Anträge auf Hilfe noch gar nicht bearbeitet worden.
Eine Abgeordnete vom linken Flügel der Demokratischen Partei, die am
eigenen Leib Obdachlosigkeit erlebt hat, will sich nicht mit dem Ende des
Moratoriums abfinden. Sie campiert seit Freitag auf den Stufen vor dem
US-Kongress.
Cori Bush aus Missouri hat einst mit zwei kleinen Kindern in einem Auto
gelebt. Jetzt ruft sie die Spitze ihrer Partei und US-Präsident Joe Biden
dazu auf, die Abgeordneten aus dem Sommerurlaub zurückzuholen. „Das Virus
wütet weiterhin“, sagt sie, „verlängert das Moratorium!“
2 Aug 2021
## AUTOREN
Dorothea Hahn
## TAGS
USA
Zwangsräumung
US-Demokraten
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Schwerpunkt Coronavirus
USA
Zwangsräumung
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Lesestück Recherche und Reportage
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