# taz.de -- Stiftung Mercator und Klimaschutz: Geld aus dunklen Quellen | |
> Die Stiftung Mercator steckt ihr Geld nicht nur in die | |
> Agora-Denkfabriken. Woher ihr Kapital stammt, verschweigt die | |
> Dachorganisation Meridian. | |
Bild: Ein Team des Think Tank Agora Energiewende besucht das energieautarke Dor… | |
Berlin taz | Eine Woche lang geht es ab diesem Montag darum, mit | |
Stiftungsgeld die Welt zu verbessern: Beim Digitalen Deutschen Stiftungstag | |
2021 tauscht sich die Szene von Mäzenen und ManagerInnen vom 7. bis zum 11. | |
Juni virtuell unter dem Motto „Gemeinsam Zusammenhalt gestalten!“ [1][über | |
Engagement und Geldanlagen] aus. Eine Debatte zur Klimapolitik darf nicht | |
fehlen: Laut Programm diskutiert unter anderem [2][EU-Klimakommissar Frans | |
Timmermans in einer Runde über einen „Global Green Deal“] die Umsetzung des | |
Pariser Abkommens und darüber, „welchen Beitrag Stiftungen dazu leisten | |
können“. | |
Diese Frage hat die Stiftung Mercator aus Essen schon lange beantwortet. | |
Die Organisation ist in der Öffentlichkeit wenig bekannt, spielt aber | |
hinter den Kulissen der deutschen Klimapolitik eine entscheidende Rolle. | |
Keine andere Stiftung investiert so viel Kapital und Arbeit in die deutsche | |
Energiewende und die Debatten zur Zukunftsfähigkeit. | |
Der Einfluss der Financiers hat über die letzten Jahre systematisch eine | |
gesellschaftliche Gegenmacht zu Lobbygruppen für fossile Energieträger | |
aufgebaut. KlimaschützerInnen loben die Unterstützung und Transparenz der | |
Stiftung Mercator, wenn es um die Umsetzung ihrer Projekte geht. Aber die | |
Finanzspritzen haben einen Makel: Woher das Geld stammt, das die deutsche | |
Klimapolitik vorantreibt, bleibt im Dunkeln. | |
Dabei hängt ein Großteil der Klimaschutzszene in Deutschland am Tropf der | |
Stiftung. Jährlich fördert sie mit etwa 12 Millionen Euro Projekte, die mit | |
Klimafragen zu tun haben. Für alle Förderzwecke zusammen (die Schwerpunkte | |
liegen ansonsten auf Kultur im Ruhrgebiet, Europa und dem sozialen | |
Zusammenhalt) flossen 2019 mehr als 63 Millionen Euro. | |
## Umfangreiches Portfolio | |
Bei den Klimathemen investieren die Essener vor allem in Forschung, | |
Aufklärung und die Bildung von Netzwerken. Mit ihrem Geld sind [3][die | |
Denkfabriken Agora Energiewende und Agora Verkehrswende] entstanden, und | |
sie finanzieren das Mercator Research Institute on Global Commons and | |
Climate Change, einen Ableger des Potsdam-Instituts für | |
Klimafolgenforschung. | |
Mit Geld von Mercator arbeiten außerdem Projekte wie klimafakten.de, das im | |
Netz gegen Falschbehauptungen der Klimawandelleugner anschreibt, und Clean | |
Energy Wire, das mit englischen Texten der Welt die deutsche Energiewende | |
erklärt. Dazu fließt Unterstützung für die Renewables Grid Initiative, bei | |
der europaweit Netzbetreiber und Umweltgruppen an neuen Stromnetzen | |
arbeiten, und das Projekt KlimaDiskurs, NRW, das Industrie und | |
Zivilgesellschaft in Nordrhein-Westfalen zur Diskussion zusammenbringt. | |
Auch die Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit und die | |
Wissenschaftsplattform Sustainable Finance, die das Finanzsystem ergrünen | |
lassen soll, bekommen Geld von Mercator. Der Rechenschaftsbericht für das | |
Jahr 2020 weist Zuwendungen für 38 kleinere und größere Institute und | |
Projekte in diesem Bereich aus. | |
## Explizit politisch | |
„Es ist kaum zu überschätzen, wie wichtig und positiv die Förderung durch | |
die Stiftung Mercator für die Klimadebatte ist“, sagt der Präsident des | |
Deutschen Naturschutzrings, Kai Niebert. Anders als bei Mitteln aus dem | |
Bundesministerium für Bildung und Forschung oder der Deutschen | |
Forschungsgemeinschaft habe Mercator explizit einen politischen Ansatz, der | |
vorsehe, die Zivilgesellschaft als wichtigen Akteur zu unterstützen. „Sie | |
wollen durch ihre Unterstützung gesellschaftlichen Mehrwert generieren und | |
arbeiten mit der Zivilgesellschaft daran, wie eine Transformation zur | |
Klimaneutralität aussehen kann. Das ist wirklich relevant“, sagt Niebert. | |
Und anders als die eher unpolitischen Stiftungen, die sich in Deutschland | |
sonst um Umweltschutz bemühen, setzt Mercator bewusst auf eine eher | |
US-amerikanisch geprägte Philosophie, die Gesellschaft zu verändern. „Wir | |
wollen durch fundierte Analyse und undogmatische Gesprächsrunden über | |
ideologische und politische Grenzen hinweg Veränderungen anstoßen“, sagt | |
Lars Grotewold, der den Bereich Klimaschutz bei der Stiftung leitet, im | |
Gespräch mit der taz. „Unser Vorteil als Stiftung: Wir sind unabhängig vom | |
Markt oder von Parteien“, so der Mercator-Manager. „Wenn wir einladen, | |
haben wir keine versteckte Agenda, wie sie Akteuren aus Politik oder | |
Wirtschaft unterstellt wird. Und wir sind klar in unseren Zielen und | |
transparent.“ | |
## Wo bleibt die Transparenz? | |
Kaum transparent ist Deutschlands wichtigster Finanzierer von | |
zivilgesellschaftlichem Klimaschutz allerdings in eigenen Dingen. Woher | |
kommt das grüne Kapital, mit dem die Stiftung Mercator die Trommel für die | |
Klimaneutralität rührt? 2020 hatte sie einen Haushalt von 112 Millionen | |
Euro, das Geld für Projekte bekommt sie aber von ihrer | |
[4][Dachorganisation, der Meridian Stiftung]. Die sitzt in Essen, gleich um | |
die Ecke. So offen die Stiftung Mercator ist, wenn es um die Verwendung | |
ihrer Gelder für Projekte geht, so verschlossen zeigt sich ihre | |
Muttergesellschaft bei journalistischen Anfragen nach der Herkunft des | |
Geldes. | |
In der Meridian Stiftung hat die Essener Kaufmannsfamilie Schmidt einen | |
Teil ihres Geldes angelegt. Das wurde im Großhandel verdient, mit der Metro | |
Group. Die Nachfahren der Familie haben Ende der 1990er-Jahre die Stiftung | |
Mercator und eine Schwesterstiftung in der Schweiz gegründet und „mit | |
erheblichen finanziellen Mitteln aus ihrem Vermögen ausgestattet“, heißt es | |
auf der Homepage. Ein neunköpfiger Beirat überwacht die Arbeit des | |
Vorstands, der die Werte „Weltoffenheit, Respekt und Toleranz“ fördern | |
soll. | |
Und wie ist das Kapital heute angelegt? [5][Gibt es Ausschlusskriterien für | |
Anlagen?] Oder sichern auch Anteile und Fonds das Kapital der Stiftung, die | |
bei ihrem Bezug zum Ruhrgebiet nahelägen – zum Beispiel an den | |
Energiekonzernen RWE und Eon, dem Stahlunternehmen Thyssenkrupp oder dem | |
Chemiekonzern Evonik? | |
Mit der fehlenden Transparenz in Finanzfragen sind auch MitarbeiterInnen | |
der Mercator Stiftung und der geförderten Institutionen nicht glücklich. | |
Und in der Meridian Stiftung gibt es dazu ebenfalls immer wieder Debatten. | |
Aber bislang lautet die offizielle Antwort auf wiederholte Anfragen nur | |
kurz und knapp: „Eine Veröffentlichung, in welcher Weise die Mittel | |
investiert sind, ist seitens der Meridian Stiftung zum jetzigen Zeitpunkt | |
nicht vorgesehen.“ | |
7 Jun 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Oekologische-Investments-in-EU/!5758209 | |
[2] /Kampf-gegen-die-Erderhitzung/!5763143 | |
[3] /Nach-Karlsruher-Urteil-zum-Klimaschutzgesetz/!5765774 | |
[4] http://www.meridian.ruhr/ | |
[5] /Europaeische-Union-und-Kapitalanlagen/!5735115 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
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