# taz.de -- Anfragen wegen Diskriminierung: Alle Leitungen belegt | |
> Um 78 Prozent ist die Zahl der Anfragen an die Antidiskriminierungsstelle | |
> des Bundes 2020 gestiegen. Das hat wohl auch mit der Pandemie zu tun. | |
Bild: Antidiskriminierungsstelle: Viele Anfragen konnten 2020 nur schriftlich b… | |
BERLIN taz | Zu viele Hilfesuchende, um noch allen gerecht zu werden: Im | |
Vergleich zum Vorjahr wuchs 2020 die Zahl der Anfragen, die bei der | |
Antidiskriminierungsstelle des Bundes eingingen, um 78 Prozent. Bei | |
insgesamt 6.383 Hilfesuchenden sei es schlicht [1][nicht mehr möglich | |
gewesen, alle von ihnen telefonisch zu beraten], musste der kommissarische | |
Leiter der Stelle, Bernhard Franke, eingestehen, als er am Dienstag den | |
Jahresbericht 2020 vorstellte. Nur noch schriftlich konnten seine | |
Mitarbeiter:innen die Anliegen bearbeiten. | |
Laut dem Jahresbericht wendeten sich 2020 rund 41 Prozent der | |
Hilfesuchenden wegen Diskriminierung aufgrund einer Behinderung an die | |
Bundesstelle – ein besonders drastischer Anstieg im Vergleich zum Vorjahr, | |
als es nur in etwa einem Viertel aller Anfragen um solche Vorfälle ging. | |
Oft steckten hinter den Vorfällen Konflikte und Fragen zur Maskenpflicht. | |
Viele Menschen mit Behinderung hätten hierbei berechtigte Fragen zu | |
Diskriminierung gehabt, so Franke, weil es ihnen medizinisch nicht möglich | |
sei, die Masken zu tragen. „Leider“ würden diese Anliegen aber auch „von… | |
genannten Corona-Leugner*innen mit teils zweifelhaften medizinischen | |
Attesten in Misskredit gebracht“. | |
Rassistische Diskriminierung spielte bei rund einem Drittel der Fälle eine | |
Rolle. Ähnlich hoch war der Anteil auch 2019 gewesen, die absolute Zahl der | |
Beratungsanfragen zu Rassismuserfahrungen stieg aber um rund 80 Prozent. | |
## Eine „gewisse Verrohung“ der Gesellschaft | |
Im Zusammenhang mit der Coronakrise, die ihren Ursprung in China nahm, | |
wurden vermehrt asiatischstämmige Menschen Opfer von Diskriminierung, etwa | |
100 von ihnen meldeten sich bei der Bundesstelle. Franke beklagte aber auch | |
zunehmenden Antisemitismus im Zusammenhang mit Verschwörungstheorien. | |
Weniger dramatisch, aber dennoch klar stieg auch die Zahl der | |
Beratungsanfragen zu Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, Alter, | |
sexueller Identität, Religion und Weltanschauung. Franke sagte, es habe | |
„eine gewisse Verrohung“ in der Gesellschaft gegeben. | |
Ein akkurates Bild von der Zahl der Diskriminierungsfälle gibt der | |
Jahresbericht jedoch nicht. Das liegt daran, dass nicht jede:r Betroffene | |
sich Hilfe sucht – und wenn doch, dann nicht unbedingt bei der | |
Bundesstelle. Oftmals wenden sie sich an Anwält:innen oder lokale | |
Beratungsstellen. Nur ein Bruchteil der tatsächlich Diskriminierten taucht | |
deshalb im Jahresbericht der Bundesstelle auf. | |
Eva Maria Andrades vom Antidiskriminierungsverband Deutschland bestätigt | |
aber, dass es auch bei den lokalen, unabhängigen Beratungsstellen mehr | |
Anfragen gegeben habe. Man habe „bundesweit mit hohen Fallzahlen zu | |
kämpfen“. Daraus ließe sich aber nicht generell schließen, dass auch die | |
Zahl der Taten tatsächlich gestiegen sei. Beim Thema Rassismus etwa sei | |
wohl vor allem das gesellschaftliche Bewusstsein gestiegen, insbesondere | |
durch die Proteste von Black Lives Matter im Sommer 2020. | |
Andrades fordert, die hohen Anfragezahlen müssten „endlich Konsequenzen | |
haben“. Sowohl die Bundesstelle wie auch die unabhängigen Stellen bräuchten | |
dringend mehr Geld vom Staat. Derzeit gebe es Beratungsangebote noch „viel | |
zu selten und schon gar nicht flächendeckend“. Dass sogar die Bundesstelle | |
zeitweise keine telefonische Beratung anbieten konnte, sei ein „drastischer | |
Missstand“. | |
Bundesstellenleiter Franke konnte am Dienstag immerhin ankündigen, dass ab | |
Juli 2021 voraussichtlich genügend Mitarbeiter:innen eingestellt sind, | |
um telefonische Beratung garantieren zu können. | |
11 May 2021 | |
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## AUTOREN | |
Frederik Eikmanns | |
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