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# taz.de -- Journalist:innen in der Baerbock-Debatte: Top, die Wette gilt
> In der Debatte über Annalena Baerbock wird Politik mit einem Pferderennen
> verwechselt. Inhalte gehen bei dieser Art der Berichterstattung unter.
Bild: Annalena Baerbock ist kein Rennpferd, Journalist:innen stehen nicht auf d…
Der Begriff Horse-Race-Journalism bezeichnet eine Form des Journalismus,
der Politik vor allem als Wettbewerb versteht. Bei der Berichterstattung
werden besonders gern Metaphern aus dem Sport verwendet, speziell aus dem
Pferderennen. Politiker liefern sich dann ein „Kopf-an-Kopf-Rennen“, sie
schießen „Eigentore“, um nur zwei Beispiele zu nennen. Der Begriff ist
nicht wertfrei, sondern problematisierend gemeint: Bei dieser Form der
Berichterstattung, so die Kritik, gingen Inhalte unter, es ginge nur noch
ums Gewinnen und Verlieren.
Man kann dies gerade in fast allen Medien beobachten, die über den
Bundestagswahlkampf berichten. Auch in der taz. [1][Gerade erschien in
dieser Zeitung ein Kommentar], der argumentiert, dass Annalena Baerbock zu
viele Fehler gemacht habe und die Grünen deshalb nun Robert Habeck zum
Kanzlerkandidaten machen sollten. Die Kollegin verwendet dafür ausgerechnet
eine Metapher aus dem Pferdesport. Es sei ungewöhnlich, „im Galopp das
Pferd zu wechseln“, aber noch sei es nicht zu spät.
Natürlich hat Baerbock im Wahlkampf politische und strategische Fehler
gemacht, die Journalist:innen aufklären und kritisieren sollen. Aber
Journalist:innen stehen nicht, um im Bild zu bleiben, auf der Tribüne
einer Pferderennbahn, um für das Wettbüro die Quoten festzusetzen. Leser
sind Wähler, keine Glücksspieler. Und Annalena Baerbock ist kein Rennpferd.
Inhalte gehen bei dieser Art der Berichterstattung unter. Es geht nicht
mehr darum, welche Pläne die Kandidat:innen für das Amt haben, sondern
darum, wer sich geschickter anstellt, wer weniger Fehler macht.
## Verfehlte Kritik
Studien zeigen, dass Horse-Race-Journalismus in den vergangenen Jahrzehnten
zugenommen hat. Das liegt auch an der Vervielfachung von Wahlumfragen, die
im Wochenrhythmus neue Zahlen liefern. Auf jede Schwankung wird im
Leitartikel reagiert: Baerbock schwächelt, Laschet stärker als erwartet.
[2][Manche Studien] legen sogar nahe, dass Horse-Race-Journalismus die
Politikverdrossenheit der Leser:innen steigert, die politische Kompetenz
abnimmt und die Wahlbeteiligung sinkt, wenn Politik nur noch als
Entertainment konsumiert wird.
Wäre Robert Habeck statt Annalena Baerbock Kanzlerkandidat geworden, es
würden in diesen Wochen die gleichen Kommentare erscheinen, vermutlich von
anderen Autorinnen, vielleicht aber auch nicht. Auch Habeck hätte bereits
einige Fehler gemacht, er hätte bei seiner Steuererklärung zu viele
Pendlerkilometer angegeben oder in einem Interview den Paragrafen 13 Absatz
2 des Parteiprogramms vergessen. Und schon würde es heißen: der Luftikus,
er kann es nicht. War ja klar. Sie ist halt fleißiger als er. Und wieder
wäre es nicht um das Programm gegangen.
Natürlich ist die Glaubwürdigkeit des Personals wichtig für die Frage, ob
eine Partei bei Wahlen Erfolg hat. Aber es ist nicht das einzige Kriterium.
Journalist:innen sollten sich mit derselben Hartnäckigkeit auf die
Widersprüche des grünen Wahlprogramms und die Forderungen der Grünen
stürzen wie aktuell auf die Fehler von Annalena Baerbock. Es gäbe da genug
zu kritisieren: die homöopathische Erhöhung von Hartz IV, die
Koalitionsfrage, die Erbschaftssteuer, um nur einiges zu nennen.
Aber Journalist:innen sollten sich auf die Zunge beißen, wenn sie
Parteien gute Ratschläge geben wollen, was sie zu tun und wen sie
auszuwechseln haben. Es ist nicht ihre Aufgabe.
5 Jul 2021
## LINKS
[1] /Gescheiterte-Gruenen-Kanzlerkandidatin/!5784037
[2] https://www.journals.uchicago.edu/doi/10.1086/708682
## AUTOREN
Kersten Augustin
## TAGS
Annalena Baerbock
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
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