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# taz.de -- Regionalwahl in Schottland: Unabhängigkeitsverfechter gewinnen
> Die SNP ist Wahlsiegerin, aber sie verfehlt die absolute Mehrheit um
> einen Sitz. Doch auch die Grünen unterstützen ein unabhängiges
> Schottland.
Bild: Schottlands Regionalchefin hat mit den Grünen eine komfortable Mehrheit …
Dublin taz | Die Schottische Nationale Partei (SNP) am Donnerstag zum
vierten Mal in Folge die Wahlen zum Regionalparlament gewonnen – aber die
absolute Mehrheit um einen Sitz verpasst. Premierministerin Nicola Sturgeon
wertete das Ergebnis als Mandat für ein neues Unabhängigkeitsreferendum.
„Wenn die Menschen in Schottland eine Mehrheit für ein
Unabhängigkeitsreferendum ins Parlament wählen, hat niemand das Recht, sich
dem in den Weg zu stellen“, sagte sie am Samstagabend.
Die Wahlbeteiligung lag mit 64 Prozent höher denn je. Die SNP gewann 64 der
129 Sitze. Die Grünen kamen auf acht Mandate, so dass die
Unabhängigkeitsbefürworter eine komfortable Mehrheit in dem Parlament mit
129 Abgeordneten haben. Die konservativen Tories kamen auf 31, Labour auf
22, und die Liberalen Demokraten auf vier Sitze. [1][Alba, die Partei des
früheren SNP-Chefs und Premierministers Alex Salmod, ging leer aus].
Salmond hatte die Partei erst vor kurzem gegründet, [2][nach einem
jahrelangen Streit mit Sturgeon, der zum Schluss vor Gericht ausgetragen
wurde].
Alba erhielt nur 2,3 Prozent der Stimmen. Die Hoffnung der Tories, dass
Salmond der SNP bei den Wahlen Schaden zufügen könnte, hat sich nicht
erfüllt. Dass die SNP die absolute Mehrheit um Haaresbreite verfehlte, lag
am taktischen Wahlverhalten der Wähler, die die seit 1603 bestehende Union
mit England beibehalten wollen.
In Glasgow wurden erstmals „Women of Colour“ ins Parlament gewählt – Kau…
Stewart für die SNP und Pam Gosal für die Tories. Es kam in Glasgow beim
Stimmauszählung aber auch zu einem Eklat, als der Kandidat der Liberalen,
Derek Jackson, und zwei Anhänger mit gelben Sternen am Revers auftauchten,
auf denen „Ungeimpft“ stand. Die Drei erhoben die Arme zum Hitlergruß und
wurden daraufhin von der Polizei aus dem Saal verwiesen.
Angus Robertson, der frühere SNP-Fraktionschef in Westminster, der seinen
Unterhaussitz 2017 verloren hatte, holte sich das Mandat für das
Regionalparlament mit deutlichem Vorsprung in Edinburgh. Robertson, der
eine deutsche Mutter hat und früher in Wien bei Radio Blue Danube
gearbeitet hat, sagte, dass die Coronakrise Priorität habe. Die
Entscheidung über den Volksentscheid müsse „zum richtigen Zeitpunkt“
getroffen werden.
In Schottland liegt das Wahlalter bei 16 Jahren. Das Wahlsystem ist ähnlich
wie in Deutschland, jeder Wähler hat zwei Stimmen – eine für den
Direktkandidaten, die andere für eine Partei. 73 Sitze werden nach dem
Mehrheitswahlrecht vergeben, die restlichen 56 über das
Verhältniswahlrecht.
Stephen Gethins, der ehemalige SNP-Unterhausabgeordnete, sagte, das
schottische Wahlrecht sei dem englischen Mehrheitswahlrecht bei weitem
überlegen, weil man die Meinungen der anderen Parteien berücksichtigen
müsse. „Eine absolute Mehrheit ist äußerst schwer zu erreichen, und das ist
ja der Sinn der Sache“, sagt Gethins. „Aber wenn eine Mehrheit für ein
Unabhängigkeitsreferendum ist, drückt das den Willen der Wähler aus.“ Lorna
Slater, die stellvertrende Grünen-Chefin in Schottland, drückt es ähnlich
aus: „Was wäre das für ein Land“, fragte sie, „wenn man ein solches
demokratisches Mandat einfach ignoriert?“
Der britische Premierminister Boris Johnson sieht das anders: Ein
Volksentscheid wäre seiner Aussage nach verantwortungslos und grob
fahrlässig. „Ich glaube, dass es während der Pandemie ein beredtes Zeugnis
für die Stärke der Union gegeben hat“, sagte er.
## Johnson ist das Feindbild der Unabhängigkeitsverfechter
Der Brexit ist schuld daran, dass die Frage der Unabhängigekit wieder auf
die Tagesordnung gekommen ist. Nach dem Volksentscheid gegen die
Unabhängigkeit 2014 schien die Frage für mindestens eine Generation
geklärt. Doch 2016 stimmten fast zwei Drittel der Schotten gegen den
Brexit. Die SNP begann daraufhin eine Kampagne mit dem Tenor, dass die
Engländer wieder mal Schottland ihren Willen aufgezwungen haben. Johnson
als führender Brexit-Verfechter wurde zum Feindbild. Er ist ein Glücksfall
für die Unabhängigkeitsfans.
Aber ist der Wahlerfolg der SNP tatsächlich ein Mandat für ein neues
Referendum? Noch vor wenigen Monaten schien die Sache klar, bei Umfragen
sprachen sich 59 Prozent für den Austritt aus dem Vereinigten Königreich
aus. Nach neuen Umfragen gibt es inzwischen eine knappe Mehrheit für die
Union. Das liegt wohl an den wirtschaftlichen Herausforderungen eines
autonomen Schottlands, die durch die Pandemie weitaus größer geworden sind.
Sturgeon will dennoch die gesetzlichen Voraussetzungen für das Referendum
schaffen. Die Wählerschaft habe ihr dafür den Auftrag für die kommende
Legislaturperiode erteilt. „Falls Boris Johnson das verhindern will“, sagte
sie, „muss er vor Gericht ziehen.“
9 May 2021
## LINKS
[1] /Unabhaengigkeitsbewegung-in-Schottland/!5762910
[2] /Schottlands-Regierungspartei/!5743609
## AUTOREN
Ralf Sotscheck
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