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# taz.de -- Holstein Kiel-Präsident über Geld: „Fußball muss bodenständig…
> Fußball sei eher Bier und Bratwurst als Schampus und Kaviar, findet
> „Störche“-Präsident Steffen Schneekloth – und setzt auf vorsichtiges
> Wirtschaften.
Bild: Aus der Traum: Kiels Stürmer Fabian Reese nach dem verlorenen Relegation…
taz: Herr Schneekloth, welche Gefühlslage überwiegt bei Ihnen gut 14 Tage
nach dem [1][1:5 im Relegations-Rückspiel gegen den 1. FC Köln]: der Frust
über den verpassten Erstliga-Aufstieg oder die Lust auf die kommende Saison
mit Klubs wie Schalke 04 oder Werder Bremen?
Steffen Schneekloth: Ehrlich gesagt: weder das eine noch das andere. Es ist
schade, dass wir die historische Chance nicht genutzt haben, aber wie ein
bekannter Fußballlehrer einmal sagte: „Lebbe geht weider.“ Wir haben gar
keine Zeit, in Frust oder Trauer zu verfallen. Die kommende Saison wird
äußerst anspruchsvoll.
Die Zweifel an der Vertragserfüllung von Cheftrainer Ole Werner bis Juni
2022 sind laut Aussage Ihres Sportchefs Uwe Stöver ausgeräumt. Top-Spieler
wie Torjäger Janni Serra, Jae-Sung Lee und Jannik Dehm hingegen verlassen
Kiel ablösefrei. Auch Mittelfeld-Stratege Jonas Meffert wechselt mutmaßlich
für 500.000 Euro zum HSV. Wohin führt die sportliche Reise der „Störche“?
Die bisherige Zusammenarbeit mit Ole Werner beinhaltet ein hohes Maß an
gegenseitiger Wertschätzung. Ich gehe davon aus, dass er seinen Vertrag
hier nicht nur erfüllen, sondern verlängern wird. Mit Blick auf den Kader
bin ich sehr zuversichtlich, dass mein Kollege Uwe Stöver im Rahmen unserer
wirtschaftlichen Möglichkeiten eine schlagkräftige Truppe zusammenstellen
wird. Mit Phantasie und der entsprechenden Fach-Expertise, für die unter
anderem auch unser Scouting-Team um Dirk Schlegel und Sven Demandt
verantwortlich ist, werden wir versuchen, diese personellen
Herausforderungen zu meistern. Weitere Verkäufe von vertraglich noch ein
Jahr an uns gebundenen Leistungsträgern sind grundsätzlich nicht angedacht.
Ist die KSV Holstein nach den Plätzen drei, sechs, elf und drei in den
vergangenen vier Zweitliga-Spielzeiten zu einem sportlichen Schwergewicht
im Bundesliga-Unterhaus gereift?
Von einem Schwergewicht sind wir sicherlich meilenweit entfernt. Auch wenn
wir seit der Aufstiegssaison 2016/17 vieles richtig gemacht haben, zählt
der Erfolg von gestern schon ab heute nicht mehr. Wir sind trotz unserer
bescheidenden wirtschaftlichen Mittel in dieser Zeit nie in Abstiegsnöte
geraten. Und wenn kleine Klubs sportlich erfolgreicher sind als große
Traditionsvereine, dann spricht das für die Arbeit der sogenannten Kleinen.
Für uns ist jeder Spieltag in der Zweiten Liga trotz der spielerischen
Finesse auf dem Rasen ein beinharter Überlebenskampf.
Inwiefern?
Wir hatten in der vergangenen Serie coronabedingt eine Reduzierung der
TV-Gelder um knapp 15 Prozent. Ab der kommenden Spielzeit kommt im Rahmen
des neuen Vierjahresvertrags aus den nationalen Medienerlösen noch einmal
ein Minus von 20 Prozent obendrauf. Das sind rund 200 Millionen Euro für
alle 36 Erst- und Zweitligisten. Außerdem sind wir seit 16 Monaten ohne
Zuschauereinnahmen. Wir bewegen uns wirtschaftlich im unteren Mittelfeld
der Zweiten Bundesliga. Man bedenke dabei, dass in der kommenden Saison die
sechs Bundesliga-Traditionsklubs allein im Bereich des Fernsehgeldes
ungefähr das Doppelte bekommen wie die Hälfte der Liga. Das spricht doch
eine deutliche Sprache.
Andere Klubs sind in puncto Transferausgaben wenig zurückhaltend. Eine
Wettbewerbsverzerrung vor dem ersten Anpfiff?
Ich wundere mich, dass diese Fakten in Spieler- und Beraterkreisen
offenkundig noch nicht angekommen sind. Und dass trotz deutlicher
Erlös-Reduzierungen in den wirtschaftlichen Planungen der Klubs für die
kommende Saison im Bereich „Personalkosten Lizenzbereich“ als größte
Postenposition des Etats dennoch Personalkostensteigerungen vorgesehen
sind. Wie das gehen soll, erschließt sich mir nicht. Und wie, bitteschön,
soll ein solidarischer und sportlicher Wettbewerb funktionieren, wenn eine
solche Entwicklung durch Gelder von Investoren, einzelne KfW-Darlehen,
Landesbürgschaften oder auch Fan-Anleihen, deren Rückzahlung nicht immer
gesichert ist, gestützt wird?
Den 36 Klubs der Ersten und Zweiten Liga droht aufgrund der Folgen der
Coronapandemie und der geringeren Medienerlöse bis Ende 2021/22 ein
Umsatzverlust von bis zu zwei Milliarden Euro. Ist die DFL in Sachen
Lizenzierungsverfahren zu nachlässig?
Nein! Es ist sehr gut, dass wir ein derart seriös gestaltetes
Lizenzierungsverfahren haben. Man sollte aber darüber nachdenken,
fortlaufend und unterjährig – eventuell quartalsweise – die von den Klubs
eingereichten Planzahlen zu überprüfen. Insbesondere, was die
Personalkosten, die Liquidität und die Entwicklung des Fremdkapitals
betrifft. Nur so kann man auf eine überhöhte Risikobereitschaft der Klubs
frühzeitig reagieren. Ein weiterer Gedanke könnte sein, künftig
Liquiditätspuffer zur Pflicht zu machen, um über eine schwierige Zeit mit
unvorhersehbaren wirtschaftlichen Risiken hinwegkommen zu können.
Grundsätzlich sollte die alte Kaufmannsweisheit gelten: Ich kann nur das in
Spielergehälter, Ablösesummen und Beraterhonorare investieren, was ich
durch meinen fußball-immanenten Geschäftsbetrieb einnehme. Anderenfalls
besteht die Gefahr, dass der Profifußball nachhaltig an Glaubwürdigkeit
verliert.
Sie haben jüngst im „kicker“ Ihren Verein als „kleines gallisches Dorf“
beschrieben. Ist Holstein Kiel ein sozialromantischer Gegenpol in einer
zur Gewinn-Maximierung und überbordenden Kommerzialisierung neigenden
Branche?
So extrem würde ich den Vergleich nicht interpretieren. Aber für mich muss
der Fußball bodenständig, nahbar und vor allem für die Fans verständlich
und nachvollziehbar bleiben. Fußball ist eben mehr Bier und Bratwurst als
Schampus und Kaviar. Wir haben es in den vier Jahren unserer
Zweitliga-Zugehörigkeit dank des soliden und konservativen Wirtschaftens
meines Kollegen, des kaufmännischen Geschäftsführers Wolfgang Schwenke,
sowie mit Hilfe unserer Sponsoren geschafft, uns von ganz unten ins
finanzielle untere Mittelfeld zu kämpfen. Ich bewerte unser „natürliches“
Wachstum als erfolgreiches und solides Geschäftsmodell
15 Jun 2021
## LINKS
[1] /Kiel-verpasst-Bundesliga-Aufstieg/!5771489
## AUTOREN
Andreas Geidel
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