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# taz.de -- Millionengewinn für Impflinge in den USA: Win-win für Zögerliche
> Die USA haben mehr Impfstoff als benötigt. Um die Nachfrage zu steigern,
> haben Bundesstaaten eine Lotterie für Impfwillige gestartet – mit Erfolg.
Bild: Menschen in Seattle warten im Impfzentrum, nachdem sie die erste Dosis er…
Das ist wohl die Kehrseite des Erfolgs. Die USA schwimmen im Impfstoff,
rund 40 Prozent der Bevölkerung hat bereits eine vollständige [1][Impfung
gegen das Coronavirus] erhalten, und jetzt übersteigt das Angebot deutlich
die Nachfrage. Einige Bundesstaaten haben darauf nun reagiert und versuchen
alles, um zögerliche Impflinge vor die Spritze zu bekommen: Ohio etwa
verlost jede Woche unter allen frisch geimpften 1 Millionen Dollar, und
für Jugendliche zwischen 12 und 17 Jahren – für die der Impfstoff gerade
erst zugelassen wurde – Studienstipendien.
Am Mittwoch wurden die ersten Gewinner*innen bekanntgegeben: Abiggail
Bugenske aus Silverton nahe Cincinnati ist jetzt geimpfte Millionärin,
Joseph Costello aus Englewood in der Nähe von Dayton darf kostenlos aufs
College. Vier Wochen wird das so weitergehen: jeden Mittwoch neue
Gewinner*innen.
Die Mittel dafür kommen aus dem von der Bundesregierung bereitgestellten
Anti-Covid-Budget.
Inzwischen sind weitere Bundesstaaten nachgezogen: Auch Colorado, New York,
Oregon und Maryland verlosen Millionengewinne. Und schon am weltweiten
Marihuana-Tag, am 20. April, hatten in New York
Cannabis-Legalisierungs-Aktivist*innen Gratisjoints an Geimpfte verteilt
– das allerdings galt eher der Feier der jüngst auch in dem Bundesstaat
erfolgten Legalisierung, als dass die Aktion Teil der staatlichen
Impfkampagne gewesen wäre.
## Impfdosen werden weggeworfen
In Maryland, berichtet die Washington Post, zeigen die Anreizkampagne
unbedachte Nebeneffekte: Der gerade von einer Spielsucht heilende
58-jährige Bauingenieur Michael Aretz fühlt sich böse getriggert, weil er
ohne eigenes Zutun allein durch seine Erstimpfung plötzlich Teil der
Millionenverlosung war.
„Ich bin dankbar, dass die Regierung versucht, etwas zu unternehmen, damit
sie die Menschen impfen lassen“, sagt er, „aber gleichzeitig bringen sie
Leute damit in eine merkwürdige Position. Eins kommt zum anderen, und
plötzlich finde ich mich wieder in Atlantic City“, einer bekannten
Spielkasinostadt, sagt Aretz.
Insgesamt, heißt es aus den Bundesstaaten, zeigen die Anreize Wirkung: um
über 30 Prozent stieg die Nachfrage an. Dennoch berichten
Mitarbeiter*innen aus Impfzentren von einem seltsamen Gefühl:
Monatelang hätten sie den Impfstoff wie Goldstaub behandelt – und jetzt
reißen sie eine Packung mit sechs Impfdosen auf, wenn wenigstens eine
impfwillige Person da ist und schmeißen den Rest weg.
Das schlechte Gewissen gegenüber dem Rest der Welt hilft da auch nicht
weiter.
## „Zögern“ kann alles mögliche heißen
Über die Gründe des Zögerns gewichtiger Bevölkerungsteile gibt es
inzwischen ganze Studien. Es gibt [2][Impfzögernde, Impfverweigernde und
Impfgegner*innen], erklärt David Broniatowski von der George Washington
University dem Magazin Salon.com. Für jede dieser Gruppen müsse die
richtige Ansprache gefunden werden, meint er, wenn die Kommunikation nicht
vollkommen danebengehen solle.
Mit der Gruppe der Impfgegner*innen ist das Gespräch vermutlich recht
aussichtslos: als solche versteht Broniatowski jene, die bewusst
verschwörungsidelogische Falschmeldungen in die Welt setzen oder
verbreiten.
Wer der festen Überzeugung ist, Impfungen dienten einer Elite aus
Pharmaindustrie und „New World Order“ dazu, die Menschheit zu unterwerfen
oder zu dezimieren, wird kaum ein Argument überzeugen.
Die anderen Gruppen aber seien ansprechbar. „Zögern kann alles heißen, von
‚Ja, ich mach das, aber ich bin ein bisschen nervös‘ bis zum harten ‚ich
glaube nicht, dass ich das je machen werde‘-Verweigerer – und diese Leute
können alle auch ihre Meinung ändern,“ sagt Broniatowski. Dazu kann
vielleicht auch die „Vax-a-Million“-Verlosung etwas beitragen.
## Donuts umsonst
Die Gruppe zwischen Impfdrängler*innen und Impfgegner*innen hatte
auch Mike DeWine im Sinn, Ohios republikanischer Gouverneur, der als
Erfinder der Impflotterie gilt. Er schrieb kürzlich in einem
[3][Gastbeitrag in der New York Times], er habe sich an den alten Spruch
erinnert, dass es recht langweilig sei, 1.000 Menschen je eine Dose Bier zu
schenken, aber ziemlich aufregend, einem einzelnen 1.000 Dosen Bier. Er
habe geahnt, dass der Millionengewinn für Gesprächsstoff sorgen würde und
sehe sich darin bestätigt: All die Berichte und Debatten über
„Vax-a-Million“ seien so viel wert wie eine Werbekampagne mit 23 Millionen
Dollar Etat, schreibt er. Und in manchen Gegenden sei die Zahl der
Impfungen in den ersten Tagen nach der Auslobung des Gewinnes um fast 150
Prozent gestiegen – ein Erfolg.
Immer wieder ist auch von anderen Anreizen die Rede, die gegen die Million
freilich nicht ankommen: Hier gibt es Donuts umsonst, dort einen freien
Eintritt. Wer Michael Moores Doku „Bowling for Columbine“ noch im
Gedächtnis hat, wartet nur darauf, dass Gewehre als Prämie für Impfwillige
ausgelobt werden.
Das ist das erstaunliche: Auch fast anderthalb Jahre nach dem Beginn der
Pandemie ist die Diskussion auf einem infantilen Niveau, das erstaunt. Der
Unterschied zwischen den USA und anderen Teilen der Welt: Sie haben früh
sehr viel Impfstoff gekauft. America First halt.
27 May 2021
## LINKS
[1] /Aktuelle-Nachrichten-in-der-Coronakrise/!5772472
[2] /Corona-Impfstrategie-in-Deutschland/!5757410
[3] https://www.nytimes.com/2021/05/26/opinion/ohio-vaccine-lottery-mike-dewine…
## AUTOREN
Bernd Pickert
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