| # taz.de -- Grüne und das Militär: „Die Bundeswehr präsenter machen“ | |
| > Daniel Hecken ist Offizier, Philipp Zeller ist Beamter der Bundeswehr. | |
| > Als Vorsitzende von BundeswehrGrün wollen sie Partei und Armee | |
| > zusammenbringen. | |
| Bild: Die Bundeswehr: für viele Grüne ein rotes Tuch | |
| taz: Herr Hecken, Herr Zeller, Sie haben einen Verein für grüne und | |
| grünennahe Bundeswehrangehörige gegründet. Mussten Sie lange nach | |
| Mitstreiter*innen suchen? | |
| Philipp Zeller: Es war nicht ganz einfach, denn nicht jede*r will mit | |
| ihren oder seinen politischen Einstellungen offen umgehen. Das findet in | |
| bestimmten Bereichen ja auch seine Grenzen im Soldatengesetz. Als | |
| Zivilbeamter halte ich nicht hinterm Berg damit, dass ich Grünen-Mitglied | |
| bin, kann aber nachvollziehen, wenn sich andere zurückhalten. | |
| Dementsprechend war es nicht so, dass man sagen konnte: Ich kenne 40 Leute, | |
| von denen ich weiß, dass sie in der Partei sind und Lust haben, sich zu | |
| engagieren. Mittlerweile sind wir aber ein gutes Dutzend, [1][obwohl | |
| BundeswehrGrün noch in der Gründungsphase ist.] | |
| Wie haben Sie die Leute gefunden? | |
| Daniel Hecken: Das eine oder andere ergibt sich in kameradschaftlichen | |
| Gesprächen. Am Ende haben auch die Programmprozesse geholfen. | |
| Wie das? | |
| Hecken: Im Rahmen des Grundsatz- und des Wahlprogrammprozesses konnten | |
| Mitglieder Änderungsanträge einbringen und Unterstützer*innen dafür | |
| suchen. In den Beratungen fielen dann auch Personen auf, die sich mit | |
| Expertise einbrachten oder auch offen mit ihrem Beruf als Soldat*in | |
| umgegangen sind. | |
| Wie kam Ihnen denn die Idee zu BundeswehrGrün? | |
| Zeller: Die Idee entstand schon 2019. Auf dem Parteikonvent wurde in | |
| Einzelgesprächen diskutiert, ob es nicht sinnvoll wäre, als Grüne genauer | |
| auf die Bundeswehr zu schauen. Auf der Bundesdelegiertenkonferenz gab es im | |
| gleichen Jahr einen Stand von [2][PolizeiGrün] (Verein für grüne | |
| Polizist*innen, Anm. d. Red.), an dem ich ein paar Infos über deren | |
| Strukturen bekommen habe. Daraus ist dann in Gesprächen mit anderen | |
| Beteiligten die Idee zu BundeswehrGrün entstanden. | |
| Und was wollen Sie mit Ihrem Verein bewirken? | |
| Hecken: Wir wollen die Bundeswehr präsenter machen, Vertrauen und | |
| Verständnis schaffen und mit unserer Expertise das ein oder andere | |
| erklären. Wir wollen auch die Rolle der Bundeswehr in der Gesellschaft | |
| thematisieren. Was heißt Staatsbürger*innen in Uniform? Müssen | |
| Soldat*innen komplett apolitisch sein oder dürfen sie sich politisch | |
| engagieren? Ich habe dazu eine klare Meinung: Ich finde, dass es notwendig | |
| ist, sich für Vielfalt, Toleranz und Demokratie einzusetzen. | |
| Zeller: Absolut. Gerade das Konzept der Inneren Führung würden wir gerne | |
| gesellschaftlich erörtern. Aber es stellt sich auch die Frage, was es für | |
| unsere Gesellschaft bedeutet, eine Parlamentsarmee zu haben, und welche | |
| Auswirkungen dies auf unsere demokratische Gesellschaft hat beziehungsweise | |
| haben sollte. Die Diskussion darüber wird nicht in dem Maße geführt, wie | |
| wir es uns wünschen. | |
| Das Verteidigungsministerium beschreibt die Innere Führung als eine Art | |
| Leitbild für Soldat*innen in der demokratischen Gesellschaft. Was | |
| verstehen Sie konkret darunter? | |
| Hecken: Es geht um den Umgang mit dem Spannungsverhältnis, in dem wir uns | |
| bewegen. Wir sind Staatsbürger*innen, haben aber in bestimmten Bereichen | |
| eingeschränkte Rechte und vor allem militärische Pflichten. Wir sollen | |
| nicht blinden Gehorsam leisten, sondern sind den Werten des Grundgesetzes | |
| verpflichtet und dem politischen Auftrag. Das Konzept der Inneren Führung | |
| soll dieses Spannungsverhältnis auflösen. Ganz konkret geht es aber | |
| natürlich auch darum, Haltung zu zeigen bei Problemen wie rechtem | |
| Gedankengut. | |
| Zeller: Ich glaube, Innere Führung beginnt zuerst bei einem selbst. Denn | |
| nur wenn man sich des Spannungsverhältnisses zwischen der Aufgabe als | |
| Soldat*in beziehungsweise der Tätigkeit für die Streitkräfte und den | |
| gesellschaftlichen Erwartungen daran bewusst ist, kann dieses Leitbild | |
| aktiv gelebt werden. | |
| Da Sie gerade rechtes Gedankengut angesprochen haben: Unternimmt die | |
| Bundeswehr denn genug gegen Rechtsextremismus in den eigenen Reihen? | |
| Hecken: Die Streitkräfte sind sehr groß, und im täglichen Dienstalltag | |
| kommt man natürlich nicht mit allen Bundeswehrangehörigen in Kontakt. Aus | |
| meiner Erfahrung kann ich aber sagen: Jeder Form von Rechtsextremismus, | |
| wenn sie denn auftrat, sind wir entschieden entgegengetreten. Und wenn man | |
| sich die aktuelle Berichterstattung anguckt, besteht kein Zweifel daran, | |
| dass das auch weiterhin so praktiziert wird. | |
| Offenbar nicht in allen Fällen. [3][Der terrorverdächtige Soldat Franco A.] | |
| zum Beispiel hat der Bundeswehr sein rechtsextremes Gedankengut in seiner | |
| Abschlussarbeit offenbart. Konsequenzen gab es dafür nicht. | |
| Hecken: In den Einzelfall habe ich keinen Einblick, ich kenne auch die | |
| Arbeit nicht. Ich kann nur sagen: Wenn mir das als Vorgesetzter begegnet | |
| ist, sind wir dem immer konsequent nachgegangen. | |
| Der Verein PolizeiGrün legt den Finger oft in die Wunde und übt Kritik an | |
| Zuständen in Polizeibehörden. Ist das bei Ihnen anders? | |
| Hecken: Unser Verein wächst noch, und mit hoffentlich steigender | |
| Mitgliederzahl wird sich ergeben, wo wir uns am Ende positionieren. Wir | |
| haben uns aber nicht vorgenommen, jeden Zustand kritisch zu kommentieren, | |
| da wir uns auch in einem besonderen Treueverhältnis befinden und in beide | |
| Richtungen einen Mehrwert liefern wollen. Zuletzt haben wir es zum Beispiel | |
| begrüßt, dass den jüdischen Soldat*innen ein Rabbiner in der | |
| Militärseelsorge beigestellt wird, aber auch gefordert, dass es das am Ende | |
| auch für andere religiöse Gruppen wie die Muslime geben muss. | |
| Waren Sie eigentlich erst Grüne oder erst bei der Bundeswehr? | |
| Hecken: Ich war erst Soldat und hielt es dann irgendwann für richtig, dass | |
| man sich demokratisch engagiert. Zu den Grünen bin ich gegangen, weil ich | |
| daran glaube, dass wir eine neue Politik brauchen. Auch für meine Kinder, | |
| insbesondere in der Klima- und in der Sozialpolitik, aber auch in der | |
| Friedens- und Sicherheitspolitik. | |
| Was sagt Ihnen da als Soldat zu? | |
| Hecken: Die globalen Krisen erfordern eine Mischung, und die finde ich bei | |
| den Grünen. Wir müssen die strategische Vorausschau, zivile Präventions- | |
| und zivile Krisenlösungsmechanismen stärken. Auf der anderen Seite gibt es | |
| aber auch Situationen, in denen nur das Militär politische Lösungen | |
| ermöglichen kann. Die Grünen haben sich ganz klar zu den | |
| verfassungsgegebenen Institutionen wie der Bundeswehr bekannt und | |
| schließen das als Ultima Ratio auch ein. | |
| Etwa in Mali. Den EU-Ausbildungseinsatz dort lehnen die Grünen zwar ab, die | |
| gleichzeitige Beteiligung an der UN-Mission finden sie aber richtig – auch | |
| nach dem Anschlag auf die Bundeswehr am Freitag. Teilen Sie die Position? | |
| Hecken: Die Nachricht vom Anschlag hat mich bestürzt, und ich hoffe auf die | |
| bestmögliche Genesung aller betroffenen Kamerad*innen, die in Mali für den | |
| politisch mandatierten Auftrag ihr Leben einsetzen. Dabei war [4][Minusma] | |
| bereits vor dem Anschlag die derzeit gefährlichste Peacekeeping-Mission der | |
| Vereinten Nationen und wurde – wie EUTM Mali – unter Überprüfung der | |
| aktuellen Lage und Zielsetzung gerade erst neu mandatiert. Diese Bewertung | |
| und Entscheidung obliegt dem Deutschen Bundestag. | |
| Herr Zeller, wie war es bei Ihnen: erst Bundeswehr oder erst Grüne? | |
| Zeller: Ich bin seit knapp 15 Jahren Parteimitglied und erst seit zwei | |
| Jahren bei der Bundeswehr dabei. Die Entscheidung habe ich mir damals nicht | |
| leicht gemacht. Es ist kein Geheimnis, dass Teile der Grünen bis heute mit | |
| den Streitkräften fremdeln. Aber man sagt ja immer, dass wir offene und | |
| diverse Sicherheitskräfte brauchen. Und ich kann nicht verlangen, dass die | |
| Streitkräfte ein Spiegelbild der Gesellschaft sein müssen, wenn ich selbst | |
| nicht bereit bin zu dienen. | |
| Das ist ein hoher persönlicher Einsatz. | |
| Zeller: Das ist der persönliche Maßstab, den ich an mich selbst anlege. | |
| Sonst wäre ich nicht in die Zivilverwaltung der Bundeswehr gegangen. | |
| Was ist schwieriger: in der Bundeswehr zu sagen, dass man bei den Grünen | |
| ist, oder bei den Grünen zu sagen, dass man bei der Bundeswehr ist? | |
| Hecken: Ich kann nur für mein Umfeld sprechen, aber wenn sich das Thema im | |
| persönlichen kameradschaftlichen Gespräch ergibt, gab es bisher nie | |
| Probleme. Auch bei den Grünen läuft alles respektvoll und auf Augenhöhe. | |
| Kaum zu glauben. | |
| Zeller: Ich habe in den letzten Jahren auch nicht den Eindruck gewonnen, | |
| dass es da wirklich ein grundlegendes Problem gäbe. Personen, die einen | |
| dafür angreifen würden, sind Einzelfälle. | |
| Wenn Sie Politikberatung für die Grünen machen dürften: Was würden Sie | |
| Ihrer Partei in der Verteidigungspolitik raten? | |
| Zeller: Es wäre vermessen von uns als Verein, zu sagen, was richtig oder | |
| falsch ist. Das ist die Entscheidung der Partei. Wir sind natürlich beide | |
| Parteimitglieder und haben unsere Meinung zum Programm. Aber unsere Aufgabe | |
| als Verein sehen wir eher darin, den Austausch zu fördern. | |
| Und wenn Sie die Bundeswehr in Umweltfragen beraten dürften? Wie kann das | |
| Militär grüner werden? | |
| Hecken: Es gibt natürlich Bestrebungen, den Energiebedarf zu senken, in der | |
| Infrastruktur und in anderen Bereichen. Aber am Ende ist das eine | |
| gesamtstaatliche Aufgabe, zu der jedes Ressort seinen Beitrag leisten muss. | |
| Im Rahmen der Möglichkeiten findet das bei der Bundeswehr statt. | |
| 29 Jun 2021 | |
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| Tobias Schulze | |
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