# taz.de -- EU will Farbstoff E171 verbieten: Jahrzehntelang im Essen | |
> Der Farbstoff E171 steckt in Backwaren, Suppen oder Süßigkeiten. Nun will | |
> die EU-Kommission ihn verbieten, weil er möglicherweise das Erbgut | |
> schädigt. | |
Bild: Wenn's weißer werden soll: Titandioxid | |
Berlin taz | Die [1][EU-Kommission] will wegen möglicher Krebsrisiken den | |
Lebensmittelfarbstoff Titandioxid verbieten, der seit Jahrzehnten etwa in | |
konventionellen Backwaren steckt. Das hat Gesundheitskommissarin Stella | |
Kyriakides mitgeteilt, kurz nachdem die EU-Behörde für | |
Lebensmittelsicherheit ([2][Efsa]) feststellte, „dass Titandioxid als | |
Lebensmittelzusatzstoff nicht mehr als sicher angesehen werden kann.“ | |
Verbraucherschützer fordern schon seit Jahren, den auf Etiketten E171 | |
genannten Weißmacher nicht mehr in Nahrungsmitteln zu verwenden. | |
Die wichtigsten Lebensmittelkategorien, die zur Aufnahme von E171 | |
beitragen, sind laut Efsa feine Backwaren, Suppen, Brühen, Soßen, Salate, | |
herzhafter Brotaufstrich und verarbeitete Nüsse. Auch in Kaugummi und | |
Süßigkeiten wie Lollis findet sich der Stoff. Die Efsa fand in einer | |
einschlägigen Datenbank mehr als [3][13.000 Lebensmittelprodukte] mit E171 | |
im Zutatenverzeichnis, wenn auch seit 2016 mit fallender Tendenz. Die | |
Verbraucherorganisation Foodwatch ermittelte den Stoff zum Beispiel in | |
Zuckerstreuseln und Backmischungen. | |
Doch nun urteilte die Efsa, es sei „auf der Grundlage der neuen Daten und | |
weiterentwickelten Methoden“ nicht auszuschließen, dass Titandioxid das | |
Erbgut schädigen könne. Zwar nehme der Organismus nur wenige | |
Titandioxidpartikel aus der Nahrung auf, „sie können sich jedoch im Körper | |
ansammeln.“ Deshalb lasse sich „keine sichere Menge für die tägliche | |
Aufnahme von Titandioxid als Lebensmittelzusatzstoff festlegen.“ | |
Noch 2016 machte die Efsa in einem Gutachten zu der Substanz keine Bedenken | |
geltend. Doch seitdem seien tausende Studien verfügbar geworden – | |
„einschließlich neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse und Daten zu | |
Nanopartikeln.“ Titandioxid enthalte bis zu 50 Prozent solcher Teilchen, | |
die weniger als 100 Nanometer groß sind. Deshalb können sie besonders | |
leicht in Zellen eindringen. | |
## In Bioprodukten untersagt | |
Bioverbände, Verbraucher- und Umweltschützer warnen schon lange, dass zu | |
wenig über die möglichen Auswirkungen von Nanomaterialien auf Menschen und | |
die Natur bekannt sei. Der Ökoverband Demeter schließt Nano bereits seit | |
2009/2010 aus, später folgen [4][Naturland] und Bioland. Die Öko-Verordnung | |
untersagt E171 in Bio-Produkten. Frankreich verbietet den Stoff in | |
Lebensmitteln seit 2020. Doch Bundesernährungsministerin Julia Klöckner | |
zögerte. Erst jetzt plädierte auch die CDU-Politikerin dafür, die Zulassung | |
für Lebensmittel EU-weit zurückzunehmen. | |
Die Ministerin habe versagt, kritisierte Renate Künast, | |
ernährungspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag. Solange noch | |
Forschungslücken bestünden, brauche es im Sinne des vorsorgenden | |
Gesundheitsschutzes nationale Regelungen und Verbote. | |
„Titandioxid hat für die Verbraucher*innen keinen Nutzen, sondern dient | |
nur dazu, Produkte weißer und glänzender zu machen“, teilte Foodwatch mit. | |
Der Stoff sei kein Einzelfall – auch die umstrittenen Azo-Farbstoffe und | |
selbst aluminiumhaltige Stoffe seien nach wie vor erlaubt. Die | |
EU-Kommission müsse auch „alle umstrittenen Farbstoffe“ verbieten. | |
## Lebensmittelverband lenkt ein | |
VertreterInnen der Lebensmittelindustrie hatten zum Beispiel das Verbot in | |
Frankreich als „[5][wissenschaftlich nicht haltbar]“ angegriffen. Nun | |
erklärte der Lebensmittelverband Deutschland, die Sicherheit der Produkte | |
sei „oberstes Gebot“. Die Branche werde einer Entscheidung der EU | |
„unmittelbar entsprechen“. | |
Titandioxid kann auch in anderen Produkten enthalten sein, etwa in | |
Zahnpasta und Waschmittel. Um diese Waren ging es bei der Efsa-Prüfung | |
nicht. Für eine weitere Produktgruppe, etwa für Farben, Lacke oder Mörtel, | |
hatte die EU-Kommission 2019 erklärt, dass es für Titandioxid in Pulverform | |
künftig einen Warnhinweis geben sollte. Dabei ging es um mögliche | |
Krebsrisiken durch das Einatmen von Pulver. | |
Korrekturhinweis: Wir haben am 17.05.21 den Satz „Deshalb können sie | |
besonders leicht Zellwände durchdringen“ durch „Deshalb können sie | |
besonders leicht in Zellen eindringen“ ersetzt. Gemeint waren menschliche | |
Zellen, die keine Zellwände haben. | |
9 May 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://twitter.com/SKyriakidesEU/status/1390346644072419333 | |
[2] https://www.efsa.europa.eu/de/news/titanium-dioxide-e171-no-longer-consider… | |
[3] https://www.efsa.europa.eu/en/efsajournal/pub/6585 | |
[4] /Ab-2012-bei-Naturland/!5113920 | |
[5] https://www.lebensmittelverband.de/de/aktuell/20190605-titandioxid-verbot | |
## AUTOREN | |
Jost Maurin | |
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