# taz.de -- Insekten ohne Schutz: Bienen müssen sich gedulden | |
> Seit Winter wartet in Bremens Bürgerschaft ein Antrag für kleinteilige | |
> Insektenschutzmaßnahmen auf Befassung. Strittig sind sie nicht. | |
Bild: Tote Wildbienen sind leichter zu zählen. Trotzdem sollte man damit nicht… | |
BREMEN taz | Wenn alle sich einig sind, dann geschieht – erst mal nichts. | |
Seit Anfang Februar liegt der Antrag „Bienenbestand im Land Bremen | |
statistisch erfassen“ als Parlamentsdrucksache vor. Ende Februar hat die | |
CDU-Fraktion einen Ergänzungssantrag eingebracht. | |
Nachdem das Thema daraufhin im März und Mai und jetzt auch im Juni jeweils | |
auf der Bürgerschaftstagesordnung gestanden hatte, aber nicht debattiert | |
wurde, bekommt es im Juli eine neue Chance. Es sei denn, es kommt wieder | |
etwas dazwischen. | |
„Dat Ding hatte mir Sascha Aulepp ganz stolz schon im Januar geschickt!“, | |
mokiert sich Sönke Hofmann, Geschäftsführer des Bremer | |
[1][Nabu-Landesverbandes], auf Nachfrage. „Ich dachte, die Anträge wären | |
schon beschlossen?“ | |
Ihm zufolge hat sich die Koalition entgegen ihrem Vertrag bislang „wahrlich | |
nicht für den Insektenschutz mit Ruhm bekleckert“. Die Nichtbefassung mit | |
dem Bienen-Erhebungs-Antrag sei da kein Einzelfall. Sinnlos agiere allzu | |
oft auch ausgerechnet der Umweltbetrieb. | |
## Bekloppte Rhododendren | |
Als Beispiel nennt Hofmann „die bekloppte Pflanzung von ausgerechnet | |
Rhododendren im Oslebshauser Park, trotz Einspruch des Nabu“. Insekten | |
bevorzugen heimische Gewächse, Rhododendren sind keine. Zwar greift | |
[2][hier das neue Exoten-Verbot des Bundesnaturschutzgesetzes] nicht, weil | |
ein Park nicht als freie Natur gilt. Aber in der Frage „sollte eine Kommune | |
doch mit dem besten Beispiel vorangehen!“, so Hofmann. | |
Gut [3][drei Viertel seiner Insekten hat Deutschland in den vergangenen 30 | |
Jahren verloren]. Weltweit sind die Werte ähnlich. Verheerende | |
wirtschaftliche Auswirkungen werden dadurch erwartet – weil unbestäubte | |
Obstpflanzen keine Früchte ausbilden. Zudem dürften ganze [4][Ökosysteme | |
kollabieren], weil die Krabbeltiere in der Nahrungspyramide ganz unten | |
stehen: Bricht die unterste Etage zusammen, hält auch die Spitze nicht | |
mehr. | |
Aber Insektenschutz ist mühselig. Gerade erst hat der Bundesrat darauf | |
verzichtet, die von der Bundesregierung vorgelegte und vom | |
Länderkammer-Gesundheitsausschuss empfohlene [5][Fünfte Verordnung zur | |
Änderung der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung] zu verabschieden. | |
Die hätte zwecks Insektenschutz die Verwendung von Glyphosat und anderen | |
chemischen Kerbtierkillern in Gebieten mit besonders sensiblen Arten und an | |
Gewässern eingeschränkt. Der Schutz ist vertagt. | |
Bremen jedenfalls springt da nicht in die Bresche. Dabei gäbe es beste | |
Bedingungen: Es regiert Rot-Grün-Rot; die Agrarindustrie hat hier keine | |
nennenswerte Lobby; die Landwirtschaft – kein Stadtstaat ist bäuerlicher! – | |
zeigt sich seit Langem eher naturschutz-kooperativ. | |
Trotzdem sei Bremen das letzte Bundesland, das noch keine | |
Biodiversitäts-Strategie habe, bemängelt Martin Rode, Geschäftsführer des | |
[6][BUND Bremen]. Auch die Bienenanträge könnten das nicht heilen. Aber sie | |
könnten wenigstens positive Effekte auf dem Weg dorthin entfalten. | |
Bienenretten – oder erst mal -zählen – ist der wohl niedrigschwelligste | |
Insektenschutz, den es gibt: Spätestens seit das Imkern zum neuen | |
Trendhobby geworden ist, lassen sich mit dem populären Namen der | |
[7][Apiformes] auch ein paar weniger bekannte und unbeliebtere Hautflügler | |
mitprotegieren. In der strittigen Insektizidfrage geht der Antrag nicht | |
über das hinaus, was Beschlusslage ist, und die angeregten Maßnahmen sind | |
noch nicht mal finanziell eine harte Belastung. | |
Vorgesehen sind Trippelschritte: die Propagierung von Haltestellenbegrünung | |
etwa, und eine bessere Planung von Blühstreifen. Hier hatte die CDU | |
ergänzend noch Zuschüsse für Bauern gefordert, die Ackerfläche für | |
Nektarpflanzen freihalten. | |
[8][Und doch stagniert selbst dieser Minimalvorstoß]: „Ich wäre ja auch | |
froh, wenn er jetzt im Juli endlich beschlossen würde“, sagt Janina | |
Brünjes, Umweltpolitikerin der SPD-Fraktion und Verfasserin des Antrags. Es | |
sei halt wegen Corona nicht dazu gekommen. | |
Das ist problematisch. Denn wenn mit der Forderung „möglichst in | |
Kooperation mit anderen Bundesländern statistische Daten zum Bienenbestand | |
im Land Bremen zu erheben“ auch Arten jenseits der Honigbiene gemeint sein | |
sollten, dürfte es dieses Jahr zu spät sein: „Wild-Bienen kann man nur im | |
Sommer zählen“, erinnert Sönke Hofmann deutlich. | |
## Der Kleine lebt hier nicht mehr | |
Auch Martin Rode vom BUND deutet die Verzögerung als Form der Missachtung: | |
„Offensichtlich wird die Dringlichkeit nicht gesehen.“ Dass es auch in | |
Bremen Insektensterben gebe, davon sei auszugehen, sagt Rode. Es falle | |
möglicherweise weniger dramatisch aus als in Regionen mit extensiver | |
Landwirtschaft. „Aber es findet statt, das beobachten wir auch im Bremer | |
Raum, zum Beispiel an der Schmetterlingsfauna.“ | |
Der [9][Kleine Fuchs etwa ist rar geworden], andere sind ganz fort. Genaue | |
Daten fehlen aber. „Wir wissen darüber nicht im Detail Bescheid“, so Rode. | |
Insofern wäre eine Bestandserhebung nicht verkehrt. | |
Neben der Verschleppung des Bürgerschaftsantrags kritisiert Rode aber auch | |
dessen Ausgestaltung: In der jetzt vorgesehenen Form gehe er selbst beim | |
Zählen „am eigentlichen Problem vorbei“, er sei erkennbar nur auf | |
Honigbienen gemünzt. | |
Tatsächlich regt der Antrag an, sich für die Erhebung der „Daten aus der | |
bestehenden Meldepflicht von Bienenvölkern beim Veterinäramt“ zu bedienen. | |
Die gilt nicht für Wildbienen. „Die Probleme der Bienenhaltung haben mit | |
dem Insektensterben nur sehr wenig zu tun“, sagt Rode. | |
Janina Brünjes möchte trotzdem einfach mit etwas anfangen, wie sie sagt: | |
„Mit Bienenvölkern zu beginnen, ist ja erst mal gut“, glaubt sie – auch | |
wenn deren gestiegene Zahl am Ende wie eine Entwarnung gelesen werden | |
könnte. Und wenn es im laufenden Kalenderjahr mit der Zählerei nicht | |
losgeht, müsse man halt „wenn der Antrag im Juli hoffentlich beschlossen | |
wird, im nächsten Jahr mit voller Power durchstarten.“ | |
Dabei dürfte halbe Kraft reichen für den Antrag. Denn der einzig richtig | |
brisante Punkt ist vorab entschärft. Zwar wird angeregt, brachliegende | |
Gewerbeflächen insektenfreundlich auf dem Wege der Zwischennutzung | |
aufzuwerten. Das könnte, richtig angegangen und mit sehr viel Glück dazu | |
führen, dass sich wirklich [10][Rote-Liste-Arten] im potentiellen | |
Gewerbegebiet ansiedeln. | |
Aber die würden gegen die Wirtschaft im Zweifel den Kürzeren ziehen, so der | |
Plan: „Das darf nicht dazu führen, dass die vorgesehen Nutzung | |
beeinträchtigt wird“, sagt Brünjes. „Das bleiben Gewerbeflächen.“ Das … | |
Konsens. | |
9 Jun 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://bremen.nabu.de/ | |
[2] https://www.gesetze-im-internet.de/bnatschg_2009/__40.html | |
[3] https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371%2Fjournal.pone.0185809 | |
[4] https://www.nature.com/articles/s41586-019-1684-3 | |
[5] https://www.bundesrat.de/SharedDocs/beratungsvorgaenge/2021/0301-0400/0305-… | |
[6] https://www.bund-bremen.net/ | |
[7] https://de.wikipedia.org/wiki/Bienen | |
[8] https://www.spd-fraktion-bremen.de/politische-arbeit/bienenbestand-schuetze… | |
[9] https://www.ufz.de/tagfalter-monitoring/index.php?de=42166&nopagecache | |
[10] https://www.rote-liste-zentrum.de/de/Download-Wirbellose-Tiere-1875.html | |
## AUTOREN | |
Benno Schirrmeister | |
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