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# taz.de -- Österreichs „Islam-Landkarte“: Gezielte Brandstiftung
> Markierungen gehen oft Diskriminierungen voraus. Nun hat Österreichs
> Regierung eine zweifelhafte Landkarte zum Islam veröffentlicht.
Bild: Das Islamische Zentrum Wien: eine der muslimischen Einrichtungen in Öste…
Österreichs Regierung rühmt sich im Kampf gegen den politischen Islam. Für
diesen Zweck hat sie eine „Dokumentationsstelle politischer Islam“ ins
Leben gerufen, die medienwirksam das Studienergebnis präsentierte: Eine
[1][online abrufbare Islam-Landkarte], auf der 623 moslemische
Einrichtungen in Österreich mit Adresse gelistet sind: Moscheen,
Kulturvereine, Jugend- und Kindereinrichtungen, teils sogar Privatadressen.
Ein „positiver Beitrag“ schwärmt Kanzler Sebastian Kurz und
Integrationsministerin Susanne Raab lobt die „Transparenz“. Es gehe nicht
um einen „Generalverdacht gegen Muslime“.
Doch warum eine Karte mit Adressen veröffentlichen, wo islamistische
Extremisten mit unbescholtenen Frommen, die beten gehen, gemeinsam gelistet
werden? Einziges Kriterium für die Aufnahme in die Karte scheint zu sein,
dass es sich entweder um ein moslemisches Gebetshaus handelt oder um eine
Einrichtung von Moslems. Also irgendwas mit „Islam“.
Instinktiv haben die Neonazis die Karte richtig gelesen, als sie in der
Nähe von Wiener Moscheen laminierte Warnschilder mit einem grimmigen
bärtigen Mann und dem Hinweis auf die offizielle Web-Seite anbrachten:
„Achtung. Politischer Islam in deiner Nähe“. Andere Täter schmierten auf
die Tür einer Salzburger Moschee „Der Führer ist wieder zurück“. Unzähl…
Morddrohungen und Hassposts gingen nach Veröffentlichung der Karte bei
islamischen Institutionen ein.
## Ein angenommener innerer Feind
Es gibt Markierungen auf Karten als Serviceangebot. Bei Google Maps zum
Beispiel für Supermärkte. Oder für Militärs, die im Kriegsfall wissen
müssen, wo der äußere Feind seine Waffenlager, Logistik und Stellungen
unterhält. Und es gibt nun in Österreich diese Markierungen eines
angenommenen inneren Feindes. Nach einer Religionszugehörigkeit, die
keineswegs offenbart, ob jemand zu den Feinden der österreichischen
Verfassung zählt oder nicht. Allerdings schüren sie Hass und
Unterwanderungsphobien.
Mein erstes traumatisches Erlebnis mit Markierungen war das Massaker von
Kahramanmaraş in der Türkei im Jahr 1978. Die Häuser der alevitischen
Minderheit waren damals mit einem Kreuz markiert worden. Wenig später
plünderte und mordete ein islamistisch-faschistischer Mob die Häuser
alevitischer Familien. 120 Tote zählt die offizielle Statistik.
Als Christen später zu Zehntausenden in Todesangst aus dem irakischen
Mossul flüchteten, hatte zuvor der „Islamische Staat“ ihre Häuser mit „…
markiert. Noch vor Auschwitz gab es sogenannte „Judenhäuser“ im
nationalsozialistischen Deutschland. Dort waren in enteignetem Eigentum
jüdische Familien zusammengepfercht. Auch die „Judenhäuser“ waren
entsprechend markiert. Ob der Völkermord an den Tutsi in Ruanda im Jahr
1994 oder das Pogrom an den Kommunisten und Chinesen in Indonesien 1965 –
der „Andere“ muss zuerst konstruiert und markiert werden, bevor der Mob den
Rest erledigt.
Der [2][österreichische Identitäre Martin Sellner,] Kumpel des
Christchurch-Attentäters und Massenmörders Brenton Tarrant, der in
Deutschland mit Björn Höcke und Götz Kubitschek verkehrt, ist begeistert
von Karte und Warnschildern. „Das perfekte Zusammenspiel zwischen beherzten
Politikern und patriotischer Zivilgesellschaft.“ Beherzte Politiker gibt es
auch in Deutschland. Beatrix von Storch von der AfD findet die Karte
„vorbildlich“.
Und Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl sagt: „Wir brauchen
keine künstliche Empörung über die österreichische Landkarte des
politischen Islam – wir brauchen eine ernsthafte Debatte, wie wir mit dem
islamistischen Extremismus in Deutschland umgehen.“
„Künstliche Empörung“ – wo ein demokratischer Staat den Nazis die
Markierungen der „Anderen“ liefert? Wer eine solche Karte veröffentlicht,
betreibt gezielt Brandstiftung.
7 Jun 2021
## LINKS
[1] /Islam-Landkarte-in-Oesterreich/!5771757
[2] /Identitaere-Bewegung-und-Social-Media/!5611738
## AUTOREN
Ömer Erzeren
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