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# taz.de -- Horror-Serie „Them“ bei Amazon: Weiße Dämonen
> Eine Schwarze Familie zieht in den Fünfzigern in die weiße Vorstadt: Die
> Amazon-Serie „Them“ inszeniert rassistische Gewalt als Horror.
Bild: Livia (Deborah Ayorinde) und Henry (Ashley Thomas) auf dem Weg in ihr unh…
Eigentlich sind die Emorys nur auf der Suche nach Frieden. Wie sechs
Millionen andere Afroamerikaner*innen, die zwischen 1917 und 1970 im Rahmen
der „Great Migration“ in den Norden, Nordosten und Westen der USA zogen,
kehren sie den Südstaaten und seinen „Jim-Crow-Gesetzen“ in der Hoffnung
auf eine bessere Zukunft den Rücken.
Auf ihrer kleinen Farm in North Carolina hat die vierköpfige, Schwarze
Familie nämlich unaussprechliche Grausamkeiten erfahren. Der Umzug in ein
entzückendes Eigenheim im beschaulichen Compton, eine Vorstadt von Los
Angeles, soll den Neustart markieren. Frieden – oder auch nur die Hoffnung
darauf – aber sind etwas, das die zehnteilige Horrorserie „Them“ zu keinem
Zeitpunkt zulässt.
Bereits als Vater Henry (Ashley Thomas) und Mutter Lucky (Deborah Ayorinde)
mit ihren beiden Töchtern Ruby (Shahadi Wright Joseph) und Gracie (Melody
Hurd) auf ihr neues, pastellfarbenes Heim zusteuern, werden sie von ihren
Nachbar*innen mit bösen Blicken begrüßt. Noch in der ersten Nacht bildet
sich eine Traube erboster Anwohner*innen vor ihrem Haus. Die Maklerin
versicherte zwar noch, dass der Passus im Kaufvertrag, wonach es Menschen
„ihren Blutes“ verboten ist, eine Immobilie zu erwerben, dank neuer
kalifornischer Gesetze nicht mehr rechtlich bindend sei. Die
Eigenheimbesitzer*innen vor Ort scheinen sich mit diesem Fortschritt
allerdings noch nicht arrangiert zu haben.
Erdacht von Little Marvin und unter anderem produziert von Lena Waithe
(„Master of None“), entwirft die über zehn Tage im Jahr 1954 spielende
Serie ein unheilschwangeres Szenario, in dem extreme rassistische Ausbrüche
schlicht omnipräsent sind, in dem es kein Entkommen vom zersetzenden Hass
der weißen Teufel gibt.
In der wasserstoffblonden, Perlenketten tragenden Vorzeigehausfrau Betty
Wendell (Alison Pill) findet die wütende Meute schnell eine besonders
skrupellose Rädelsführerin. Unter ihrer Leitung kampiert man mit Dutzenden
Radios im Vorgarten der Emorys, brennt Beleidigungen in ihren Rasen, knüpft
schwarze Puppen an ihrer Veranda auf.
## Bildsprache Hitchcocks
Während die Handlung damit unweigerlich an das Werk von Jordan Peele („Get
Out“, „Wir“, „Lovecroft Country“) – das Rassismus ebenfalls im Kont…
Horror thematisiert – erinnert, ließ sich die von Amazon in Auftrag
gegebene Produktion in ihrer Bildsprache stark von Alfred Hitchcock
inspirieren. Farbverändernde Filter kommen zum Einsatz, immer wieder sind
blutrot getünchte Einstellungen zu sehen.
Mit seiner hochwertigen, fein abgestimmten Ausstattung, die ein stimmiges
Zeitkolorit der fünfziger Jahre vermittelt, ist „Them“ im Allgemeinen
ästhetisch überaus ansprechend – soweit man das von einer Serie, die
spätestens ab der zweiten Hälfte in einen wahren Gewaltexzess ausufert,
denn behaupten kann. Nie verharrt sie lange auf einer Eskalationsstufe, mit
nahezu jeder Szene erreichen die Emorys einen neuen Tiefpunkt.
Zwar werden die wehrhaften Familienmitglieder niemals zum bloßen Opfer
degradiert – dem Vorwurf, mit einer gewissen Sensationslust auf ihr Leid zu
blicken, oder dass sie rassistische Gewalt zum bloßen Spektakel verkommen
lässt, kann sich „Them“ dennoch nicht erwehren.
Obendrein versucht man diese ohnehin schon extremen Traumata durch
zusätzliche übernatürliche Heimsuchungen zu potenzieren: In den jeweils
etwa 45-minütigen Episoden stehen Henry, Lucky, Ruby und Gracie immer
wieder ganz persönlichen Dämonen gegenüber, was zunehmend an ihrer
nervlichen Konstitution nagt.
Erst ganz am Ende gehen beide Bedrohungen, die irdischen und die
metaphysischen, ineinander auf. Ärgerlicherweise in einer Art, die die
menschlichen Täter*innen ein Stück weit aus der Verantwortung entlässt.
Überaus spannende Unterhaltung bietet „Them“ damit zwar – überaus
wohlüberlegte allerdings nicht.
22 Jul 2021
## AUTOREN
Arabella Wintermayr
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
TV-Serien
Amazon Prime
Horror
Serien-Guide
Realität
Anti-Rassismus
Film noir
Schwerpunkt Rassismus
Spielfilm
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