# taz.de -- Krise bei der Meyer-Werft: Mehr Arbeit, weniger Jobs | |
> Die Meyer-Werft, Deutschlands größter Schiffbauer, war einst eine Macht | |
> im Emsland. Doch nun drohen Entlassungen. | |
Bild: Sauer auf die Chefs: Betriebsversammlung bei der Meyer-Werft | |
OSNABRÜCK taz | Auf Nico Bloem lastet viel Druck dieser Tage. „Was hier | |
abgeht, ist verrückt“, sagt der Betriebsratsvorsitzende der Papenburger | |
Meyer Werft. „Die Geschäftsleitung bricht alle Regeln.“ Bloem ist | |
Emsländer, SPD-Mitglied, IG-Metaller, gerade 26 Jahre alt – und schon im | |
Zentrum [1][eines brutalen Arbeitskampfs] bei Deutschlands größtem | |
Schiffsbaubetrieb. | |
Am Montag vergangener Woche redete er vor 1.800 empörten Mitarbeitern auf | |
einem Parkplatz, an seiner Seite Thomas Gelder, Geschäftsführer der IG | |
Metall Leer-Papenburg. „Das war überwältigend!“, sagt Bloem. „Die | |
Belegschaft hat sich sehr klar hinter uns gestellt.“ | |
Zuvor hatte die Geschäftsleitung die Stammbelegschaft in einer | |
Online-Umfrage vor die Wahl gestellt, ob in Papenburg mehr als 1.000 | |
Arbeitsplätze wegfallen sollen oder nur 660. 1.446 Mitarbeiter entschieden | |
sich für 660, nahmen aber dafür in Kauf, dass die Verbleibenden pro Jahr | |
200 unbezahlte Überstunden leisten, weit über fünf Wochen Arbeit. | |
Das Votum spiegele „mehrheitlich den Willen der Belegschaft“ wider, sagt | |
nun Geschäftsführer Jan Meyer: Mit 1.557 Mitarbeitern hatte allerdings weit | |
weniger als die Hälfte der Stammbeschäftigten an der Befragung | |
teilgenommen. „Außerdem war das Ganze rechtswidrig“, sagt Bloem. „Das | |
Betriebsverfassungsgesetz sieht vor, dass der Betriebsrat bei so was | |
mitbestimmt, aber wir wurden nicht informiert.“ | |
Er sieht bei der Geschäftsleitung „mittelalterliches Denken“. Auf der | |
Versammlung am Montag habe sie die Leute zudem einzuschüchtern versucht: | |
„Aus dem Werk stieg eine Drohne auf, beobachtete das Geschehen. Und die | |
Security hat Kollegen fotografiert, teils einzeln.“ | |
Das Grundproblem sei die hohe Zahl der Werkverträge. „Nur 40 Prozent der | |
Meyer-Belegschaft gehört zur Stammbesatzung, 60 Prozent hat Werkverträge“, | |
sagt Bloem. „Einiges davon ist auch völlig in Ordnung, das sind | |
outgesourcte Spezialaufgaben. Aber der Rest führt dazu, dass nach und nach | |
die Stammbelegschaft ersetzt wird.“ Durch billigere Kräfte aus Kroatien, | |
Polen, Russland oder Rumänien. | |
Die Meyer Werft im Emsland setzt derzeit rund 1,6 Milliarden Euro jährlich | |
um. Sie ist Teil der luxemburgischen Meyer-Neptun-Gruppe und bekannt für | |
ihre Kreuzfahrtschiffe. Dutzende hat Meyer seit Mitte der 1980er gebaut. | |
Einige sind 350 Meter lang und 20 Decks hoch, schwimmende Kleinstädte für | |
mehr als 6.500 Passagiere. Baudock II der Werft ist gut einen halben | |
Kilometer lang, 125 Meter breit und 75 Meter hoch. | |
Lange boomte das Geschäft, Meyer fuhr Gewinne ein. Hunderttausende | |
Schaulustige kamen, wenn die Riesenpötte aus dem Binnenland in die Nordsee | |
überführt wurden – dabei hatten [2][Vertiefung und Aufstauung der Ems], | |
ohne die das nicht geht, [3][fatale ökologische Folgen]. Die Politik vor | |
Ort tat wenig dagegen, schließlich ist die Meyer Werft eine echte Macht im | |
Emsland. | |
## Kreuzfahrschiffe weltweit im Hafen | |
Doch dann kam die Coronapandemie. Kreuzfahrschiffe ankerten weltweit im | |
Hafen, Meyer geriet ins Wanken. 40 Prozent Arbeitskapazität sollen deshalb | |
abgebaut, 1,2 Milliarden Euro eingespart werden, bis 2025. Jetzt ist von | |
Entlassungen die Rede, die Verhandlungen stocken. | |
„Wir sind offen für Gespräche“, sagt Bloem, „für die Suche nach Lösun… | |
Aber diese Lösungen müssen sozialverträglich sein. Es ist ein Unding, dass | |
die Geschäftsleitung voraussetzt, dass wir vor diesen Verhandlungen | |
Kündigungen zustimmen.“ 13.000 Mitarbeiter, schätzt Bloem, gab es vor | |
Corona bei der Meyer Werft. Derzeit zähle die Stammbelegschaft nur noch | |
rund 4.000 Beschäftigte plus Werksverträgler. | |
Der Coup der Chefs der Meyer Werft blieb nicht ohne Folgen. Inzwischen | |
haben Betriebsräte aus ganz Niedersachsen protestiert. Der | |
Konzernbetriebsrat von Volkswagen sprach von einem „Angriff auf die | |
Sozialpartnerschaft“ und einer „gezielten Vergiftung der Lage“. | |
Die Arbeitnehmervertreter des Kreuzfahrtanbieters Tui AG, eines wichtigen | |
Kunden der Werft, zeigten sich „zutiefst schockiert“ über die | |
Meyer-Geschäftsführung. Die Online-Abstimmung sei ein Versuch, „die | |
Belegschaft zu spalten und den Betriebsrat kaltzustellen“. So löse man | |
keine Probleme, sondern polarisiere auf Kosten der Beschäftigten „und | |
vergiftet langfristig das Arbeitsklima“. | |
## „Grobes Foulspiel“ | |
Auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) suchte das | |
Gespräch mit Betriebsrat und Vertrauensleuten der IG Metall. Er habe „von | |
einem groben Foulspiel gesprochen“, sagt Bloem, „hat die Geschäftsleitung | |
scharf kritisiert“. | |
„Wir haben durch die Umfrage ein klares Meinungsbild“, sagt dagegen | |
Meyer-Sprecher Florian Feimann: „Die Mitarbeiter haben sich für eine | |
solidarische Lösung mit einem Mitarbeiterbeitrag für die Dauer der Krise | |
ausgesprochen. Deshalb verstehen wir die Äußerungen des Ministerpräsidenten | |
nicht.“ An diesem Montag gab es eine weitere Verhandlungsrunde. Bloem war | |
schon vorher desillusioniert: „Bahnbrechendes erwarten wir da nicht.“ | |
15 Jun 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Meyer-Werft-plant-Kuendigungen/!5773089 | |
[2] /Archiv-Suche/!5694434&s=meyer+werft&SuchRahmen=Print/ | |
[3] /Archiv-Suche/!5747518&s=meyer+werft&SuchRahmen=Print/ | |
## AUTOREN | |
Harff-Peter Schönherr | |
## TAGS | |
Meyer-Werft | |
Emsland | |
Betriebsrat | |
Meyer-Werft | |
Meyer-Werft | |
Werften | |
Schiffbau | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kündigungen bei Meyer Werft: Werft will 440 Stellen streichen | |
Die Werft leidet unter dem internationalen Wettbewerb. Mitarbeitende, die | |
am Schiffbau beteiligt sind, sollen ihre Stellen behalten können. | |
Personalabbau bei der Meyer-Werft: Härtefallhilfe ändert nichts | |
Die Meyer-Werft bekommt 14 Millionen Euro „Härtefallhilfe“. Arbeitsplätze | |
werden trotzdem wie geplant abgebaut. | |
Meyer Werft plant Kündigungen: Auf falschem Kurs | |
Die Papenburger Meyer Werft will Kapazitäten einsparen, auch durch | |
Kündigungen. Sie manövriert dabei Betriebsrat und Gewerkschaft aus. | |
Schiffsbauer in der Krise: Werften fordern Flottenprogramm | |
Die Coronakrise belastet Deutschlands Werften – vor allem die Hersteller | |
von Traumschiffen. |