# taz.de -- Europäisches Gericht zu Bienengiften: Insektenschutz geht vor | |
> Der Bayer-Konzern hat den Kampf um die Aufhebung eines EU-Verbots seiner | |
> umstrittenen Pestizide verloren. Ihr Einsatz in der EU bleibt beschränkt. | |
Bild: Das Verbot bestimmter Bayer-Insektizide zum Schutz von Bienen wurde von e… | |
BRÜSSEL/BERLIN rtr/taz | Ein „wichtiges Signal für den Schutz von Insekten�… | |
nannte Olaf Bandt, der Vorsitzende des Umweltverbands BUND, die | |
Entscheidung. [1][Beim Bayer-Konzern sprach man von einem „Freifahrtsschein | |
für die Europäische Kommission“], mit dem die Brüssler Behörde quasi alles | |
verbieten könne. Beide sprachen über das gleiche: Am Donnerstag hat der | |
Europäische Gerichtshof das teilweise Verbot von bestimmten Insektiziden | |
zum Schutz von Bienen bestätigt und damit die Berufung von Bayer gegen eine | |
frühere Entscheidung eines anderen EU-Gerichts zurückgewiesen. | |
Das Gericht der Europäischen Union (EuG) in Luxemburg hatte 2018 den | |
Einsatz der Mittel Imidacloprid von Bayer CropScience, Clothianidin von | |
Takeda Chemical und Bayer CropScience sowie Thiamethoxam von Syngenta | |
beschränkt. Diese sogenannten Neonikotinoide sind langlebig und reichern | |
sich im Boden an. Aufgrund ihrer Wasserlöslichkeit können sie weit | |
transportiert werden und gelangen auch in Gegenden fernab ihrer | |
Einsatzgebiete. Studien zufolge gefährden sie Wasserorganismen, Bienen und | |
andere Insekten und sind mitverantwortlich für das Insektensterben. Deshalb | |
hatte die Europäische Kommission 2013 EU-weite Auflagen für den Einsatz der | |
drei Wirkstoffe erlassen. Dagegen klagte Bayer damals vor dem EuG und | |
verlor in weiten Teilen. | |
„Die Entscheidung des Europäischen Gerichthofs ist ein Sieg der Vernunft“, | |
sagte Umweltschützer Bandt. Der Schutz der Artenvielfalt sei „absolut | |
unvereinbar mit der Aufhebung des Verbots von hochwirksamen Nervengiften | |
für Bienen und Wildbienen“. Pestizide mit solch fataler Wirkung auf das | |
Ökosystem dürften „nie wieder in die Umwelt gelangen“. | |
## Trotz Verbot im Einsatz | |
„Bayer ist enttäuscht darüber, dass die wesentlichen Aspekte dieses Falles | |
vom Gericht nicht anerkannt wurden“, meinte dagegen ein Sprecher des | |
Leverkusener Pharma- und Chemiekonzerns. Der Konzern sei überzeugt davon, | |
dass die Mittel gemäß der Gebrauchsinformationen sicher verwendet werden | |
könnten. | |
Tatsächlich sind die Mittel weiterhin im Einsatz. Denn zahlreiche | |
Mitgliedstaaten haben Ausnahmegenehmigungen erteilt. Auch Länder außerhalb | |
der Union halten an der Freilandnutzung der Neonikotinoide Clothianidin und | |
Thiamethoxam weiter fest. In [2][Kanada] etwa war das | |
Gesundheitsministerium in Ottawa kürzlich zu dem Schluss gekommen, dass | |
„einige Anwendungen“ dieser Mittel bei richtiger Handhabung keine Gefahr | |
für Wasserorganismen beziehungsweise Insekten darstellten. | |
## Notfallzulassung in Deutschland | |
In Deutschland hatte das Bundesamt für Verbraucherschutz und | |
Lebensmittelsicherheit (BVL), das dem Agrarministerium von Julia Klöckner | |
(CSU) unterstellt ist, Ende 2020 eine „Notfallzulassung“ für Thiamethoxam | |
aus der Gruppe der Neonikotinoide erteilt. [3][Zuckerrübensaatgut, das mit | |
Gift behandelt wurde, durfte in diesem Frühjahr in etlichen Gegenden | |
ausgesät werden]. Rübenlandwirte hatten darüber geklagt, dass ein Großteil | |
ihrer Felder im vergangenen Herbst Schäden durch die Viröse Rübenvergilbung | |
erlitten hätten. Mit „anderen Pflanzenschutzverfahren oder zugelassenen | |
Pflanzenschutzmitteln“ könnten die dafür verantwortlichen Blattläuse nicht | |
ausreichend bekämpft werden, so das BVL damals. Das Risiko für Bienen und | |
andere Insekten, durch die Aussaat des behandelten Zuckerrübensaatgutes | |
geschädigt zu werden, sei gering, da diese Pflanze im Anbaujahr nicht blühe | |
und daher wenig attraktiv für Bestäuber sei. | |
Umweltschützer:innen bezeichnen auch diese Notfallzulassungen wegen | |
der Langzeitwirkungen der Neonikotinoide als „absolut unverantwortlich“. Um | |
das Insektensterben zu stoppen, fordert BUND-Experte Bandt neben dem Verbot | |
der besonders gefährlichen Insektizide auch eine „deutliche Reduktion des | |
Pestizideinsatzes“ insgesamt. | |
Bio-Landwirt:innen bauen Zuckerrüben ohne chemisch-synthetische Pestizide | |
an, indem sie einem Schädlingsbefall etwa durch eine weite Fruchtfolge | |
vorbeugen. Sie müssen jedoch mit geringeren Erträgen rechnen. | |
6 May 2021 | |
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