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# taz.de -- Impfgegner*innen in den USA: Kampfmodus gegen die „Giftspritze“
> In den USA ist bereits die Hälfte der Bevölkerung gegen das Coronavirus
> geimpft. Doch eine lautstarke Minderheit mobilisiert dagegen.
Bild: Auf keinen Fall gegen Corona impfen: Protest vor der Abyssinian-Baptist-K…
New York taz | Es ist der Sonntag, an dem 50 Prozent der BewohnerInnen der
USA voll gegen Covid-19 geimpft sind. Im Rest der Welt beneiden viele das
Land um seine großen Impfvorräte. Aber im Inneren des Landes mobilisiert
eine lautstarke Minderheit gegen die Impfkampagne, mit der bis Anfang Juli
die Herdenimmunität erreicht werden soll. Sie nennen sie „ein Verbrechen
gegen die Menschlichkeit“ und sprechen von „Vergiftung“. Sie versteigen
sich auch zu der Behauptung, jemand habe das Virus ins Land gebracht, um
sie alle zu „versklaven“ und zu „kontrollieren“.
Die 40-jährige Afroamerikanerin Jubil erklärt, dass der Impfstoff
„Tausende“ töte. Dann überreicht sie ein Flugblatt, das [1][gegen das Vir…
das Malariamittel] Hydroxychloroquin empfiehlt, für das schon Ex-Präsident
Donald Trump Werbung gemacht hat. Ihr T-Shirt trägt die Aufschrift „Black
Panther“.
„Feuert Fauci“, ruft eine blonde Frau mit tätowierten Armen und grüner
militärischer Tarnhose in ein Megafon. Um sie herum stehen mehrere Dutzend
Anti-Vaxxers. Unter ihnen sind Weiße und Schwarze, Junge und Alte.
Gemeinsam ist allen, dass sie keine Maske tragen. Viele von ihnen greifen
ebenfalls zu Megafonen, als drei schwarze Limousinen mit getöntem Glas in
die 138. Straße in Harlem, New York, einbiegen.
Die Wagen kommen in der Mitte des Blocks vor der Abyssinian-Baptist-Kirche
zum Stehen, wo die alteingesessene afroamerikanische Gemeinde vor Monaten
ein Impfzentrum im Souterrain eröffnet hat. Während die First Lady der USA,
Jill Biden, und der Chef-Immunologe Anthony Fauci aussteigen, schwellen die
Schreie zu einem akustischen Sturm an. Sie richten sich gegen den
Immunologen, der nach mehreren Generationen von US-Präsidenten jetzt auch
Joe Biden berät: „Lügner“, „Krimineller“, „Korrupter“. Dazwischen…
Worte wie: „Freiheit“, „Wir das Volk“ und: „freie Wahl“ sowie Vergl…
mit dem NS-Regime.
## Überzeugungsarbeit in Harlem
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite schüttelt ein junger Mann den Kopf.
Der 19-jährige Samuel Martinez empfindet das, was er hört, als
„beleidigend“. Auch der Ingenieurstudent steht in einer gemischten Gruppe
von Menschen. Auf seiner Straßenseite tragen alle eine Maske. Sein T-Shirt
weist ihn als Mitarbeiter des „Test & Trace Corps“ aus.
Die [2][Stadt New York] hat die Organisation auf dem Höhepunkt der Pandemie
im vergangenen Jahr gegründet, um Covid-Infizierte möglichst frühzeitig zu
testen und zu isolieren. Die Tests gehören weiterhin zum Angebot der
Gruppe. Aber inzwischen versucht die Gruppe vor allem, zögerliche New
Yorker vom Nutzen einer Impfung zu überzeugen. Ihre Mitarbeiter schlagen
ihre Zeltdächer vor allem auf den Bürgersteigen in Stadtteilen auf, in
denen die Impfraten besonders niedrig sind.
Harlem ist einer davon. Auch in Teilen der Bronx und im Süden von Queens
gibt es Gebiete, in denen erst ein Drittel der erwachsenen Bevölkerung
geimpft ist. Samuel Martinez hat in der Pandemie schwere Verluste erlitten.
Sein Großvater und mehrere Cousins sind an dem Virus gestorben. Seine
Großmutter hat es knapp überlebt. Von seiner Erfahrung in der
Aufklärungskampagne weiß er, dass ideologische „Anti-Vaxxers“ ihre Meinung
allenfalls dann ändern, wenn das Virus sie in unmittelbarer Nähe trifft.
„In den unterversorgten Stadtteilen ist die Impfstoff-Zögerlichkeit am
größten“, erklärt Natasha Eskandar, die Direktorin des „Test & Trace
Corps“. In den zurückliegenden zwei Monaten haben ihre Mitarbeiter nach
Eskandars Auskunft 20.000 New Yorker überzeugt, sich impfen zu lassen.
Eine „Test & Trace Corps“-Mitarbeiterin, die in der südlichen Bronx im
Einsatz ist, berichtet, dass der Widerstand aus ideologischen Gründen dort
selten ist. „Bei den meisten Leuten hat die Impfung keine Priorität“, sagt
Vivian Carter, die bis zum Beginn der Pandemie für die Diözese New York
gearbeitet hat. „Viele wollen auch erst beobachten, wie ihre geimpften
Angehörigen auf den Impfstoff reagieren.“
## Nicht nur rechte Anti-Vaxxer
Für eine ältere blonde Frau von der gegenüberliegenden Straßenseite kommt
eine Impfung mit der „Giftspritze“ nicht in Frage. „Ich habe natürliche
Antikörper in meinem System“, versichert Elizabeth. Sie begrüßt ihr
Gegenüber in einem starken ungarischen Akzent mit den Worten: „Deutschland
über alles“. Und fügt schnell hinzu, dass sie hofft, demnächst Journalisten
aus Russland zu treffen.
Elizabeth ist Trump-Wählerin und ist über dessen Kampagne zur Politik
gekommen. Bevor sie zu einer Anti-Vaxxerin wurde, hat sie ihren inzwischen
verstorbenen Mann gepflegt. An diesem Sonntag trägt sie ein Transparent mit
der Aufschrift: „Ich dachte, wir hätten das in Nürnberg erledigt“. Damit
meine sie die „erzwungenen Injektionen“, erklärt sie.
Nicht alle Anti-Vaxxers kommen von rechts. Der professionelle Schachspieler
und -lehrer Anthony Kozikowski stellt sich selbst als „eingetragenen
Demokraten“ vor. Andere auf seiner Straßenseite beschreiben ihn als
„Libertären“. Er kam in die Schlagzeilen der New Yorker Boulevardpresse,
als er sich weigerte, sich impfen zu lassen, um in seinem Club an einem
Schachturnier teilnehmen zu dürfen.
Während des ersten postpandemischen Turniers trug Kozikowski den
Kulturkrieg über die Impfung aus dem „Marshall Chess Club“ auf die Straße
im Greenwich Village. Daraufhin suspendierte der Club seine Mitgliedschaft
für fünf Jahre. „Ich bin beunruhigt über den Zwang und über die einseitig…
Informationen in den Medien“, erklärt er. Auf seinem knallgelben T-Shirt
steht: „Hass mich nicht, weil du nicht glücklich bist“.
## Impfen ab 12 Jahren
„Natürlich haben sie das Recht, zu demonstrieren“, sagt eine Altenpflegerin
auf der anderen Straßenseite, „aber sie sind so laut“. Gale hat sich impfen
lassen, um ihre betagten Klienten nicht zu gefährden. „Ich glaube, dass das
besser ist“, sagt sie in dem leisen Ton, den alle auf ihrer Straßenseite
benutzen, der jedoch in dem Geschrei von gegenüber nur schwer zu verstehen
ist.
Unterdessen lassen sich die First Lady und der oberste Immunologe des
Landes im Souterrain der Kirche mit Leuten fotografieren, die an diesem
Sonntag zur Impfung gekommen sind. Unter ihnen ist eine über 90-Jährige,
die lange hin und her überlegt hat, bevor sie sich dann doch von ihrem
Enkel überzeugen ließ.
Auch zwei junge Teenager wollen die Gelegenheit nutzen, dass das
[3][Impfalter gerade auf zwölf Jahre herabgesetzt] worden ist. Ein
angehender College-Student braucht den Impfbeleg, um wieder Seminare
besuchen zu können. Alle sind Afroamerikaner.
Vor der Ankunft der beiden prominenten Besucher aus Washington haben
Mitarbeiter des „Test & Trace Corps“ an diesem Sonntag mehr als ein Dutzend
Menschen auf der Straße für eine Impfung gewonnen.
11 Jun 2021
## LINKS
[1] /Bayer-stellt-Malariamittel-her/!5676443
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[3] /Aktuelle-Nachrichten-in-der-Coronakrise/!5778230
## AUTOREN
Dorothea Hahn
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