| # taz.de -- Forscherin über Klima- und Artenkrise: „Emissionen drastisch sen… | |
| > Der Welt-Klimarat und der Welt-Biodiversitätsrat müssen zusammenarbeiten, | |
| > sagt die Klimaforscherin Almut Arneth. Die Krisen ließen sich nur | |
| > zusammen lösen. | |
| Bild: Margerite in Aldrans, Tirol: Was kostet die Blume auf der Wiese? | |
| taz: Frau Arneth, was wollen der Weltklimarat IPCC und der | |
| Weltbiodiversitätsrat IPBES mit ihrem ersten gemeinsamen Bericht erreichen? | |
| Almut Arneth: Wir wollen deutlich machen, dass der Klimawandel und der | |
| [1][Verlust von Biodiversität] eng miteinander verknüpft sind. Das betrifft | |
| sowohl ihre Probleme als auch ihre Lösungen. Vieles, was zum Klimawandel | |
| beiträgt, vor allem die Abholzung der Wälder, trägt auch zum | |
| Biodiversitätsverlust bei. Wenn wir Agrar- und Forstflächen nachhaltig | |
| nutzen, dann erhöhen wir ihre Fähigkeit, Kohlenstoff zu speichern und die | |
| Biologische Vielfalt. | |
| Ist das schon ausreichend im politischen Diskurs angekommen? | |
| In den meisten Umweltministerien schon, doch die sind für viele politische | |
| Themen gar nicht zuständig, etwa für Landwirtschafts- oder Verkehrspolitik. | |
| Darum werden Maßnahmen hier häufig nicht sinnvoll auf Klima- und | |
| Biodiversitätspolitik abgestimmt. Auch auf der internationalen Ebene gibt | |
| es parallele Strukturen, etwa die Klimarahmenkonvention und die Konvention | |
| zum Schutz der Biologischen Vielfalt. Hier fehlt es manchmal an Abstimmung. | |
| Gibt es Zielkonflikte zwischen Arten- und Klimaschutz? | |
| Der großflächige Anbau von Bioenergiepflanzen zum Klimaschutz schadet der | |
| Artenvielfalt, oder auch großflächige Wiederaufforstungen als Plantage. | |
| Hier entsteht per se Druck auf Landnutzung, womöglich Druck auf Flächen in | |
| ganz anderen Gegenden der Welt, der über Handel ausgeübt wird. Deswegen ist | |
| es auch unser Hauptanliegen zu sagen: [2][Nature Based Solutions], also | |
| Bau, Mobilität, Konsum und so weiter, die auf naturbasierten Lösungen | |
| beruhen und dabei Klima und Arten schützen, die sind wichtig und richtig. | |
| Aber das wichtigste ist, dass wir schnell von den fossilien Energieträgern | |
| herunterkommen. Die Nature Based Solutions können uns über die Ziellinie | |
| helfen, aber nur, wenn wir schnell und drastisch die Emissionen herunter | |
| fahren. | |
| Heißt das, Klimaschutz hat Vorrang? | |
| Ohne Klimaschutz wird Artenschutz schwierig, weil sich Lebensräume | |
| verändern. Allerdings sehen wir am [3][Beispiel der Bioenergiepflanzen]: | |
| Wenn wir nur auf Klimaschutz setzen und die Biodversität dabei aus dem | |
| Blick verlieren, zerstören wir auch Lebensräume. | |
| Im Klimaschutz geht es häufig um technische Lösungen – wie umstritten war | |
| das in Diskussionen mit den Artenschützern? | |
| Klar, einige Technologien für Erneuerbare Energien, etwa Solarpanele oder | |
| Windräder, sind sehr ressourcenintensiv oder greifen in Lebensräume ein. | |
| Trotzdem müssen wir sie weiter fördern, wenn wir dekarbonisieren wollen, | |
| und das ist das allerwichtigste. Wir müssen Elektromobilität, Erneuerbare | |
| Energieproduktion und so weiter also koppeln mit einer ganz starken | |
| Kreislaufwirtschaft, um den Ressourcenverbrauch so klein wie möglich zu | |
| halten. Wir müssen Produkte lange nutzen, sie recyceln, das ist ganz | |
| wichtig. | |
| Taugen erfolgreiche Konzepte aus dem Kimaschutz, etwa, Kohlendioxid einen | |
| Preis zu geben, für den Artenschutz? | |
| Das ist in der Tat umstritten. Ich persönlich denke: Ja, aber. Weil wir in | |
| Deutschland und Europa in einer marktwirtschaftlich getriebenen Welt und | |
| Wertevorstellung leben, entscheiden wir viele Dinge über den Geldbeutel, | |
| bewusst oder unbewusst. Das müssen wir nutzen, daher das ja. Aber: Ein | |
| CO2-Preis ist leicht anzusetzen, aber was kostet eine Blume auf der Wiese? | |
| Biodiversität zu bepreisen ist viel schwieriger, man stößt dabei auch an | |
| moralische Grenzen. Welches Recht haben Menschen, einen Falter auszurotten, | |
| weil er ihnen nicht genug Wert ist? Leichter ist es wieder mit | |
| Ökosystemleistungen, etwa mit den Fähigkeiten von Wäldern, Wasser und Luft | |
| zu säubern, das lässt sich schon berechnen und bietet Möglichkeiten, Wälder | |
| zu erhalten. | |
| Wären künftig gemeinsame Gipfel und Sachstandsberichte von Weltklimarat und | |
| Weltbiodiversitätsrat sinnvoll? | |
| Ja, das fände ich schon. Allerdings sind das ja zwischenstaatliche | |
| Prozesse, da kann ich als Wissenschaftlerin nur Wünsche äußern. Es ist ja | |
| auch bislang schon so, dass viele Wissenschaftler:innen in beiden | |
| Gremien mitgearbeitet haben, und ich habe von vielen Seiten gehört: Es wäre | |
| super, wenn wir künftig jeweils auch offiziell in beiden Arbeitsprogrammen | |
| verankert würden. Wir müssten nur aufpassen, dass unsere Berichte nicht zu | |
| dick werden, sonst liest sie keiner mehr. | |
| 10 Jun 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Heike Holdinghausen | |
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