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# taz.de -- Urteil über Bremer Kitabeiträge: Wer hat, der muss auch zahlen
> Vor dem Oberverwaltungsgericht gescheitert: Besser verdienende Familie
> war gegen die soziale Staffelung der Bremer Kitagebühren vorgegangen.
Bild: Teilen fällt Kleinkindern schwer. In der Kita müssen auch die Eltern So…
BREMEN taz | [1][Die armen Eltern]! „Die Kosten des Verfahrens tragen die
Antragsteller zu 1. bis 8. als Gesamtschuldner“, heißt es [2][im Urteil des
Oberverwaltungsgerichts] (OVG) zu einer Normenkontrollklage bezüglich der
Kitagebühren.
Gegen deren soziale Staffelung waren Eltern aus dem Umfeld des
Gesamtelternbeirats der katholischen Kirche und der damaligen Zentralen
Elternvertretung (ZEV) zu Felde – und vor Gericht gezogen. Im Sinne des
Gesetzes Gutverdiener-Eltern, darauf kommt es hier an. Sie allein waren
betroffen, also klageberechtigt.
Acht Familien mit einem Jahreseinkommen von jeweils über 95.000 Euro
witterten in der 2016 beschlossenen Neuordnung eine Diskriminierung und
eine unfaire Benachteiligung. Zu Unrecht, wie das Oberverwaltungsgericht
schon in der mündlichen Verhandlung am 17. Juni unmissverständlich
klargestellt hatte.
Jetzt liegt die Begründung des Urteils vor (2 D 243/17). Als Rechtsmittel
wäre nur eine Beschwerde zulässig, auch wieder beim OVG. Kosten würde die
auch verursachen.
## Behörde hat gut getüftelt
„Wir fühlen uns in unserem Handeln bestätigt“, kommentierte die Sprecherin
der Kinderbehörde Annette Kemp die Entscheidung. Die Mitarbeitenden des
Ressorts hätten „getüftelt, [3][hart und akribisch dafür gearbeitet, eine
gerechtere Beitragsordnung zu schaffen]“, schilderte sie die Entstehung des
beklagten Regelwerks. „Das ist offenbar gelungen.“
Damit spielte sie auch auf die Vorgeschichte an. Ende Oktober 2014 war
[4][die Vorgängerregelung kassiert worden]. Sie war noch in der
Zuständigkeit von Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne) etabliert worden.
Zu ihren gröbsten Rechtsfehlern hatte einerseits gehört, dass die massive
Beitragserhöhung mitten im Kitajahr erfolgte.
Andererseits sah die Regelung für finanziell Schwache, die keine Beiträge
hätten aufbringen können, einen Beitrag vor, von dem sie sich jeweils
regelhaft per Antrag inklusive „einer konkret-individuellen
Zumutbarkeitsprüfung“ hätten befreien lassen müssen. Also: Wer arm ist,
sollte sich wenigstens auch nackig machen, um keine unzumutbaren Lasten
aufgebürdet zu bekommen.
Das OVG stoppte die Schikane. Die Kosten der Panne für Bremen: rund 30
Millionen Euro. Nach der Wahl 2015 und dem neuen Ressortzuschnitt war es
dann der Job von Claudia Bogedan (SPD), für eine Neuordnung zu sorgen.
Dafür sei „eine komplett neue Tabelle entworfen“ worden, informierte Kemp.
Deren Ziel: zwischen niedrigen, mittleren und hohen Einkommen besser
unterscheiden und die Beiträge angemessen gestalten zu können –
einschließlich einer „stärkeren Berücksichtigung der wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit insbesondere der höheren Einkommensgruppen“, wie Kemp
erläutert.
Klar, selbst die katholische Soziallehre sieht vor, [5][dass Leistungen auf
die verschiedenen Glieder je nach ihrer Leistungsfähigkeit zu verteilen
sind.] Aber wer will heute schon mit einem halben Mantel rumlaufen: Die
Gebührenordnung gefährde in ihrer Staffelung den „sozialen Frieden“, weil
durch sie eine Minderheit die anfallenden Beitragskosten auffangen müsse,
befanden ZEV und Katholikeneltern und launchten umgehend eine
Onlinepetition.
Ein Blick auf diese lohnt, um die Beweggründe für die Klage
nachzuvollziehen – und die mitunter besorgniserregenden
Gerechtigkeitsvorstellungen, die ihr zugrunde liegen: „Die Mittel, die mir
zur Verfügung stehen, wurden mir von niemandem geschenkt, sondern ich
arbeite viel und hart dafür“, ergießt sich ein namentlich genannter
Unterstützer in die Kommentarspalten.
Er habe es satt, „auch die Eltern zu finanzieren, die eine Selbstversorgung
ablehnen“, stellt er klar. „Es ist so schon schlimm genug, dass ich meiner
Tochter eine private Schule finanzieren muss, wenn ich nicht will, dass sie
an einer staatlichen Schule zu derselben Gruppe Arbeitsunwilliger
herangezogen wird, für die mit der neuen Beitragsordnung noch mehr
Annehmlichkeiten geschaffen werden sollen“, lamentiert er.
Eine andere Stimme findet es „einfach eine Unverschämtheit, so viel Geld
für die Betreuung unserer Kinder zu verlangen“, auch wenn der Höchstsatz
von 430 Euro pro Monat 320 Euro unter den Kosten eines Kitaplatzes in
Bremen liegt. Ein Mann bringt schließlich noch ein besonders schlüssiges
Argument: „Sollte es so kommen, wie es geplant ist“, schildert er seine
Nöte, „dann muss meine Frau zu Hause bleiben.“
## Regel nicht frauenfeindlich
Tatsächlich war von [6][Kläger*innenseite der Versuch unternommen
worden], die Beitragserhöhung für Besserverdienende als frauenfeindlich
darzustellen. Weil: Naja.
Das OVG dazu: „Die Frage, ob es sich angesichts des Kostenbeitrages
‚lohnt‘, das Kind in die Betreuung zu geben, um in dieser Zeit
Erwerbseinkommen zu erzielen, oder es lieber selbst zu betreuen, stellt
sich für Mütter und Väter in gleichem Maße.“ Es sei denn, die
Diskriminierung liegt jenseits der regulierbaren Öffentlichkeit, im
Privaten.
Das, was von den Kläger*innen hingegen als besonders schreiende
Ungerechtigkeit gebrandmarkt wurde, war, dass jemand, der mehr verdient,
mehr zahlen muss: „Soziale Gerechtigkeit finde ich gut und wichtig, aber
nicht zu Lasten der Besserverdienenden“, hatte ein Petitionsunterstützer
die Denkweise bündig zusammengefasst.
Rechtlich ist sie ein Irrweg. Denn dem OVG zufolge wäre genau die
Gleichbehandlung von Ungleichem ein Verstoß gegen das Gleichheitsgebot des
Grundgesetzes.
Dem wiederum gehorche das Kitagesetz von 2016, gerade weil „die
Beitragssätze an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der
Beitragsschuldner ausgerichtet“ sind, wie das Urteil lobt. Auch, wenn die
Beitragsordnung [7][nur für Kinder unter drei Jahren noch] von Bedeutung
ist.
1 Jul 2021
## LINKS
[1] /Eltern/!t5013156
[2] https://www.oberverwaltungsgericht.bremen.de/entscheidungen/detail.php?gsid…
[3] /Rechenspiele/!5353990
[4] /Kita-Gebuehren-in-Bremen/!5258914
[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Baugesetze_der_Gesellschaft
[6] /Hoehere-Kitagebuehren-fuer-Gutverdiener/!5362206
[7] /Beitragsfreie-Kitas-in-Bremen/!5488353
## AUTOREN
Benno Schirrmeister
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