Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Ruf nach Verbot von Titandioxid: Unsicherer Farbstoff in Tabletten
> Titandioxid steckt in Pillen wie Ibuprofen oder Cetirizin. Umweltschützer
> fordern, ihn nicht nur in Lebens- sondern auch Arzneimitteln zu
> verbieten.
Bild: Auch hier steckt Titandioxid drin: Tabletten mit dem Potenzmittel Viagra
Berlin taz | Stefan Polte ist chronisch krank. Deshalb muss er oft
Tabletten schlucken. Doch sehr viele Medikamente enthalten einen Stoff,
dessen Verwendung in Nahrungsmitteln die EU-Behörde für
Lebensmittelsicherheit (Efsa) vor Kurzem als nicht sicher, weil
möglicherweise krebserregend eingestuft hat: Titandioxid, auch E171 oder
TiO2 genannt, der vor allem als weißer Farbstoff dient. Die Europäische
Kommission will ihn nun in Lebensmitteln verbieten ([1][taz.de] vom
09.05.21), aber bisher nicht in Medikamenten. Polte versucht deshalb,
Pillen mit Titandioxid zu meiden, aber „Apotheker sind machtlos, wenn der
Markt keine Alternative bietet“, schreibt Polte der taz. „Ich hoffe, nun
kommt auch hierbei etwas Bewegung in das Thema.“
Tatsächlich will die Kommission nach eigenen Angaben jetzt die
EU-Arzneimittelbehörde (EMA) um eine Untersuchung bitten, ob und wie sich
Titandioxid in Medikamenten ersetzen lässt. Mehr als 30.000 Präparate in
der EU, so die Brüsseler Behörde, würden die Substanz enthalten. Darunter
sind so bekannte Medikamente wie das Schmerzmittel Ibuprofen, das
Antiallergikum Cetirizin oder das Potenzmittel Viagra. „Dieser Hilfsstoff
ist wirklich weit verbreitet“, sagte eine Sprecherin des Bundesinstituts
für Arzneimittel und Medizinprodukte der taz. Knapp 32 Prozent der in
Deutschland zugelassenen „festen oralen Darreichungsformen“ wie Tabletten
oder Kapseln enthielten Titandioxid.
Doch nun urteilte die Efsa, es sei „auf der Grundlage der neuen Daten und
weiterentwickelten Methoden“ nicht auszuschließen, dass Titandioxid das
Erbgut schädigen könne. Zwar nehme der Organismus nur wenige
Titandioxidpartikel aus der Nahrung auf, „sie können sich jedoch im Körper
ansammeln“. Deshalb lasse sich „keine sichere Menge für die tägliche
Aufnahme von Titandioxid als Lebensmittelzusatzstoff festlegen“.
Die Umweltorganisation Health Care Without Harm (HCWH) fordert deshalb, den
Stoff auch in Medikamenten zu verbieten. „Es ist logisch, ein Verbot von
E171 als Farbstoff auch in Arzneimitteln zu verlangen, weil diese ebenfalls
durch orale Aufnahme in den menschlichen Körper gelangen“, teilte Dorota
Napierska, Chemikalienexpertin des Verbands, der taz mit.
„TiO2 kann nicht mehr als sicher gelten und manche Firmen haben schon
freiwillig andere Stoffe verwendet“, schrieb der taz Robert Schiestl,
emeritierter Professor für Pathologie und Umweltmedizin und
Strahlentherapie der Universität von Kalifornien, Los Angeles (UCLA), der
zu dem Stoff geforscht hat.
Der große Generikahersteller Ratiopharm, der Titandioxid häufig verwendet,
antwortet erst gar nicht auf Anfragen zum Thema. Der
EU-Pharmaindustrieverband EFPIA teilte der taz nur mit, dass man das
Gutachten der EU-Lebensmittelbehörde Efsa über Titandioxid zur Kenntnis
nehme und nun beobachte, wie die Arzneimittelbehörde reagiere. Vor allem
aber betonte eine Sprecherin des Verbands, dass die lichtundurchlässige
Substanz Wirkstoffe schütze und so die Haltbarkeit erhöhe.
Der [2][Verband der Titandioxid-Hersteller] (TDMA) warnt schon lange, dass
nach einem Verbot des Stoffes die Pharmafabriken die Zusammensetzung der
„Mehrzahl aller auf dem Markt verfügbaren Produkte“ ändern und neu zulass…
müssten. „Der schiere Umfang eines solchen Unterfangens hätte mit
ziemlicher Sicherheit zur Folge, dass die Hersteller bestimmte Präparate
einfach vom Markt nehmen würden.“
Umweltschützerin Napierska hält das für Panikmache. „Im Fall eines Verbots
setzt die Gesetzgebung normalerweise eine genügend lange Übergangsfrist,
damit die Industrie ihre Produkte anpassen kann“, sagt sie. Bei kleineren
Änderungen, wie es der Ersatz von Titandioxid sein sollte, gebe es ein
vereinfachtes und schnelleres Zulassungsverfahren. „Die Industrie will
keine neue Zusammensetzung, weil es Geld kostet, aber das darf nicht über
der menschlichen Gesundheit stehen.“ Titandioxid sei nun mal kein
therapeutischer wirksamer Stoff und ersetzbar.
Tatsächlich bietet zum Beispiel die Firma [3][Biogrund] aus dem hessischen
Hünstetten Tablettenfilmüberzüge auch ohne Titandioxid an. „Unterschiede zu
herkömmlichen Titandioxid-Formulierungen sind für das Auge nicht
erkennbar“, schreibt das Unternehmen auf seiner Internetseite. Auch die
Lichtundurchlässigkeit sei „nahezu gleich“. „Es ist auch nicht teurer, a…
es ist erforderlich, dass man ein bisschen mehr benutzt, weshalb der
Produktionsprozess etwas länger dauert“, sagt Marketingchef Rüdiger Dartsch
der taz. Es gebe auch andere Anbieter.
Deshalb hat Patient Polte schließlich auch für sein wichtigstes
Arzneimittel eine Alternative ohne Titandioxid gefunden. „Wenige Monate
nach dem konsequenten Verzicht in Medikamenten und auch zuvor in
Lebensmitteln zeigt sich eine nicht erwartete Besserung“ seiner
Beschwerden, freut sich Polte.
30 May 2021
## LINKS
[1] /EU-will-Farbstoff-E171-verbieten/!5770614
[2] https://tdma.info/de/die-zentrale-rolle-von-titandioxid-in-modernen-pharmaz…
[3] https://www.biogrund.com/tio2/
## AUTOREN
Jost Maurin
## TAGS
Pharmaindustrie
Medikamente
EU-Kommission
Ernährung
Lebensmittel
chemieindustrie
## ARTIKEL ZUM THEMA
EU will Farbstoff E171 verbieten: Jahrzehntelang im Essen
Der Farbstoff E171 steckt in Backwaren, Suppen oder Süßigkeiten. Nun will
die EU-Kommission ihn verbieten, weil er möglicherweise das Erbgut
schädigt.
Nanopartikel in Lebensmitteln: Unter Verdacht
Zahlreichen Lebensmitteln wird der Nanostoff Titandioxid beigemengt. Doch
zunehmend gibt es Hinweise auf gesundheitsschädliche Folgen.
EU zu Krebsrisiken von Farbstoff: Warnung vor Titandioxid kommt
Der weiße Farbstoff Titandioxid in Pulverform muss künftig als
krebserregend gekennzeichnet werden. Das kündigte die EU-Kommission an.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.