# taz.de -- Verfahren gegen Polizisten eingestellt: Szenetypische Hautfarbe? | |
> Der Hamburger Altenpfleger John H. wurde 2020 von Polizisten überfallen, | |
> die ihn für einen Dealer hielten. Nun gehen sie straffrei aus. | |
Bild: Wird keine Beschwerde einlegen: der Hamburger Altenpfleger John H | |
HAMBURG taz | Das Verfahren gegen drei Hamburger Polizeibeamte, die den | |
Schwarzen [1][Altenpfleger John H.] in Eimsbüttel vom Fahrrad rissen, ist | |
nach mehr als einem Jahr eingestellt worden. John H. hatte Anzeige wegen | |
Körperverletzung im Amt gegen die Beamten erstattet. Er war am 18. April | |
2020 auf seinem E-Bike von Patient:in zu Patient:in gefahren, die er | |
als mobiler Pfleger täglich betreut, als er in das Visier der Zivilfahnder | |
geriet. | |
Sie sagten, sie hätten einen Tipp erhalten, dass H. mit Drogen handle. Sie | |
zogen ihn zu dritt an der Bushaltestelle Veilchenweg vom Fahrrad, fixierten | |
ihn am Boden und durchsuchten seine Taschen. Dabei wurden Johns Fahrrad, | |
seine Uhr und sein Handy beschädigt. Er selbst trug neben ein paar Kratzern | |
vor allem psychische Schäden davon. | |
John H. teilte seine Erfahrung auf Instagram. In den vielen Reaktionen | |
darauf wurde der Polizei [2][Rassismus] und unverhältnismäßige | |
Gewaltanwendung vorgeworfen. Auch H. ist sich nach wie vor sicher, dass | |
sich dieser Eingriff nur deshalb wie beschrieben abgespielt hat, weil er | |
Schwarz ist. | |
Doch „mangels hinreichenden Tatverdachts“ ist das Verfahren gegen die | |
Beamten nun eingestellt worden, bestätigt die Staatsanwaltschaft. Da jedoch | |
noch die Möglichkeit einer Beschwerde an die Generalstaatsanwaltschaft | |
bestehe, gebe die Staatsanwaltschaft auf Anfrage der taz keine weiteren | |
Auskünfte zur Begründung. | |
## Polizei weist Rassismus-Vorwurf zurück | |
John H.s Anwältin Petra Dervishaj liegt die Einstellungsverfügung | |
allerdings vor. Darin stehe, dass die Staatsanwaltschaft durch sein | |
Verhalten einen Anfangsverdacht für den Handel mit Drogen als gesetzt sehe, | |
da er sich „szenetypisch“ verhalten habe: H. fuhr zu mehreren Wohnungen und | |
telefonierte zwischendurch mit seinem Chef. Im mobilen Pflegedienst besucht | |
er manchmal bis zu 25 Patient:innen am Tag. Doch welche Rolle spielt | |
bei diesem „szenetypischen“ Verhalten John H.s Hautfarbe? | |
Es sei eine „pauschale Behauptung“, heiße es in der Einstellungsverfügung, | |
sagt Dervishaj, dass die polizeilichen Maßnahmen auf einem rassistischen | |
Klischee fußten. Außerdem stehe dort, es sei nicht erkennbar, dass die | |
Beamten aufgrund der [3][Hautfarbe] von H. gehandelt hätten. | |
Dies deckt sich mit der Stellungnahme der Polizei: Ein solcher Eingriff | |
orientiere sich „nicht am Aussehen einer Person, sondern an deren | |
Verhalten“. Man habe ihn während der Fahrt gestellt, „um einen möglichen | |
Fluchtversuch unmöglich zu machen“. | |
Dass der Fall eingestellt werden soll, zeige „wie fest verankert | |
struktureller Rassismus auch bei den Strafverfolgungsbehörden“ sei, sagt | |
Dervishaj. „Es liegt auf der Hand, dass ein weißer Mensch ziemlich sicher | |
gar nicht erst in das Blickfeld der Zivilbeamten gerückt wäre“, sagt sie. | |
John H. sei „wie in einem Schockzustand“ gewesen, als er erfahren habe, | |
dass es mit seinem Fall nicht weitergehen werde. Er habe gewusst, dass | |
seine Chancen nicht gut ständen. „Aber ich hatte die Hoffnung nicht | |
aufgegeben“, sagt er. Die Begründung der Staatsanwaltschaft könne er nicht | |
nachvollziehen: „Es ist eine Sache, jemanden zu kontrollieren, aber eine | |
andere, jemanden mit Gewalt zu überfallen“. | |
Die Erfahrung habe ihm „die Augen geöffnet“, sagt der 32-Jährige. „Im | |
deutschen Rechtssystem kommt man nicht gegen die Polizei an.“ Deshalb wolle | |
er auch keine Beschwerde einlegen, um ein weiteres Verfahren zu erwirken. | |
„Ich kämpfe gegen eine Wand“, sagt John H. Er habe keine Kraft mehr dafür. | |
Und er wisse, dass sich dadurch nichts ändern werde. | |
## Vertrauen in den Rechtsstaat verloren | |
Er möchte sich nun auf sich selbst konzentrieren. Vor drei Wochen habe er | |
eine Traumatherapie begonnen, weil er gemerkt habe, dass ihn all dies sehr | |
belaste. „Solche Vorfälle mit der Polizei machen einen kaputt“, sagt er. Er | |
schlafe schlecht und müsse oft an den Tag zurückdenken. | |
John H. ist noch immer als Altenpfleger in Eimsbüttel tätig. Noch immer | |
fährt er mit dem Fahrrad von Patient:in zu Patient:in. Und noch immer | |
sieht er dabei ab und zu einen der Polizeibeamten, der an dem 18. April auf | |
ihm kniete. H.s Wohnung, die Pflegedienststelle, seine Patient:innen | |
und das Polizeikommissariat 17 liegen nur wenige Fahrradminuten voneinander | |
entfernt – was es für ihn erschwert, mit dem Fall abzuschließen. | |
Die Polizeipressestelle teilte vergangenes Jahr mit, dass über „etwaige | |
disziplinarische Folgen“ erst nach Abschluss der Ermittlungen entschieden | |
werde. Somit dürfte es nun keine Konsequenzen für die beteiligten | |
Zivilfahnder geben. Eine entsprechende Anfrage blieb bis Redaktionsschluss | |
allerdings unbeantwortet. | |
John H. hingegen muss mit den Konsequenzen leben: Für die anstehenden | |
Anwaltskosten aufzukommen, sich auf der Arbeit nicht mehr sicher zu fühlen, | |
eine Therapie zu machen, um das Geschehene zu verarbeiten und das Vertrauen | |
in den Rechtsstaat verloren zu haben. | |
13 Jun 2021 | |
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## AUTOREN | |
Sarah Zaheer | |
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